Bilanzpolitik

Überhöhte Gewinn­ausweise nehmen zu

Finanzkennzahlen in Unternehmensbilanzen sind derzeit mit besonderer Vorsicht zu lesen. Zu diesem Ergebnis kommt der September-Bericht des German Business Panel (GBP), das Teil des überregionalen Sonderforschungsbereichs „Accounting for Transparency“ ist.

Überhöhte Gewinn­ausweise nehmen zu

md Frankfurt

Finanzkennzahlen in Unternehmensbilanzen sind derzeit mit besonderer Vorsicht zu lesen. Zu diesem Ergebnis kommt der September-Bericht des German Business Panel (GBP), das Teil des überregionalen Sonderforschungsbereichs „Accounting for Transparency“ ist.

Offenbar nutzen Unternehmen ihren bilanziellen Ermessensspielraum derzeit noch stärker als üblich und insbesondere, um ihre Gewinne höher aussehen zu lassen. Der Anteil dieser Unternehmen hat sich gemäß dem Bericht seit dem Frühjahr auf über 10% verdreifacht und ist in Krisenbranchen besonders hoch. Ein Grund dafür könnte die weiter angespannte wirtschaftliche Lage sein: In energieintensiven Branchen steigt laut dem GBP-Bericht die Ausfallerwartung auf bis zu 16%.

Die Ausfallwahrscheinlichkeit gibt Auskunft darüber, für wie wahrscheinlich es Unternehmer halten, dass ein Konzern aus der eigenen Branche innerhalb der folgenden zwölf Monate aus der Geschäftstätigkeit ausscheidet.

Der wirtschaftliche Ausblick in Deutschland bleibe eingetrübt, heißt es. Die September-Daten zeigten, dass den leicht verbesserten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen eine gestiegene Ausfallwahrscheinlichkeit gegenüberstehe. Die erwarteten Unternehmensausfälle steigen den Angaben zufolge auf 14,3%. In energieintensiven Branchen wie dem Maschinenbau steige die Rate auf 16% und in den von Corona betroffenen Krisenbranchen wie dem Gastgewerbe sogar auf 18,2%.

„Im Rahmen des Erlaubten“

Da der erhöhte wirtschaftliche Druck die Unternehmensziele so­wie das Überleben gefährdet, greife die große Mehrheit der Betriebe zu bilanzpolitischen Maßnahmen: Knapp 85% der Unternehmen geben an, ihre Ergebnisse aktiv zu steuern. Erstes Mittel ist in den meisten Fällen eine Kostensenkungsstrategie, die Einsparungen im Verbrauch vorsieht, aber auch Personalabbau. Zunehmend sind allerdings auch rein bilanzielle Maßnahmen zu beobachten, mit denen Gewinne künstlich erhöht werden – gerade bei großen Unternehmen.

„Es geht dabei nicht um Betrügereien oder Bilanzfälschungen“, erläutert Jannis Bischof, Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmensrechnung an der Universität Mannheim und Leiter des GBP. „Dass die Unternehmen ihre Gewinne angesichts der dramatischen Energie- und Rohstoffkrise im Rahmen des Erlaubten nach oben schrauben, ist nicht verwunderlich. Sie tun das, um ihre Kreditwürdigkeit überzeugend darzustellen und die Investoren zu beruhigen“, fügt Bischof hinzu. Passend zur wirtschaftlichen Lage sei die Neigung zur Anwendung von Bilanzpolitik in zwei Branchen besonders ausgeprägt: im Handel (21,5%) und im Baugewerbe (21,3%).

Die Daten zeigen zudem, dass der Anteil von Unternehmen, die ihre Gewinne in den Bilanzbüchern höher haben aussehen lassen, in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen hat: Zuletzt gaben 10,4% der Unternehmen an, Bilanzpolitik zur Gewinnsteigerung zu betreiben – knapp dreimal so viel wie noch im Frühjahr (rund 3% im Februar 2022). Dagegen neigten Unternehmen in guten Zeiten eher dazu, ihre Gewinne zu niedrig zu berechnen, nicht zuletzt um Steuern zu minimieren. So hat noch bis April 2022 die Mehrzahl der Betriebe ihre Gewinne möglichst niedrig dargestellt.

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