Umbauplan von Thyssenkrupp wankt

Unruhe der Großaktionäre wächst vor Aufsichtsratssitzung am 21. Mai zur Aufspaltung des Konzerns - Kurs fällt auf 16-Jahres-Tief

Umbauplan von Thyssenkrupp wankt

So stark unter Druck war Thyssenkrupp zuletzt auf dem Höhepunkt des Stahldesasters in Amerika. Während der Börsenwert des Konzerns mit 7 Mrd. Euro auf den niedrigsten Stand seit 2003 gefallen ist, wachsen die Zweifel an dem 1 Mrd. Euro teuren Plan zur Aufspaltung. Am 21. Mai berät der Aufsichtsrat darüber. cru Düsseldorf – Der Aufspaltungsplan von Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff gerät durch den Absturz des Aktienkurses auf ein 16-Jahrestief sowie durch die Konjunktureintrübung und das wahrscheinliche Scheitern der Tata-Fusion immer mehr ins Wanken. Die Schmerzgrenze der beiden Großaktionäre – die Krupp-Stiftung (21 %) und der Finanzinvestor Cevian (18 %) – könnte bald erreicht sein. Vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung zu der 1 Mrd. Euro teuren Aufspaltung unter der Leitung der neuen Chefkontrolleurin Martina Merz am 21. Mai wächst die Unruhe. Erster Prüfstein für Fortschritte im operativen Geschäft des angeschlagenen Konzerns ist die Halbjahresbilanz am Dienstag (14. Mai). Dax-Abstieg drohtSchon am heutigen Freitag kommt zunächst der europäische Betriebsrat des Stahlfusionspartners Tata zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Der niederländische Betriebsratschefs Frits van Wieringen und seine Kollegen aus Großbritannien verweigern dem schon seit drei Jahren geplanten Gemeinschaftsunternehmen die Unterstützung, weil Thyssenkrupp und Tata den Kartellwächtern in Brüssel angeboten haben, Unternehmensteile in Belgien Tata), Großbritannien und Spanien zu verkaufen. Auch die IG Metall geht erneut auf Distanz zu dem ungeliebten Projekt, weil sie den Cashflow für die Pensionen in Gefahr sieht.Scheitert das Joint Venture am 17. Juni letztlich an einem Veto aus Brüssel, dann gefährdet das auch den gesamten Plan für die komplexe Abspaltung des Industriegüterkonzerns Thyssenkrupp Industrials samt Aufzügen, Autoteilen und Großanlagenbau vom alten Stahlkonzern Thyssenkrupp Materials. Kerkhoff wiegelt abAuch wenn Kerkhoff vorsorglich abgewiegelt hat – “Bringt es uns um, wenn es nicht stattfindet? Nein” -, schwierig wird die Neujustierung allemal: Eigentlich wollte Kerkhoff rund 4 Mrd. Euro an Verbindlichkeiten, hauptsächlich Pensionslasten, auf Thyssenkrupp Tata übertragen, um so die Bilanz des chronisch eigenkapitalschwachen Konzerns (Eigenkapitalquote: 10 %) zu entlasten, einen Milliarden-Buchgewinn zu verzeichnen und Synergien von bis zu 500 Mill. Euro zu erzielen.Weil die von Goldman Sachs ausgearbeiteten Umbaupläne wanken und weil sich gleichzeitig die globale Konjunktur zusehends eintrübt, während das operative Geschäft nach zahlreichen Managerwechseln kaum vorankommt, findet der Kurs der Thyssenkrupp-Aktie derzeit keinen Halt. Nachdem das Papier in den vergangenen Wochen bereits durch eine Reihe von schlechten Nachrichten aus der Auto- und Stahlindustrie, unter anderem von Klöckner & Co sowie Voestalpine, belastet wurde, ist der Kurs am Donnerstag nach schwachen Zahlen des Konkurrenten ArcelorMittal auf den tiefsten Stand seit Herbst 2003 abgesackt. Die Aktie fiel um zeitweise bis zu 3,7 % auf 11,22 Euro. Seit Ende 2018 brach der Thyssenkrupp-Kurs um fast ein Viertel ein – das Papier ist damit der mit Abstand schwächste Dax-Titel im bisherigen Jahresverlauf. Über zwölf Monate summiert sich das Kursminus auf 50 %. Mit einem Börsenwert von noch 7 Mrd. Euro ist der Konzern in der Börsenwert-Rangliste auf den 30. und damit letzten Platz im deutschen Leitindex zurückgefallen.Sollte sich das nicht bessern, droht im September – noch vor der für Oktober geplanten Aufspaltung – der Rauswurf aus dem Dax. Befürchtet wird von Analysten bereits die dritte Gewinnwarnung seit dem Amtsantritt Kerkhoffs vor einem Jahr. Im laufenden Jahr 2018/19 soll das bereinigte operative Ergebnis (Ebit) der fortgeführten Aktivitäten nach bisheriger Prognose von 706 Mill. auf mehr als 1 Mrd. Euro steigen. Das Problem: Je tiefer der Kurs fällt, desto höhe muss auch die Rückbeteiligung des Stahlkonzerns Thyssenkrupp Materials am abgespaltenen Industriegüterkonzern Thyssenkrupp Industrials ausfallen. Anfangs war von 20 % bis 30 % der Aktien die Rede. Inzwischen schätzt Baader-Bank-Analyst Christian Obst die notwendige Höhe der Beteiligung, um Thyssenkrupp Industrials wetterfest zu machen, auf 30 % bis 40 % – was auch dem Ziel zweier unabhängiger Unternehmen widerspräche. “Schmerzgrenze erreicht”Bei Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather und bei Cevian-Chef Lars Förberg dürfte das Besorgnis auslösen – wenn nicht sogar Verärgerung. Die “Schmerzgrenze” könnte bald erreicht sein, heißt es im Umfeld der Stiftung, die für ihre gemeinnützige Arbeit auf langfristig verlässliche Dividenden angewiesen ist. Für die Krupp-Stiftung und Cevian kommt eine erhöhte Rückbeteiligung in der Wirkung einer verdeckten Kapitalerhöhung gleich: Ihre Anteile am neu abgespaltenen Industriegüterkonzern Thyssenkrupp Industrials würden deutlich abschmelzen.Zudem hinge über dem Kurs des neuen Konzerns das Damoklesschwert eines Aktienüberhangs. Sobald der alte Stahlkonzern mit dem Abverkauf der Aktien anfinge, sänke der Kurs. Vielleicht wäre Thyssenkrupp Materials gezwungen, die Aktien abzustoßen. Eine Kapitalerhöhung kann das Unternehmen derzeit nicht so einfach durchführen, weil es kein genehmigtes Kapital gibt. Es würde dazu einer außerordentlichen Hauptversammlung bedürfen.