Restrukturierungsplan

Urteil zu Adler-Umschuldung treibt Juristen um

Die Entscheidung des englischen Berufungsgerichts, den Adler-Sanierungsplan zu kassieren, bewegt Fachanwälte und Restrukturierungsspezialisten. Das Urteil ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert.

Urteil zu Adler-Umschuldung treibt Juristen um

Urteil zu Adler-Umschuldung treibt Juristen um

Erster Berufungsfall in England seit Jahrzehnten – Opposition kann sich für Sieg nichts kaufen – Gericht setzt Leitlinien für künftige Restrukturierungspläne

hek Frankfurt

Die Entscheidung des Londoner Berufungsgerichts, die Umschuldung des Wohnimmobilienkonzerns Adler Group zu kippen, bewegt Restrukturierungsanwälte und Sanierungsspezialisten – aus mehreren Gründen. Zum einen ist es sehr ungewöhnlich, dass der Fall überhaupt in Berufung ging. „Das hat es seit Jahrzehnten nicht gegeben“, sagt Katharina Crinson, Counsel der internationalen Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Zum anderen hat das Gericht einige bemerkenswerte Leitlinien formuliert. Diese Anforderungen für künftige Restrukturierungspläne werden nun analysiert und kommentiert. Freshfields sowie Kirkland & Ellis haben dazu flugs ausführliche Analysen veröffentlicht.

„Das ist kurios“

Vor allem bewegt die Gemüter, dass das 65-Seiten-Urteil erst einmal keine Konsequenzen hat. Denn die Änderung der Anleihebedingungen, die auf dem nun kassierten Adler-Restrukturierungsplan basiert, bleibt in Kraft. „Das ist kurios“, sagt Crinson, die Expertin für britisches Recht ist, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

„Die Änderungen sind bei Clearstream hinterlegt. Damit sind sie wirksam“, stellt Freshfields-Partner Lars Westpfahl in dem Gespräch klar. „Die Entscheidung des Berufungsgerichts ändert daran nichts.“ Darüber bestehe Einigkeit, sagt Westpfahl. Eine andere Frage ist freilich, ob die Änderungen auch sicher sind. In dem Berufungsurteil selbst werden die Konsequenzen nicht angesprochen. In dem Freshfields-Blog heißt es, für Adler werfe die Entscheidung „einige schwierige Fragen im Zusammenhang mit der Umstrukturierung“ auf.

Grundsatz der gerechten Verteilung des Vermögens

Der High Court in London, die erste Instanz, hatte die milliardenschwere Umschuldung im April 2023 gebilligt und damit die Ablehnung einer Oppositionsgruppe aus dem Weg geräumt. Die von der US-Investmentfirma Strategic Value Partners angeführte Gruppe, zu der auch die Fondsgesellschaft DWS gehört, hält Bonds mit der längsten Laufzeit. Sie befürchtet, dass Adler keine Assets mehr hat, wenn ihre Forderungen im Jahr 2029 fällig sind, während Bondholder mit kürzeren Laufzeiten ihr Geld zurückbekommen. Diese zeitliche Staffelung der Ansprüche hat das Berufungsgericht verworfen. Die finanzielle Restrukturierung weiche ohne Rechtfertigung vom Grundsatz der gerechten Verteilung des Vermögens auf alle Bondholder ab.

Das sind komplizierte Sachverhalte, die so noch nie aufgetreten sind.

Freshfields-Partner Lars Westpfahl

„Die oppositionelle Gruppe hat zwar gewonnen, aber sie kann sich dafür nichts kaufen“, fasst Crinson die Lage zusammen. Nun gibt es grundsätzlich zwei juristische Optionen: Die Berufungskläger können sich an die englische Erstinstanz wenden, um klären zu lassen, was das Berufungsurteil eigentlich bedeutet. Oder sie wenden sich an ein Gericht in Deutschland, um ihre Interessen durchzusetzen. Die Freshfields-Anwälte halten sich bedeckt, welcher Weg aussichtsreicher ist. „Das sind komplizierte Sachverhalte, die so noch nie aufgetreten sind“, sagt Westpfahl. Darüber wird nun in der Branche lebhaft diskutiert.

Gespräche erwartet

Die Stellungnahme der Oppositionsgruppe, die von den Kanzleien Akin und Gleiss Lutz vertreten wird, klingt vieldeutig: „Wir freuen uns darauf, mit dem Unternehmen und anderen Interessengruppen im Lichte dieses Urteils zusammenzuarbeiten." Westpfahl meint: „Es ist davon auszugehen, dass die Parteien miteinander sprechen werden, denn der oppositionellen Gruppe dürfte es nicht um Rechthaben, sondern um finanzielle Interessen gehen.“ Adler hingegen lehnt Kompensationszahlungen kategorisch ab: „Wir haben nichts falsch gemacht“, sagt ein Firmensprecher. Die Gegenseite habe keine aufschiebende Wirkung beantragt. Deshalb sei die Änderung der Anleihebedingungen umgesetzt worden.

Viele Kommentatoren gehen allerdings davon aus, dass die Restrukturierung ohnehin neu verhandelt werden muss. Denn der zugrunde liegende Verwertungsplan sei zu optimistisch. Der Immobilienmarkt sei seit der erstinstanzlichen Entscheidung noch mehr eingebrochen. Das bedeute: Die angepeilten Verkaufserlöse könnten nicht erzielt werden.

Hohe Fälligkeiten 2025 und 2026

So gesehen spricht viel dafür, dass in absehbarer Zeit eine zweite Umschuldung notwendig werden könnte. Denn derzeit ist nicht erkennbar, wie Adler den Berg der in den kommenden Jahren fälligen Verbindlichkeiten abtragen kann. Dann würden die Karten neu gemischt – die Opponenten wären wieder im Spiel. Allein 2025 sind 2,2 Mrd. Euro und 2026 dann 1,9 Mrd. Euro fällig.

Mit der Restrukturierung wurden Fälligkeiten und Zinszahlungen bis Mitte 2025 prolongiert und neue Kredite von knapp 940 Mill. Euro bereitgestellt, die ebenfalls in eineinhalb Jahren auslaufen. Geändert wurden die Bedingungen von Anleihen im Volumen von 3,2 Mrd. Euro, die sich auf sechs Serien verteilen und zwischen 2024 und 2029 fällig waren. Die Erwartung der Adler-Seite, dass der Weg über ein englisches Gericht die größere Transaktions- und Rechtssicherheit für die Umschuldung bietet, hat sich allenfalls bedingt bewahrheitet. Klar ist: In Zukunft wird ein vergleichbarer Fall in England nach derzeitiger Lage der Dinge scheitern.

Zeitliche Vorgaben

Die Vorgaben des Berufungsgerichts für künftige Restrukturierungspläne beziehen sich vor allem auf die Zeitschiene. Unternehmen werden ermahnt, den Plan rechtzeitig vorzulegen, damit Zeit für ein umfassendes Verfahren und eine begründete Entscheidung bleibt. Englische Gerichte hätten ihre Zuständigkeit für nicht britische Restrukturierungsfälle immer weiter ausgedehnt, erläutert Westpfahl. Inzwischen gebe es aber in Deutschland mit dem StaRUG ebenfalls einen Rechtsrahmen für vorinsolvenzliche Sanierungen, und andere europäische Länder hätten ähnliche Gesetze. Das StaRUG komme aus den Kinderschuhen raus. „Fälle, die früher nach England gegangen wären, werden zunehmend in Deutschland bleiben“, erwartet Westpfahl.