USA erwägen wegen Compliance-Verstößen Strafverfahren gegen Boeing
USA erwägen Strafverfahren gegen Boeing
Airbus-Rivale soll gegen 2,5 Mrd. Dollar schweren Vergleich mit US-Justizministerium verstoßen haben
Reuters Washington
Die USA haben den Weg für strafrechtliche Konsequenzen aus den Qualitätssicherungsproblemen des krisengeschüttelten US-Flugzeugbauers Boeing geebnet. Der Airbus-Rivale habe es versäumt, „ein Compliance- und Ethikprogramm zu entwickeln, umzusetzen und durchzusetzen, um Verstöße gegen US-Betrugsgesetze im gesamten Unternehmen zu verhindern und aufzudecken“, erklärte das US-Justizministerium (DOJ) in einer am Dienstag bei einem Gericht in Texas eingereichten Klageschrift.
Festgestellt hätten Ermittler dies nach dem Beinahe-Unfall am 5. Januar, bei dem sich kurz nach dem Start im Steigflug ein Teil der Kabinenwand einer fast neuen Boeing 737 Max 9 der US-Fluggesellschaft Alaska Airlines aufgrund fehlender Bolzen löste. Boeing könne daher strafrechtlich verfolgt werden, die Regierung prüfe aber noch, wie sie in diesem Fall vorgehen werde. Das DOJ lehnte es ab, sich über die Gerichtsakte hinaus zu äußern. Diese enthielt ein Schreiben, in dem Boeing aufgefordert wurde, bis zum 13. Juni die Art und Umstände des Verstoßes sowie die Maßnahmen zur Behebung der Situation zu erläutern. Boeing reagierte nicht sofort auf eine Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters zur Stellungnahme.
Verstoß gegen Vergleich
Das Justizministerium erklärte weiter, dass der Vorfall vom 5. Januar einen Verstoß gegen eine als Deferred Prosecution Agreement (DPA) bekannte, 2,5 Mrd. Dollar schwere Vereinbarung aus dem Jahr 2021 darstelle. Diese schützt den Flugzeughersteller vor Strafverfolgung im Zusammenhang mit den tödlichen Abstürzen von 737 MAX-Flugzeugen in den Jahren 2018 und 2019, bei denen 346 Menschen ums Leben kamen.
Im Rahmen der Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft verpflichtete sich der US-Flugzeughersteller, die Familien der Opfer zu entschädigen und seine Compliance-Praktiken zu überarbeiten. Die Staatsanwaltschaft hatte sich zuvor bereit erklärt, die Anklage gegen Boeing fallen zu lassen, sofern das Unternehmen die Bedingungen der Vereinbarung über einen Zeitraum von drei Jahren einhielte. Das Beinahe-Unglück auf dem Alaska-Flug ereignete sich zwei Tage vor Ablauf dieser Frist.