Serie:Künstliche Intelligenz

Venture Capital strömt in lernfähige Algorithmen

Trotz eines allgemein schwierigen Finanzierungsumfelds strömen KI-Startups derzeit in großem Umfang Mittel zu. Die Bewertungen klettern – denn Venture-Geldgeber fürchten, einen Megatrend zu verpassen.

Venture Capital strömt in lernfähige Algorithmen

Auftakt zur Serie: Künstliche Intelligenz

Venture-Geldgeber drängen in KI-Investments

Transaktionsvolumina bei lernfähigen Algorithmen ziehen trotz schwierigem Funding-Umfeld an – Hohe Aktivität in frühen Phasen – Bewertungen klettern

Trotz allgemein schwieriger Finanzierungsbedingungen strömen jungen KI-Entwicklern derzeit in schneller Folge Mittel zu. Denn Venture-Geldgeber fürchten, einen Megatrend zu verpassen, und sind deshalb zu hohen Ausgaben bereit. In der Folge klettern auch die Bewertungen im Segment kräftig.

Von Alex Wehnert, New York

Venture-Geldgeber befinden sich in großer Eile – denn niemand im Markt will den nächsten großen Trend verpassen: Start-ups aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) strömen derzeit erhebliche Mittel zu. Die Beteiligungsgesellschaft Sequoia Capital soll sich zuletzt beispielsweise den Zuschlag gesichert haben, um eine 5 Mill. Dollar schwere Seed-Finanzierungsrunde für das französische KI-Start-up Dust zu führen.

Die Summe liegt damit deutlich über dem durchschnittlichen Umfang von Startkapitalfinanzierungen. Zu dem Zeitpunkt, als die durch den Crash der Kryptoplattform FTX im vergangenen Jahr hart gebeutelte Sequoia und andere Risikokapitalgeber wie die Tech-fokussierte Coatue Management um die Aufmerksamkeit der Gründer gerungen haben sollen, bestand das Unternehmen im Kern aus zwei Teammitgliedern.

Das Beispiel zeigt, wie groß der Hype um künstliche Intelligenz in der Venture-Szene derzeit ist – insbesondere, da sich die Finanzierungsbedingungen für Start-ups im laufenden Jahr deutlich eingetrübt haben. Die Deal-Aktivität in der Phase vor der Gründung (Pre-Seed) und im Seed-Bereich ist laut dem Datendienstleister Pitchbook zuletzt so schwach ausgefallen wie seit zehn Quartalen nicht. Auch im Frühphasen-Segment, also bei Series-A- und B-Runden, sei sowohl die Zahl der Deals als auch der Gegenwert der Transaktionen im ersten Quartal weiter zurückgegangen, wozu laut Analysten auch der Kollaps der auf die Start-up-Finanzierung fokussierten Silicon Valley Bank im März beigetragen haben dürfte.

Dagegen seien die entsprechenden Investitionsvolumina im Segment der generativen KI – also Technologien, die neue und originäre Text-, Bild- oder Multimedia-Inhalte erstellen können – seit Beginn des vergangenen Jahres auf 5,9 Mrd. Dollar gestiegen. Noch 2020 hätten sie sich lediglich auf 1,5 Mrd. Dollar belaufen.

Damit schließen sie an den langfristigen Wachstumstrend im breiteren Markt für lernfähige Algorithmen an. Laut OECD-Daten ist der globale Gegenwert von Venture-Capital-Investments in KI-Start-ups zwischen 2012 und 2020 von 2,2 auf 53,7 Mrd. Dollar gestiegen. Eingeschlossen ist dabei eine große Bandbreite an Anwendungen, vom autonomen Fahren über IT-Infrastruktur bis hin zu Logistiklösungen. Konzentrierten sich die Investments in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts vor allem auf die USA, fließen inzwischen großvolumige Mittel an Start-ups in anderen Ländern – unter anderem Deutschland. Unterdessen kletterte der Anteil der Venture-Fonds, die in KI investieren, zwischen 2012 und 2020 von 3% auf 21% – und dürfte seither laut Analysten noch zugelegt haben.

Zur verstärkten Aufmerksamkeit haben insbesondere die Aktivitäten und Milliardeninvestitionen der Software-Riesen Alphabet und Microsoft beigetragen. Der Windows-Konzern hat seine Suchmaschine Bing mit Anwendungen der Technologieschmiede OpenAI ausgerüstet, deren Textgenerator ChatGPT seit dem vergangenen November einen gewaltigen Nutzerzulauf verzeichnet. Die Alphabet-Tochter Google, die um ihre Vormachtstellung im Suchmaschinenmarkt bangt, hält mit ihrem eigenen Chatbot Bard dagegen.

Dieser wird vorläufig zwar nicht in die bestehenden Anwendungen des Unternehmens eingebunden. Doch sorgen Berichte, gemäß denen der koreanische Elektronikgigant Samsung Google als Hauptsuchmaschine auf seinen Geräten durch Bing ersetzen könnte, bei Alphabet wohl für hektische Aktivität. Laut der „New York Times“ will der Konzern nun nicht nur seine bestehende Suchmaschine mit KI-Elementen aufrüsten, sondern parallel auch eine neue entwickeln.

Kapitalintensive Entwicklung

Die Entwicklungsarbeit im KI-Segment ist äußerst kapitalintensiv. Forscher und Analysten fürchten deshalb, dass die Software-Riesen kleinere Entwickler mit vielversprechenden Produkten aus dem Markt drängen und diesen unter sich aufteilen werden. Ungeachtet dessen führt der hohe Investitionsdrang von Venture-Capital-Fonds dazu, dass die Pre-Money Valuations – also die Bewertungen von Start-ups vor Finanzierungsrunden – deutlich anziehen. Laut Pitchbook beliefen sie sich bei den ersten neun Deals des laufenden Jahres im Median auf 90 Mill. Dollar und fielen damit mehr als doppelt so hoch aus wie im Gesamtjahr 2022, als der mittlere Wert bei 42,5 Mill. Dollar lag.

Unterdessen sind im Markt zuletzt schon schwerere Transaktionen zustande gekommen – zum Beispiel eine von Andreessen Horowitz geführte Finanzierungsrunde des Chatbot-Entwicklers Character.AI, in deren Rahmen das 16 Monate alte Unternehmen Ende März 150 Mill. Dollar einsammelte. Damit kommt es auf eine Milliardenbewertung. Die Gründer von Character.AI sind Ex-Google-Mitarbeiter – ihr Unternehmen gilt als eines der wenigen, dessen Technologie der von OpenAI Konkurrenz machen könnte. Venture-Investoren sind indes schon auf der Suche nach den nächsten KI-Firmen mit disruptivem Potenzial.

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