IM BLICKFELD

Verfall einer Ikone

Von Daniel Schauber, Frankfurt Börsen-Zeitung, 7.8.2019 Neben der Deutschen Bank gibt es noch ein anderes deutsches Unternehmen, das reichlich Anschauungsmaterial zum Verfall einer Ikone der deutschen Wirtschaft liefert: Heidelberger Druck. Der...

Verfall einer Ikone

Von Daniel Schauber, FrankfurtNeben der Deutschen Bank gibt es noch ein anderes deutsches Unternehmen, das reichlich Anschauungsmaterial zum Verfall einer Ikone der deutschen Wirtschaft liefert: Heidelberger Druck. Der Hightech-Maschinenbauer war vor zwei Dekaden noch ein Aushängeschild der deutschen Exportindustrie, Tochter des mächtigen Energiekonzerns RWE und potenzieller Dax-Kandidat. Heute ist die einstige Maschinenbauperle an der Börse völlig glanzlos. Großaktionär ist der weitgehend unbekannte chinesische Maschinenbauer Masterwork. Und gelistet ist Heidelberger Druck im Kleinwertesegment SDax und dort auf Penny-Stock-Niveau abgerutscht. An der Spitze im OligopolWer allein den rapiden Nachfragerückgang nach Druckmaschinen im digitalen Zeitalter für den Niedergang des Weltmarktführers zur Erklärung bemühen will, der liegt gründlich verkehrt. Der Verfall hat mehr als einen Grund. Richtig ist, dass vor allem Werbung ins Internet abgewandert ist und der Druckmaschinenmarkt dadurch unwiderruflich zusammengeklappt ist. Eine Konzentration der Druckmaschinenindustrie, die von vier faktischen Oligopolisten beherrscht wurde – neben den Heidelbergern waren dies die beiden deutschen Konkurrenten Koenig & Bauer und Manroland sowie die japanische Komori -, musste folgen. Naheliegend gewesen wäre es dabei, dass die Nummer 1 der Branche als Gewinner aus dem Verteilungskampf hervorgeht.Doch das Gegenteil trat ein. Es war die Nummer 2, Koenig & Bauer (KBA), die sich in der Krise als Sieger aufschwingen konnte. Seit der Jahrtausendwende hat die KBA-Aktie ihren Wert rund verdoppelt. Das Papier von Heidelberger Druck hat unterdessen rund 98 % eingebüßt. Manroland ging 2011 pleite, nachdem Heidelberger Druck sich in der Finanzkrise 2009 mit 850 Mill. Euro vom Steuerzahler retten ließ.Die familiendominierte Koenig & Bauer hat sowohl die Dotcom-Krise Anfang des Jahrtausends als auch die Finanzkrise ohne Geldspritzen von außen gemeistert. Die Würzburger sanierten ihr Geschäft rigoros. Zwar mussten auch die Franken Verlustjahre hinnehmen, aber sie erreichten bei der Ertragskraft schließlich ein Niveau, das deutlich über das Vorkrisenlevel hinausragt (siehe Grafik). Die einst hoch profitablen Kurpfälzer dagegen haben von 2008 bis 2012 fünf Verlustjahre in Folge hingelegt und krebsen seither beim Ergebnis um die Null-Linie.Geschafft hat KBA die Wende nicht etwa durch strategische Meisterleistungen, sondern durch Konsequenz. Am Main stellte man sich auf die neuen Marktgegebenheiten ein, während am Neckar das Prinzip Hoffnung regierte. Das ehemalige Massengeschäft Zeitungs- und Werbedruck wurde bei KBA drastisch zurückgefahren. Ausgebaut wurde zugleich der konjunkturrobuste und im Online-Shopping-Zeitalter florierende Verpackungsdruck, bei dem man frühzeitig auch lukrative Nischen wie Kartonagen-, Blech- oder Glasdruck besetzte. “Amazon der Printindustrie”Heidelberger Druck, die aus der Zeit als RWE-Tochter noch lange die unpassenden Strukturen eines Großkonzerns mit sich herumschleppte, hat bis heute Mühe, ihre Überkapazitäten handzuhaben. Mit der Rolle der demonstrativ bescheidenen Maschinenfabrik, die KBA schon immer pflegte, scheint man sich in Heidelberg auch heute nur schwer abfinden zu können. Heidelberg-CEO Rainer Hundsdörfer macht gern viel Wind und spart nie mit markigen Worten. Er will die Maschinenfabrik als “Amazon der Printindustrie” neu positionieren und weg vom Maschinenverkauf – mit einem Vertriebsmodell, bei dem der Kunde nutzungsabhängig bezahlt. Die digitale Vernetzung der riesigen installierten globalen Maschinenbasis soll dabei für Effizienzgewinne sorgen, die Heidelberger Druck mit den Druckereien teilen will. Börse kauft die Story nicht abAn der Börse wird dem CEO diese Story nicht abgekauft. Für Stirnrunzeln sorgt derweil, dass der langjährige Finanzchef Dirk Kaliebe das Weite sucht. “Wir haben den Eindruck, einer der Kapitäne verlässt das sinkende Schiff”, kommentierte ein Kleinaktionär auf der jüngsten Hauptversammlung. Es passt ins Bild, dass Heidelberger Druck Mitte Juli die erst Anfang Juni ausgegebene Prognose wieder einstampfte – mit Verweis auf die konjunkturelle Eintrübung. Nun erwarten die Heidelberger im Gesamtjahr nur noch ein ausgeglichenes Ergebnis nach Steuern, nachdem ursprünglich ein Ergebnis auf dem Vorjahresniveau von 21 Mill. Euro angepeilt worden war. Anders KBA: Der Konkurrent meldete kurz darauf, er habe “die jüngeren Ad-hoc-Mitteilungen der Wettbewerber aufmerksam zur Kenntnis genommen und analysiert” und bekräftigte darauf die eigene Prognose. Unterdessen berichteten die Heidelberger am Dienstag für April bis Juni von einem verdoppelten Nettoverlust bei schrumpfenden Erlösen (siehe Bericht Seite 8).