Verkäufe sollen Bahn-Fusion retten

Siemens und Alstom bieten EU-Kommission die Abgabe von 4 Prozent des künftigen Konzernumsatzes an

Verkäufe sollen Bahn-Fusion retten

Siemens und Alstom bieten der EU-Kommission an, im Gegenzug zur Genehmigung einer Fusion der Bahntechnik-Aktivitäten ein Umsatzvolumen von rund 600 Mill. Euro abzugeben. Dieses Angebot gilt vor allem für die Signaltechnik. Darüber hinaus dürfte das Duo offeriert haben, einen Teil der Technologie für Hochgeschwindigkeitszüge zu transferieren. mic München – Der Europäischen Kommission sei am 12. Dezember ein Zusagenpaket vorgelegt worden, teilten Siemens und Alstom gemeinsam mit. Damit reagiere man auf die Beschwerdepunkte der Wettbewerbshüter vom 29. Oktober. “Dieses Paket ist ein Vorschlag der beiden Unternehmen, die Bedenken der Kommission auszuräumen und den industriellen und wirtschaftlichen Wert dieser Transaktion zu wahren”, erklären die Unternehmen, die in der ersten Hälfte des nächsten Jahres fusionieren wollen. Schwerpunkt SignaltechnikDie schwammig formulierte Mitteilung enthält keine detaillierten Angaben, welche Aktivitäten in welchen Regionen zum Verkauf stehen könnten. Die vorgeschlagenen Maßnahmen umfassten in erster Linie Aktivitäten im Bereich Signaltechnik, heißt es lediglich. Maßnahmen gebe es aber auch bei den Schienenfahrzeugen. Das Paket entspreche rund 4 % des Umsatzes des künftigen Unternehmens, wird erklärt. Das Duo kommt auf ein addiertes Erlösvolumen von gut 15 Mrd. Euro, so dass sich ein abzugebendes Umsatzvolumen von rund 600 Mill. Euro errechnen lässt. An dem neuen Unternehmen soll Siemens nach aktuellem Stand mit 51 % der Anteile die Mehrheit halten.Die EU-Kommission hatte bereits im Juli sowohl die Signaltechnik als die Hochgeschwindigkeitszüge als Knackpunkte des Fusionsvorhabens identifiziert. Einerseits schaffe die Kombination von ICE und TGV einen Marktführer nicht nur in Europa, sondern auch weltweit. Dieser sei mehr als dreimal so groß wie der größte Konkurrent. Andererseits übersteige der Marktanteil in der Signaltechnik das Volumen des engsten Wettbewerbers um das Dreifache. Ein nennenswerter Wettbewerbsdruck existiere dort nicht mehr. Im IT-Segment verwurzeltDie Signaltechnik gilt zwar als Wachstumssegment, weil sie qua Bahnautomatisierung tief im IT-Segment verwurzelt ist. Sie umfasst aber nur einen geringen Teil des Bahntechnikmarktes. Alstom schätzt, dass im Jahr 2023 weltweit rund 13 Mrd. Euro mit diesen Aktivitäten erlöst werden, während der gesamte Bahntechnikmarkt rund 120 Mrd. Euro umfasse (siehe Grafik).Siemens ist allerdings auf diesem Markt überproportional aktiv. Schon im Jahr 2012 entschieden sich die Münchner für den Kauf der britischen Invensys Rail, die Übernahme für 2 Mrd. Euro wurde im Mai 2013 abgeschlossen.Den Anteil des Signaltechnikgeschäfts am Bahntechniksegment schlüsselt Siemens normalerweise nicht auf. Im Alstom-Börsenprospekt zur Fusion wird jedoch ein Erlösanteil von fast 50 % genannt (siehe Grafik). Konsequenterweise soll Berlin im neu formierten Unternehmen zentraler Standort der Sparte Mobilitätslösungen sein, während der Firmensitz des gesamten Unternehmens in Paris ist.Alstom hatte zwar im Jahr 2014 mit dem Kauf der amerikanischen GE Signalling ebenfalls das Signaltechnikgeschäft gestärkt, ist jedoch dort weniger stark engagiert. Im ersten Halbjahr (30. September) erwirtschafteten die Franzosen nur 15 % ihres Umsatzes von 4 Mrd. Euro mit diesen Aktivitäten. Entscheidung bis 2019Im Zusagenpaket von Siemens und Alstom spielen angesichts der Bedenken der Wettbewerbshüter auch die Hochgeschwindigkeitszüge eine Rolle. Das Duo dürfte hier allerdings weniger an Verkäufe denken, sondern an einen Technologietransfer in Form von Lizenzen. Der Grund: In der Bahntechnik werden Zugplattformen meist nicht nur in einem Segment des Portfolios wie den Hochgeschwindigkeitszügen genutzt, sondern auch in anderen Segmenten – sind also kaum verzichtbar und können daher nicht verkauft werden.Die Parteien seien der Auffassung, dass das vorgeschlagene Zusagenpaket angemessen sei, teilten Siemens und Alstom mit: “Es gibt jedoch keine Gewähr dafür, dass der Inhalt dieses Pakets ausreicht, um die Bedenken der Kommission auszuräumen.” Eine Entscheidung sei bis zum 18. Februar nächsten Jahres zu erwarten.Ursprünglich wollten Siemens und Alstom die Fusion bis Ende 2018 abschließen. Im Juni hatten die Konzerne einen Start in der ersten Jahreshälfte 2019 angekündigt. Siemens-Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser hatte im November erklärt, für den Fall, dass die Fusion nicht in einer Weise gelinge, die Siemens richtig erscheine, habe der Konzern das beste Mobilitätsunternehmen der Welt.Die Sparte, die abgespalten wurde, steigerte die Erlöse im vergangenen Geschäftsjahr (30. September) um 11 % auf 8,8 Mrd. Euro. Die operative Marge legte von 9,2 % auf 10,0 % zu. Alstom weist für die erste Hälfte 2018/2019 eine adjustierte operative Marge von 7,1 % aus. Im gesamten Geschäftsturnus 2017/2018 waren es 6,5 %.—– Wertberichtigt Seite 6