PHARMAINDUSTRIE

Viagra für den Aktienkurs von AstraZeneca

Pfizer angeblich an Übernahme interessiert

Viagra für den Aktienkurs von AstraZeneca

Von Andreas Hippin, LondonDie “Sunday Times” hat die Geschichte in die Welt gesetzt: Pfizer soll vor einigen Wochen den Kauf des britischen Pharmakonzerns AstraZeneca für mehr als 60 Mrd. Pfund ausgelotet haben. Das wären 100 Mrd. Dollar – eine Zahl, an der kein Medium vorbeikommt. Bloomberg will erfahren haben, dass der Viagrahersteller schon vor Monaten in London vor der Pforte stand. Der Board habe den Vorstoß abgeschmettert. Das Finanzblog Betaville setzte nach: Das Unternehmen, dem Nachahmerprodukte schwer zu schaffen machen, habe Morgan Stanley und Goldman Sachs engagiert, um weitere Übernahmeversuche abzuwehren. Geld sei genug da, schließlich habe Pfizer ausländische Gewinne von mehr als 70 Mrd. Dollar aus steuerlichen Gründen jenseits der US-Grenzen geparkt. Der Free Cash-flow beider Unternehmen dürfte sich dieses Jahr auf mehr als 27 Mrd. Dollar summieren. Und ein Analyst, der einen Deal für möglich hält, findet sich immer. Die AstraZeneca-Aktie schoss um 4,7 % auf 3 960 Pence nach oben.Fusionsgerüchte sind in der Pharmabranche nichts Ungewöhnliches. Über einen Zusammenschluss von Novartis und Roche wurde ebenso spekuliert wie über einen Kauf der britischen Shire durch einen US-Bieter. Als mögliche Bieter für AstraZeneca wurden bei früheren Gelegenheiten GlaxoSmithKline und Novartis genannt. Gelegenheit für die Entstehung von Gerüchten gibt es reichlich, schließlich spricht jeder ständig mit jedem über Vertriebs- und Forschungskooperationen. Erst vergangene Woche hatten Pfizer und AstraZeneca gemeinsam mit Cancer Research UK eine neue Initiative in Sachen Lungenkrebs bekannt gegeben.Zuletzt hatte das Management zwar keine Zukäufe, sondern Desinvestitionen auf die Agenda gesetzt, aber für Pfizer wäre es nicht der erste “Mega Merger” in der Firmengeschichte. Zur Jahrtausendwende verleibte sich der US-Konzern für 90 Mrd. Dollar Warner-Lambert ein. Vor elf Jahren schluckte er die schwedische Pharmacia für 60 Mrd. Dollar. Im Krisenjahr 2009 ließ sich der Produzent der Pille davor den Erwerb von Wyeth, damals unter den zehn größten Pharmaunternehmen weltweit, 68 Mrd. Dollar kosten.Die Analysten von Barclays gehen davon aus, dass neben möglichen Kostensenkungen die Forschungsergebnisse von AstraZeneca zur Immuntherapie von Tumoren für Pfizer interessant sein könnten. Analyst Naresh Chouhan von Liberum Capital vergleicht die Lage von AstraZeneca mit der des US-Rivalen BristolMyers Squibb in den Jahren 2006 bis 2010, als viele den Fortbestand des Unternehmens als selbstständige Einheit in Frage stellten. Heute wird die Aktie der Firma zum 28,5fachen des für 2014 erwarteten Gewinns gehandelt. Chouhan setzt große Hoffnungen in die Produktentwicklung von AstraZeneca. Die Veränderungen in Forschung und Entwicklung hätten nicht erst mit dem Amtsantritt von CEO Pascal Soriot begonnen, wie allgemein angenommen, sondern bereits vor mehr als drei Jahren. Allerdings haben Wettbewerber Produkte in fortgeschritteneren Entwicklungsstadien.