BRANCHEN IM KLIMAWANDEL

Volkswagen startet Elektro-Offensive

Weltgrößter Autobauer will bis 2050 klimaneutrales Unternehmen sein - Grenzwerte sorgen für Druck

Volkswagen startet Elektro-Offensive

Von Carsten Steevens, HamburgKurz nach dem ersten Nachkriegsweihnachten 1945 liefen die ersten Fahrzeuge des Volkswagen Typ 1 vom Band. Ihm folgten am Ende mehr als 21 Millionen Käfer. Im März 1974 fuhr der erste Golf von den Produktionsbändern in Wolfsburg. Bis 2019 wurden in bislang sieben Generationen mehr als 35 Millionen der Käfer-Nachfolger verkauft. Ob der ID3, der im kommenden Sommer in den Handel kommen soll, diese Reihe als legitimer Nachfolger fortsetzen wird, muss sich weisen. CO2-Emissionen reduzieren Für den derzeit weltgrößten Autobauer aus Wolfsburg bedeutet die Markteinführung des ersten klimaneutralen, rein batteriebetriebenen Fahrzeugs im Volumensegment eine Zäsur. Mit dem ID3, der Elektroautos erschwinglich und mit Reichweiten bis zu 550 Kilometer pro Ladevorgang alltagstauglich machen soll, beginnt Volkswagen mit der nach eigenen Angaben größten Elektro-Offensive der Autoindustrie. In den Jahren bis Ende 2024 sollen konzernweit 33 Mrd. Euro in den Auf- und Ausbau der E-Mobilität fließen, ein Drittel allein bei der Kernmarke VW Pkw. Im Jahr 2025 soll ein Viertel der Konzernflotte elektrifiziert sein, bis 2030 gut 40 %. Zugleich wollen die Wolfsburger die CO2-Emissionen in der Produktion ihrer weltweit 122 Werke bis 2025 um gut 50 % pro hergestelltem Fahrzeug verglichen mit 2010 reduzieren.Der Kompaktwagen ID3 der Kernmarke, dessen Produktion am früheren Trabant-Produktionsstandort Zwickau begonnen hat und dessen Basisversion in Deutschland unter 30 000 Euro kosten soll, hat für Volkswagen eine Vorreiterrolle auf dem Weg, bis 2050 zu einem CO2-neutralen Unternehmen zu werden. Derzeit belaufen sich die Kohlendioxidemissionen der Fahrzeuge aus dem Volkswagen-Konzern auf 1 % des weltweiten CO2-Ausstoßes.Für das Unternehmen, das sich den Zielen der Pariser UN-Konferenz von 2015 verpflichtet hat, sind E-Fahrzeuge aber schon kurzfristig von großer Bedeutung, denn es gilt Klimaschutzvorgaben der Regulierer zu erfüllen. Um etwa das von 2021 an geltende Flottenziel der EU-Kommission von maximal 95 Gramm CO2 pro Kilometer bei Neuwagen zu erreichen, muss Volkswagen in den beiden kommenden Jahren die CO2-Flottenbilanz um insgesamt 30 Gramm/Kilometer verbessern. Der Konzern, der sich überzeugt zeigt, Strafzahlungen wegen verfehlter Grenzwerte zu vermeiden, will nun verstärkt E-Fahrzeuge und Plug-in-Hybride in den Markt bringen. Allein die Marke Volkswagen soll 2020 etwa 100 000 E-Fahrzeuge produzieren. Audi mit dem E-Tron und Porsche mit dem Taycan, für den 30 000 Interessenten eine Anzahlung geleistet hätten und für den nun mehr als 10 000 feste Verträge vorlägen, sieht man in Wolfsburg bereits “vielversprechend gestartet”, wie Michael Jost, Leiter Konzernstrategie, erklärt. Ende 2020 sollen rund 4 % der Konzernflotte elektrifiziert sein.Wann Volkswagen mit der ID-Fahrzeugfamilie, die 2020 mit dem Serienmodell der “IDCrozz” genannten Studie eines Stadtgeländewagen (SUV) und danach mit der Limousine “IDVizzion” und dem großen SUV “IDRoomzz” Zuwachs bekommen soll, Gewinne erwirtschaften wird, ist offen. Positiven Deckungsbeiträgen stehen vor allem zu Beginn höhere Kosten, vor allem für den Modularen Elektrifizierungs-Baukasten MEB, gegenüber. Den MEB bezeichnet Jost als “das wirtschaftliche und technologische Rückgrat unserer Elektro-Offensive”, bis 2029 sind aktuell rund 20 Millionen E-Autos auf MEB-Basis projektiert. “So generieren wir Skaleneffekte, die es braucht, um das E-Auto für den Kunden gleichzeitig attraktiv und bezahlbar zu machen.” Kosten kontrollierenDie Kosten der E-Mobilität will der Konzern ferner reduzieren, indem der MEB für Dritte und damit verbundene Skaleneffekte geöffnet wird. Eine Kooperation mit Ford ist vereinbart. Zudem haben sich die Wolfsburger auch deshalb in einem Joint Venture mit dem schwedischen Spezialisten Northvolt zum Aufbau einer eigenen Batterieproduktion entschlossen, um durch das Schaffen von Kompetenz in dem Bereich, in dem die höchste Wertschöpfung in der E-Mobilität liegt, Kosten besser kontrollieren zu können.Bei Volkswagen geht man davon aus, dass sich E-Fahrzeuge zunächst in China und Europa und dann in den USA durchsetzen werden. Im Jahr 2040 sollte der Anteil reiner E-Fahrzeuge in China bei 85 % liegen, in Europa bei rund 70 %, prognostiziert Jost. In China, dem weltweiten “Kraftzentrum für die Elektromobilität”, bereitet sich der Autokonzern darauf vor, 2025 rund 1,5 Millionen E-Fahrzeuge auszuliefern.