VW-Aktionäre fordern Ende von Blumes Doppelrolle
VW-Aktionäre fordern Ende von Blumes Doppelrolle
Konzern- und Porsche-Chef verteidigt Funktionen in Hauptversammlung – Anleger monieren auch zu geringe Dividendenprämie für Vorzugsaktie
Vor dem Hintergrund deutlich gesunkener Ergebnisse und Aktienkurse dringen Investoren auf eine Beendigung der Doppelrolle von Oliver Blume als Vorstandschef des Volkswagen-Konzerns und der Sportwagentochter Porsche. Blume selbst spricht von einem Erfolgsrezept gerade in schwierigen Zeiten.
ste Hamburg
Investoren und Anlegerschützer haben in der Hauptversammlung von Volkswagen am Freitag Kritik an der Corporate Governance von Europas größtem Autobauer sowie an der Gewinnverwendung erneuert. Vertreter von Fondsgesellschaften drängten bei der Veranstaltung im virtuellen Format auf ein Ende der Doppelrolle von Oliver Blume als Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns und der Sportwagentochter Porsche. Zudem monierten Aktionäre einen Mangel an Unabhängigkeit im Aufsichtsrat und fehlende Bereitschaft der dominierenden Eigentümerfamilien Porsche und Piëch, des Landes Niedersachsens und des Emirats Katar, Interessen der Minderheitsaktionäre adäquat zu berücksichtigen. So sei die Dividendenprämie von lediglich 6 Cent je Aktie für Vorzugsaktionäre kein angemessener Ausgleich für das fehlende Mitwirkungs- und Stimmrecht.
Wer Governance ignoriere, riskiere den langfristigen Unternehmenserfolg, erklärte Hendrik Schmidt von der Fondsgesellschaft DWS. Als besonders eklatanten Punkt der „fundamentalen Schwächen“ im Governance-System des VW-Konzerns bezeichnete er die seit September 2022 bestehende Doppelrolle des Vorstandsvorsitzenden Blume, der gleichzeitig zwei Dax-Unternehmen führe. Diese Personalunion sei weiterhin einmalig in der deutschen Unternehmenslandschaft und nicht tragbar. Es bestünden „eindeutig Interessenkonflikte“ zwischen beiden Unternehmen mit Blick auf Strategie, Ressourcenverteilung und Kapitalmaßnahmen.
„Im Kreuzfeuer der Interessen“
Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment, verwies „auf ein weiteres Jahr des Niedergangs der VW-Aktie“. Bei Investoren sei „Resignation dem Aufbruch gewichen“. Mit Blick auf Aufgaben wie die Senkung der Kosten appellierte er an „Teilzeit-CEO“ Blume, eine Vorstandsposition aufzugeben. „Sie stehen im Kreuzfeuer der Interessen und auch Ihr Tag hat nur 24 Stunden.“ VW habe wegen der „katastrophalen Corporate Governance" hohe Abschläge am Aktienmarkt hinnehmen müssen.
Christian Strenger, VW-Aktionär und Gründungsmitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, verwies auf ein aktuelles Governance-Ranking der Dax-40-Unternehmen der Fondsgesellschaft Union Investment, das belege, das VW weiterhin das Schlusslicht in puncto Governance sei. Dieses Dauerdefizit zusammen mit der schlechten Geschäftsentwicklung schade den Aktionären nachhaltig. Die Doppelrolle von Blume sei „permanent konfliktbelastet" und habe sich inzwischen zu einer „doppelten Saniererrolle zum Nachteil unserer Gesellschaft“ entwickelt.
„Ein Erfolgsrezept“
Blume rechtfertigte die aktuelle Konstellation in der Hauptversammlung auf dem VW-Werksgelände in Wolfsburg. Die Doppelrolle sei „ein Erfolgsrezept, weshalb wir sie in verschiedenen Funktionen und Ebenen im gesamten Unternehmen etabliert haben“. Der VW-Konzern und Porsche profitierten davon, dass sie aus einer Hand geführt werden. Entscheidend sei, dass die jetzige Führungsstruktur Vorteile für beide Unternehmen hat. „Gerade in aktuell herausfordernden Zeiten überwiegen die Vorteile bei Weitem.“
Blume unterstrich, die mit den Aufgaben übernommene Verantwortung wolle er „zu 100% für beide Unternehmen“ wahrnehmen. Dazu zähle unter anderem, den Vorstand bei Porsche weiter zu verjüngen sowie „die Performance-Programme in allen Marken und Organisationen voranzutreiben, um die dringend erforderliche Kostenarbeit voranzubringen“. Letzlich liege es an den Aufsichtsräten beider Unternehmen zu bewerten, wie lange die Doppelrolle von Vorteil ist, fügte Blume hinzu. „Klar war allerdings auch von Anfang an: Die Doppelrolle ist nicht auf die Ewigkeit angelegt.“ Darauf verwies auch VW-Aufsichtsratchef Hans Dieter Pötsch. Zugleich zeigte er sich überzeugt, dass Blume die beiden Rollen „synergetisch“ ausübe und „beide Unternehmen, die weitgehend die gleichen Interessen haben, hiervon profitieren“.
„Entrückt vom Kapitalmarkt“
Zum Anlegervorwurf eines zu geringen Dividendenabstands zwischen Vorzugs- und Stammaktien sagte Pötsch, Vorstand und Aufsichtsrat von VW sähen keinen Anlass, der Hauptversammlung eine notwendige Änderung der Satzungsregeln, die eine um 6 Cent je Vorzugsaktie höhere Ausschüttung vorsehen, vorzuschlagen. „Im Übrigen wollen wir darauf hinweisen, dass andere Dax-Unternehmen lediglich 2 Cent Ausgleich für das entgangene Stimmrecht gewähren." Deka-Vertreter Speich hatte zuvor die Ablösung eines absoluten Betrags zugunsten eines prozentualen Aufschlags von mindestens 10% gefordert. DWS-Sprecher Schmidt meinte, auch die Aufteilung der Kapitalstruktur in Stamm- und stimmrechtlose Vorzugsaktien zeige, „wie entrückt die Großaktionäre in ihrer Wagenburg am Mittellandkanal vom Kapitalmarkt sind“.
Den Vorschlag einer auf 6,30 (i.V. 9,00) Euro je Stammaktie und auf 6,36 (9,06) Euro je Vorzugsaktie schrumpfenden Dividende nahmen die Aktionäre in der Hauptversammlung, die bei einer Präsenz von 55,26% aller Aktien nach knapp sechseinhalb Stunden endete, mit einer Mehrheit von 99,99% an. Die Ausschüttungssumme sinkt somit auf 3,2 (4,5) Mrd. Euro. Die Dividendenquote gemessen am Konzernergebnis nach Steuern liegt mit 29,6 (28,4)% nahe am strategischen Zielwert von mindestens 30%.
„Nicht unsere Ambitionen“
Vorstandschef Blume sagte in seiner Rede, mit der Entwicklung des Aktienkurses insbesondere im Geschäftsjahr 2024 sei man nicht zufrieden. Auch entspreche der Ausblick für 2025, in dem mögliche Auswirkungen der angekündigten US-Zölle noch nicht berücksichtigt sind, „nicht unseren eigenen Ambitionen“. Den aktuellen Rahmenbedingungen mit einem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld könne man sich nicht entziehen.
Blume betonte, der VW-Konzern habe „wichtige Weichen“ für eine erfolgreiche Zukunft gestellt und verfüge über einen „klaren Plan“ zur Umsetzung einer zukunftsweisenden Strategie. Fortschritte der aktuellen umfassenden Sanierung und Restrukturierung seien sichtbar. Es bestehe aber auch substanzieller Handlungsbedarf, die Robustheit des Konzerns zu stärken, die Position bei Kosten und Investitionen zu verbessern und Produktivität und Ertragskraft zu steigern.
Elektro-Kleinwagen auf IAA
Die größte Produktoffensive in der Unternehmensgeschichte gehe mit weltweit nochmals rund 30 neuen Modellen in die nächste Phase. Auf der Münchener Automesse IAA im September will der Konzern erstmals die in zwei spanischen Werken gefertigten elektrischen Kleinwagen der Marken VW, Skoda und Cupra mit Preisen um 25.000 Euro präsentieren. Zugleich unterstrich Blume, dass „Qualität made in Germany zu wettbewerbsfähigen Kosten“ möglich sei. Er verwies auf die Ende 2024 erreichte Vereinbarung „Zukunft Volkswagen“, die mittelfristig – 2029, also drei Jahre später als zuvor geplant – das Ziel einer operativen Rendite von mindestens 6,5% realistisch werden lasse, sowie auf vergleichbare Ansätze bei Audi und Porsche.