VW: Coronakrise forciert Wandel

Diess kündigt in Hauptversammlung Weichenstellungen bis Jahresende an

VW: Coronakrise forciert Wandel

ste Hamburg – Der Umbau von Volkswagen wird sich nach den Worten von Konzernchef Herbert Diess durch die Coronakrise nicht verlangsamen, sondern beschleunigen. Noch im weiteren Verlauf dieses Jahres werde man wichtige Weichenstellungen vornehmen, um den Wandel “von einer Ansammlung wertvoller Marken” mit vorwiegend verbrennungsmotorisch angetriebenen Fahrzeugen “zu einem Digitalunternehmen, das Millionen Mobilitätsdevices weltweit zuverlässig betreibt, mit den Kunden immer in Kontakt bleibt und Dienste, Komfort der Fahrzeuge und Sicherheit im Wochenrhythmus, besser täglich verbessert”, voranzutreiben, kündigte der Vorstandsvorsitzende in der virtuellen Hauptversammlung (HV) an.Der Autohersteller bekräftigte, 33 Mrd. Euro bis 2024 in die Elektromobilität zu investieren mit dem Ziel, Marktführer zu werden. Zugleich sollen bis dahin 14 Mrd. Euro in den Aufbau der IT-Kompetenz und das automatisierte Fahren fließen. In der seit Jahresmitte operativen Car-Software-Organisation, die mit 1 800 Mitarbeitern aus den Marken Audi, VW und Porsche gestartet ist, entwickelt der Konzern das Betriebssystem VW.OS, das erstmals im Audi-Projekt “Artemis” zum Einsatz kommen soll.Viel weitreichender als der Umstieg auf alternative Antriebstechniken, den die Kernmarke VW Pkw mit der Einführung des Elektro-Kompaktwagens ID3 vor drei Wochen einleitete, werde sein, das Auto in den kommenden zehn Jahren zu einem vollvernetzten Mobilitätsdevice zu entwickeln, erklärte Diess. “Volkswagen muss in der Lage sein, nicht nur die Transporthülle anzubieten, sondern auch das Gehirn, welches das Fahrzeug mit Künstlicher Intelligenz sicher steuert.” Leitfunktion für AudiBei der Entwicklung neuer Technologien kommt Audi im Konzern eine Leitfunktion zu. Die vom Dieselskandal getroffene Tochter soll an die Spitze des Premium-Wettbewerbs zurückkehren. Dabei spielt das “Artemis”-Projekt eine besondere Rolle: Artemis soll bis 2024 zum Elektroauto der nächsten Generation werden. In dem Projekt wird zusammen mit der Car-Software-Organisation die dafür notwendige Software entwickelt. Diese soll dann konzernweit zum Einsatz kommen.Zum Ausbau der E-Mobilität sagte Diess, Porsche habe von allen Konzernmarken die ambitioniertesten Ziele, denn spätestens 2025 sollten mehr als die Hälfte aller neuen Fahrzeuge des Sportwagenbauers elektrifiziert sein. Für das Erreichen der Klimaziele hingegen sei der Start des ID3 wesentlich. Der Konzernchef sagte, man habe eine Chance, die CO2-Flottenziele zu erreichen und Strafzahlungen zu vermeiden, wobei dies bis Jahresende eine anspruchsvolle Aufgabe werde. Der VW-Chef betonte mit Blick auf den “Green Deal” der EU, dass der VW-Konzern auf die voraussehbare Verschärfung der CO2-Flottenziele bei einem schnell wachsenden Angebot an E-Fahrzeugen und dem Umbau der Wertschöpfungskette besser vorbereitet sei als der Wettbewerb.Der Autohersteller bestätigte nach dem Rückgang der weltweiten Auslieferungen um 21,5 % auf 5,6 Millionen Fahrzeuge in den ersten acht Monaten das Ziel, trotz eines gravierenden Rückgangs im Gesamtjahr 2020 ein positives operatives Ergebnis vor und nach Sondereinflüssen zu erreichen. Für September stellte das Unternehmen Auftragseingänge und Auslieferungen über Vorjahr in Aussicht. Im weiteren Jahresverlauf sei von einer Fortsetzung des Aufwärtstrends auszugehen. Im ersten Halbjahr hatte VW infolge eines zeitweiligen Produktionsstopps einen operativen Verlust nach Sondereinflüssen von knapp 1,5 Mrd. Euro verbucht. Im Geschäftsjahr 2019 war mit knapp 19 (i.V. 13,9) Mrd. Euro eine Bestmarke erreicht worden. EY folgt auf PwCVolkswagen erhielt im Zuge der Krise von März bis Ende Juni Kurzarbeitergeld von 270 Mill. Euro, so Personalvorstand Gunnar Kilian in der rund siebenstündigen, 1,5 Mill. Euro teuren HV, in der mit rund 430 Fragen von 23 Aktionären und Aktionärsvertretern deutlich mehr Fragen zu beantworten waren als bei den vorherigen Aktionärstreffen. Mit großer Mehrheit wurde der im Juli reduzierte Dividendenvorschlag angenommen, durch den die Ausschüttungsquote auf 18,1 (i.V. 20,4) % sinkt. Die Anpassung beruhe nicht auf einem Mangel an finanzieller Robustheit des Konzerns, betonte Vorstandschef Diess, sondern berücksichtige die massiven Auswirkungen der Pandemie. Finanzchef Frank Witter bekräftigte das mittelfristige Ziel von mindestens 30 %. Mit großer Mehrheit wurde zudem EY zum neuen Konzernabschlussprüfer bestimmt – PwC wurde nach mehreren Jahrzehnten abgelöst. Es hätten keine Erkenntnisse vorgelegen, die das Ergebnis des mehrmonatigen Auswahlverfahrens in Frage stellen würden, sagte VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch mit Blick auf die Rolle des Wirtschaftsprüfers im Wirecard-Bilanzskandal.