VW sucht schnelle Einigung im Streit
Vertreter von Bund und Ländern erhöhten am Montag den Druck, im Streit zwischen Volkswagen und den beiden Lieferanten Car Trim und ES Guss zu einer schnellen Lösung zu kommen. Anleger blieben ruhig.ste Hamburg – Der vor dem Wochenende eskalierte Streit zwischen Volkswagen und zwei Zulieferern aus Sachsen hat bei Anlegern am Montag keine weitere Unruhe ausgelöst. Zwar zeichnete sich bis zum Abend noch keine Lösung der Auseinandersetzung zwischen Volkswagen sowie den Lieferanten Car Trim und ES Automobilguss ab, wie sie das Bundeswirtschaftsministerium verlangte. Die Gespräche verliefen “konstruktiv und vielversprechend”, hieß es aber immerhin im Umfeld der Verhandlungsparteien. Die VW-Vorzugsaktie legte in einem schwächeren Gesamtmarkt leicht um 0,1 % auf 120,05 Euro zu. 27 700 Beschäftigte betroffenVolkswagen hatte am Morgen mitgeteilt, dass durch den Lieferstopp die Versorgung der Produktion mit Bauteilen mehrerer Werke unterbrochen sei. Zwar versuche man weiterhin, eine Einigung mit den Lieferanten zu erreichen. Da die weitere Entwicklung jedoch nicht absehbar sei, habe man “Flexibilisierungsmaßnahmen bis hin zu Kurzarbeit vorbereitet”. Betroffen von den Maßnahmen sind sechs Werke mit 27 700 Beschäftigten. Im Stammwerk Wolfsburg sind laut VW in Teilbereichen der Golf-Fertigung bis zum 27. August allein 10 000 Mitarbeiter in Mitleidenschaft gezogen. Weitere betroffene Werke sind Braunschweig, Kassel, Salzgitter und Zwickau.In der vergangenen Woche hatte der Autobauer bereits Zwangsmaßnahmen für 7 500 Beschäftigte der Passat-Produktion in Emden angeordnet. Insgesamt beschäftigt Volkswagen allein in Niedersachsen 120 000 Mitarbeiter.Die Zulieferer Car Trim und ES Automobilguss hatten die Lieferung von Sitz- und Getriebeteilen eingestellt – trotz einstweiliger Verfügungen, die der Autobauer beim Landgericht Braunschweig erwirkt hatte. Hintergrund des Streits ist nach Angaben der zur Prevent-Gruppe gehörenden Unternehmen eine frist- und grundlose Kündigung von Aufträgen. Car Trim und ES Guss werfen Volkswagen Machtmissbrauch vor.Das Bundeswirtschaftsministerium forderte eine rasche Lösung in dem Streit. “Wir gehen davon aus und erwarten auch, dass die beteiligten Unternehmen die ungeklärten Fragen so bald wie möglich lösen können”, sagte ein Ministeriumssprecher. Es gehe um Tausende Arbeitsplätze, die von Kurzarbeit betroffen sein könnten. “Und da gibt es natürlich eine hohe Verantwortung, diese Probleme so konstruktiv wie möglich anzugehen und auch so konstruktiv wie möglich zu lösen.” Die Landesregierungen von Niedersachsen und Sachsen boten Vermittlung an, um zu einer schnellen Lösung zu kommen.Der Streit könne zu einer Belastungsprobe für die gesamte Branche werden, warnten unterdessen Branchenexperten. “Die Folgewirkungen für die gesamte Wertschöpfungskette sind schon heute beträchtlich”, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME), Christoph Feldmann, in Frankfurt. Es drohe nicht nur Kurzarbeit in mehreren Fabriken. Hinter der Produktion des VW-Golf stünden auch rund 500 Top-Lieferanten, die zunehmend in Schwierigkeiten gerieten. Der Chef des Arbeitgeberverbandes NiedersachsenMetall, Volker Schmidt, warnte, spätestens jetzt, da die Produktion im Stammwerk in Wolfsburg aussetzt, drohe die Situation voll auf die Zuliefererketten durchzuschlagen. Aus dem Feuer dürfe kein Flächenbrand werden. Temporärer Effekt erwartetEin Commerzbank-Analyst schätzte den möglichen Ertragsausfall durch die unterbrochene Golf- und Passat-Fertigung auf 50 Mill. bis 70 Mill. Euro pro Woche. Das Ziel der renditeschwachen Kernmarke VW Pkw, 2016 eine operative Marge von 2 % zu erreichen, könne in Gefahr geraten. Nord/LB-Analyst Frank Schwope erklärte, der Schaden werde sich jedoch voraussichtlich in Grenzen halten, da die ausgefallene Produktion in den nächsten Monaten nachgeholt werden könne.Ökonomen halten es für möglich, dass der Produktionsausfall die Konjunktur zeitweise dämpfen kann. Es könne durchaus sein, dass im dritten Quartal 0,1 oder 0,2 Prozentpunkte Wachstum fehlten, sagte der Europa-Chefvolkswirt der Nordea Bank, Holger Sandte, der Nachrichtenagentur Reuters. Der Deutschland-Chefvolkswirt von Unicredit, Andreas Rees, meinte, der Streit könne eine kleine Delle in der Industrieproduktion hinterlassen – wobei dies nur ein temporärer Effekt sein dürfte.