Warum AstraZeneca in Japan keine Impfposse erlebt
Von Martin Fritz, Tokio
Aus der Ferne wirkt der Impfstoffstreit zwischen der Europäischen Union und dem britischen Pharmakonzern AstraZeneca wie eine Posse. Auch wenn die EU die Entwicklung des Vakzins mitfinanziert und einen Vertrag über Mengen und Liefertermine geschlossen hat – die verantwortlichen Beamten und Politiker hätten daran denken müssen, wie sich rechtzeitig genug Impfstoff produzieren lässt, statt AstraZeneca zum Sündenbock für die Lieferprobleme zu machen.
Dass es anders geht, beweist Japan. Dort war sich die Regierung einerseits nicht sicher, ob ein japanisches Unternehmen einen Impfstoff finden würde. Andererseits erwartete man, dass sich mehr Japaner impfen lassen, wenn das Vakzin aus einer japanischen Fabrik kommt. Daher bot das Gesundheitsministerium früh allen Herstellern von Impfstoff Finanzhilfen an, damit sie auch in Japan produzieren können. Die Subvention sah AstraZeneca als Chance, ohne Neuinvestition mehr Impfstoff zu erzeugen, und suchte sich lokale Partner.
Die japanische Tochter der Briten identifizierte den kleinen Hersteller JCR Pharma in Kobe im vergangenen Juli als möglichen Hersteller des Vektor-Grundstoffes. Jedoch musste man monatelange Überzeugungsarbeit leisten, weil JCR noch nie ein solches Produkt hergestellt hatte. Daher fühlte sich der kleine Produzent mit nur 800 Mitarbeitern überfordert. Erst kurz vor dem Jahreswechsel fruchtete das Liebeswerben der Briten, JCR willigte ein. Daiichi Sankyo und Meiji füllen die Ampullen ab und liefern sie aus.
Den Vertrag über die Lieferung von 120 Millionen Dosen hat die Regierung in Tokio erst Mitte Dezember geschlossen. Davon werden mindestens 90 Millionen „Made in Japan“ sein. Die klinischen Tests im Land sind fast ausgewertet, im Februar will AstraZeneca die Zulassung beantragen. Parallel fährt JCR schon die Produktion hoch. Laut Kabinettssprecher Katunobu Kato wird es nicht bei diesem Fall bleiben: Auch andere Impfstoffe gegen Covid-19 wolle man lokal herstellen, sagte Kato. In Japan betrachtet man Produktion und Auslieferung des Vakzins also als eine verantwortungsvolle Teamaufgabe. Bei einem Scheitern wären eben alle gemeinsam schuld. Eine Schlammschlacht wie in der EU gäbe es nicht.