Pandemie

Wie Corona die Immobilienmärkte bewegt

Eineinhalb Jahre nach Krisenausbruch werfen wir einen Blick zurück mit der Frage: Sind die erwarteten Auswirkungen der Corona-Pandemie an den Immobilienmärkten tatsächlich eingetreten, und welche langfristigen Folgen ergeben sich? Eine pauschale...

Wie Corona die Immobilienmärkte bewegt

Eineinhalb Jahre nach Krisenausbruch werfen wir einen Blick zurück mit der Frage: Sind die erwarteten Auswirkungen der Corona-Pandemie an den Immobilienmärkten tatsächlich eingetreten, und welche langfristigen Folgen ergeben sich? Eine pauschale Antwort ist aufgrund der Heterogenität der einzelnen Marktsegmente nicht möglich.

Sorgenkind Einzelhandel

Beginnen wir mit dem Sorgenkind Einzelhandel. Hier war die Ausgangslage schon vor Ausbruch der Pandemie sehr schwierig. Der Strukturwandel aufgrund des Online-Booms macht dem stationären Handel seit längerem schwer zu schaffen. Dies gilt verstärkt für die Segmente Bekleidung, Textil und Schuhe, den traditionellen Ankern im innerstädtischen Handel und in Shoppingcentern. Die Pandemie und damit verbundene Lockdown-Maßnahmen sowie der Digitalisierungsschub wirken nur wie ein Katalysator. Als Folge massiver Insolvenzen und Ladenschließungen stiegen die Leerstände in den Innenstädten und bei Shoppingcentern 2020 signifikant. Der Online-Anteil an den Einzelhandelsausgaben schnellte in die Höhe und wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen, wenn auch nicht mit der gleichen Geschwindigkeit wie im Krisenjahr.

Der Ausblick für den stationären Handel bleibt äußerst verhalten. Zwar hat das Ende der Lockdown-Maßnahmen für eine Entspannung einhergehend mit steigenden Frequenzen in den 1a-Lagen gesorgt. Die Effekte der verschobenen Konsumwünsche und gestiegenen Sparguthaben dürften allerdings überschaubar bleiben. Die Spitzenmieten in innerstädtischen Toplagen stehen auch wegen der hohen Kostenbelastung der Händler unter anhaltendem Abwärtsdruck.

Wir erwarten in den kommenden Jahren einen deutlich rückläufigen Bedarf an Verkaufsflächen in den Innenstädten und bei Shoppingcentern. Die 1a-Lagen dürften sich verkleinern, Nebenlagen anderweitig auch für Wohnen und Arbeiten genutzt werden. Bei Shoppingcentern trifft es die schon vorher strauchelnden Objekte besonders hart, während Nahversorgungszentren in Stadtteillagen mit großem Angebot an Waren des täglichen Bedarfs gefragt bleiben. Hier macht sich die Sonderstellung des Lebensmittelhandels bemerkbar, der aufgrund seiner Systemrelevanz nicht von Schließungen betroffen war und seinen Umsatz erheblich steigern konnte.

Rückschläge sind möglich

Anders als der Einzelhandel befanden sich die Hotelmärkte vor der Krise stark im Aufwind. Dem Boom der Vorjahre folgte 2020 somit ein tiefer Fall. Die Auswirkungen der Pandemie durch Absagen von Großveranstaltungen, Reiseeinschränkungen und Quarantänemaßnahmen haben die Branche ins Mark getroffen. Dies gilt verstärkt für Messe- und Kongressstandorte. Die Hotelumsätze (RevPAR) verzeichneten im Krisenjahr einen europaweiten Einbruch um 63% gegenüber 2019. In den ersten fünf Monaten 2021 lagen die Hotelumsätze 44% unter dem Vorjahreswert. Nach Ende der Lockdowns und mit zunehmender Immunisierung der Bevölkerung mittels Impfung sollte die Talsohle durchschritten sein. Rückschläge aufgrund neuer Virusvarianten sind allerdings jederzeit möglich. Der inländische Freizeittourismus weist eine höhere Resilienz auf, wie bereits im vergangenen Sommer gesehen.

Die hohen Vorkrisenniveaus der Hotelumsätze dürften erst nach 2024 wieder erreicht werden. Eine Normalisierung bei Fernreisen und Großveranstaltungen ist noch nicht absehbar. In Zukunft dürfte das Thema Nachhaltigkeit auch im Hotelgewerbe vermehrt im Fokus stehen. Bei Geschäftsreisen stehen deshalb vor allem Kurztrips auf dem Prüfstand. Viele eintägige Dienstreisen lassen sich außerdem durch kostengünstigere Online-Konferenzen ersetzen. Allerdings bleiben persönliche Begegnungen und Gespräche unabdingbar. Nicht jeder Kundenbesuch kann digital abgewickelt werden, da sonst Wettbewerbsnachteile entstehen könnten.

Die Büromärkte ka­men überwiegend ohne größere Blessuren durch die Krise. Angesichts der historischen Rezession waren wir im Sommer vergangenen Jahres noch von deutlichen Korrekturen ausgegangen. Als Folge des Nachfrageeinbruchs hatten wir stärker steigende Leerstände und fallende Mieten erwartet. Stützende Wirkung entfalteten die sofort wirksamen fiskal- und geldpolitischen Stabilisierungsprogramme. Hinzu kamen die abwartende Haltung der Unternehmen, Mietvertragsbindungen und vor allem die bei Krisenausbruch sehr solide Verfassung der Märkte.

Wenig Grund zur Sorge

Die Nachfrage an den Büromärkten hat sich im ersten Halbjahr 2021 wieder etwas stabilisiert. Der Leerstand wird zwar in vielen Märkten noch weiter steigen, es besteht jedoch wenig Grund zur Sorge. Die Spitzenmieten erwiesen sich insgesamt als sehr robust. Das Wachstumspotenzial für die kommenden Jahre ist jedoch begrenzt, auch mit Blick auf die Erschwinglichkeit der Mieten in der Post-Corona-Zeit. Durch einen dauerhaft höheren Anteil mobiler Arbeit, die geringere Beschäftigungsdynamik aufgrund des demografischen Wandels und die Reduktion des ökologischen Fußabdrucks dürfte sich die Nachfrage nach Büroflächen langfristig strukturell verringern.

Bürogebäude bleiben in Dienstleistungsgesellschaften jedoch auch in Zukunft gefragt. Zentrale Lagen mit guter Verkehrsanbindung sind unter anderem für junge hochqualifizierte Arbeitskräfte erstrebenswert und werden von den Unternehmen gezielt bei der Akquisition eingesetzt. Die qualitativen Anforderungen an Bürogebäude sind gestiegen. Moderne nachhaltige Gebäude auf dem neuesten Stand der Technik und mit hoher Flexibilität sowie Annehmlichkeiten für die Nutzer sind im Vorteil.

Zum Schluss der große Gewinner: Die Logistik hat in der Krise ihre Systemrelevanz eindrücklich unter Beweis gestellt und geht gestärkt hervor. Die Logistikmärkte profitieren in hohem Maße vom coronabedingten Digitalisierungsschub, der den Online-Boom noch stärker befeuert. Die europäischen Logistikmärkte kamen dank der Flächennachfrage durch E-Commerce gut durch die Krise, trotz des Einbruchs im Welthandel. Die Pandemie hat nicht nur die weltweiten Produktions- und Lieferkapazitäten beschränkt, sondern in einigen Bereichen auch für zusätzliche Nachfrage gesorgt, insbesondere während der Lockdowns. Die derzeitigen logistischen Engpässe im Welthandel sorgen zwar für Preisauftrieb und kosten Wirtschaftswachstum, sie sind jedoch eher kurzfristiger Natur.

Nach dem Herunterfahren der Volkswirtschaften müssen die Lieferketten erst wieder ins Laufen kommen. Die Corona-Pandemie dürfte den Trend zu einer Globalisierung mit stärkerem regionalem Fokus beflügeln und damit einhergehend den Flächenbedarf in Europa erhöhen. Wir erwarten eine vermehrte Ansiedlung von Lagern zur Aufrechterhaltung der Just-in-Time-Produk­tion und Pufferlager in kritischen Industriezweigen wie Pharmazie und Medizintechnik. Die bereits in der Vergangenheit stark gestiegene Nachfrage spiegelt sich in den Fertigstellungen wider. Selbst im Krisenjahr 2020 wurde der europäische Rekordwert vom Vorjahr nur marginal verfehlt. Trotz der starken Zunahme spekulativer Projekte überwiegen weiterhin maßgeschneiderte Vermietungsobjekte und Eigennutzerdeals.

Verhaltene Mietentwicklung

Fazit – Corona hat alle Marktsegmente getroffen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Die Pandemie hat überwiegend bestehende Tendenzen verstärkt und Entwicklungen vorgezogen. Alle Marktsegmente sind von Digitalisierung und Flexibilisierung betroffen. Die Mietentwicklung der kommenden Jahre ist insgesamt verhalten, aber überwiegend positiv.

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