Wie Yandex dem Kreml entkommt

Russischer Google-Konkurrent entzieht sich mit List dem Einfluss des Staates

Wie Yandex dem Kreml entkommt

Von Eduard Steiner, MoskauDer russische Staat will mehr eigenen und weniger westlichen Einfluss auf die einheimischen Internetkonzerne. Das drückt ihren Börsenwert. Die smarte Yandex hat nun eine Lösung. Die Aktionäre sind begeistert.Je zukunftsträchtiger die Branche und je progressiver ihre einheimischen Privatkonzerne, umso hellhöriger der Kreml. Vor allem in den vergangenen Jahren zeigte sich mit zunehmender Tendenz, dass ihm ein zu starker ausländischer Einfluss ein Dorn im Auge ist und dafür mehr staatliche Beteiligung lieb wäre. Unter Druck an der BörseAllen voran bei der börsennotierten Internetsuchmaschine Yandex, die in Russland Marktführer vor Google ist und über diverse Gemeinschaftsunternehmen – so mit dem Fahrdienstleister Uber – in andere Segmente der Internet-Ökonomie expandiert. Weil ein großer Teil des Unternehmens von ausländischen Investoren gehalten wird, wurden die Politiker hier besonders aktiv. Ein Gesetzesantrag im vergangenen Jahr sah daher vor, den ausländischen Aktienanteil an strategischen Branchenunternehmen auf 20 % zu beschränken. Mit dem Effekt, dass Yandex damals umgehend 1,5 Mrd. Dollar an Börsenwert verlor.Nun scheint eine Lösung gefunden zu sein. Wie Yandex zu Beginn dieser Woche mitteilte, werde es als Kompromiss seine Unternehmensstruktur insofern anpassen, als es eine sogenannte Public Interest Foundation (PIF) einrichtet. Und zwar in der russischen Offshore-Zone Kaliningrad, wo diese neue Form von nicht kommerzieller Organisation künftig öfter zu sehen sein wird. Der Sinn der Sache: In die PIF wird auch die staatliche Schlüsselbeteiligung (Golden Share) an Yandex, bislang gehalten von der staatlichen Sberbank, übertragen. Die Stiftung, in deren Direktoriumsrat auch Vertreter russischer Universitäten einziehen, wird keine wirtschaftlichen Rechte, nur gewisse Stimmrechte haben – unter anderem kann sie verhindern, dass mehr als 10 % an wirtschaftlichem oder Stimmrechtsanteil in die Hand eines einzigen Investores geraten (bisher lag die Schwelle bei 25 %). Kompromiss mit BehördenDie Aktie des russischen Vorzeigeunternehmens schoss gleich zu Wochenbeginn um über 12 % an der Nasdaq hoch. Dazu trug auch bei, dass der Konzern einen Aktienrückkauf im Wert von 300 Mill. Dollar beschloss. Außerdem wurde von den Investoren goutiert, dass Firmengründer und -chef Arkadi Wolosch, der 48,41 % der Stimmrechte hält, mit der Zusicherung beruhigte, 95 % seiner Anteile zumindest bis 2022 zu behalten. Der Kompromiss mit den Behörden sei für drei Seiten optimal, weil er die Führung des Unternehmens in den jetzigen Händen belasse, Vertrauen bei den internationalen Investoren schaffe und die Interessen des Landes schütze, schreibt Wolosch in einem Brief an seine knapp 9 000 Mitarbeiter. Auf dem Markt hofft man, dass damit der Behördendruck auf Yandex vom Tisch ist.Ohnehin gehört der politische Faktor zu jenen Länderrisken, die auch dafür verantwortlich sind, dass russische Aktien im Vergleich zu Branchenunternehmen in anderen Ländern günstig bewertet sind.Der heute 55-jährige Mathematiker Wolosch hatte Yandex mit seinem inzwischen verstorbenen Schulkollegen Ilja Segalowitsch 1997 – acht Tage nach Google – auf den Markt gebracht. 2003 wollte Google Yandex kaufen. “Beinahe hätten wir uns ineinander verliebt”, sagte Segalowitsch später. Die Russen aber widerstanden – und sind bis heute Nummer 1 im Land.