PUSH-OUT SCORE

Wieso der Chef von Brenntag geht

Steve Holland tritt mit einem Push-out Score von 5 ab - Ambivalenter Wechsel

Wieso der Chef von Brenntag geht

ds Frankfurt – Es ist immer wieder göttlich, zu lesen, wie Topmanager ihre Abtritte begründen. Steve Holland, CEO von Brenntag, sagt: “2020 ist der Beginn eines neuen Jahrzehnts, und ich bin der Meinung, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für eine neue Leitung gekommen ist.” Welche Verbindung mag es geben zwischen dem Abtritt des Chefs eines Chemikaliendistributeurs in Essen und dem Beginn eines neuen Jahrzehnts nach unserer Zeitrechnung? Wäre Hollands Begründung stichhaltig, müsste es zu Beginn jeder Dekade zu einem Managementexodus kommen, der den biblischen Auszug aus Ägypten in den Schatten stellt.Der Push-out Score, den der Forschungsdienstleister Exechange (* siehe Anmerkung oben) festlegt und der den Druck auf abtretende Manager auf einer Skala von 0 bis 10 misst, ergibt im Falle Brenntag einen Punktwert von 5. Gemäß dem Analysemodell, das eine fundierte Zweitmeinung bieten will, scheint der Wechsel somit ambivalent.Formal betrachtet geht Holland freiwillig, denn er hat laut Mitteilung vom 6. März erklärt, “dass er mit Ablauf seines Vertrages im Februar 2020 nach neun Jahren als Vorstandsvorsitzender ausscheiden und für eine Vertragsverlängerung nicht zur Verfügung stehen wird.” Dazu passen sein pensionsreifes Alter von 61 Jahren, die lange Amtszeit, die üppige Vorlaufzeit von bis zu zwölf Monaten und die solide Verfassung des Unternehmens.Die übrigen fünf Kriterien des Analysemodells lassen Warnlampen aufleuchten. Erstens ist kein Nachfolger in Sicht. Zweitens erscheint die Begründung für den Wechsel bestenfalls fadenscheinig. Drittens lässt die Aktienkursentwicklung zu wünschen übrig. Die Ankündigung folgt zwar auf einen Kursanstieg während Hollands Amtszeit von rund 75 %. Allerdings hat sich das Papier schwächer entwickelt als der MDax, egal ob man den Vergleich über ein, zwei oder fünf Jahre zieht. Viertens und fünftens werfen Form und Sprache der Mitteilung Fragen auf. Holland erhält Lob, Preis und Dank, aber keine expliziten Worte des Bedauerns. So bleibt die Lesart möglich, dass sich der Abtrittswunsch des CEO möglicherweise mit einem Wunsch des von Stefan Zuschke geführten Aufsichtsrats deckt. Holland räumt zudem ein, dass sich Brenntag “in einer Phase von tiefgreifenden Veränderungen” befinde. Sucht der Aufsichtsrat einen Nachfolger mit anderen Fähigkeiten? Oder ist das zu viel der Exegese?Sicher ist nur: Mit dem Beginn eines neuen Jahrzehnts nach unserer Zeitrechnung hat der Wechsel nichts zu tun. Vielleicht aber mit dem Beginn einer neuen Ära bei Brenntag.