Willkommen in Mazedonien

Von Andreas Heitker, Essen Börsen-Zeitung, 21.4.2016 Es gibt noch Hoffnung. Zum Beispiel das Kostenprogramm: Um 500 Mill. auf nun 2 Mrd. Euro hat RWE das Sparziel kürzlich aufgestockt. Sechs Jahre hat sich der Versorger dafür Zeit genommen. "Von...

Willkommen in Mazedonien

Von Andreas Heitker, EssenEs gibt noch Hoffnung. Zum Beispiel das Kostenprogramm: Um 500 Mill. auf nun 2 Mrd. Euro hat RWE das Sparziel kürzlich aufgestockt. Sechs Jahre hat sich der Versorger dafür Zeit genommen. “Von 2012 bis 2018 spart RWE also in etwa den Staatshaushalt von Mazedonien ein”, sagt Peter Terium stolz vor rund 2 500 Aktionären in Essen. “Der Energieriese RWE wird gesünder und fitter.”Mazedonien ist mittlerweile also der Maßstab für das fast 120 Jahre alte Unternehmen, den immer noch größten deutschen Stromerzeuger, dem die Energiewende eine existenzbedrohende Krise beschert hat. Mazedonien, die frühere jugoslawische Republik mit ihren 2 Millionen Einwohnern, steckt aktuell auch wieder in der Krise. Tausende Demonstranten auf den Straßen, Gewaltausbrüche, die Lage droht zu eskalieren, wie Korrespondenten berichten. Skopje im Ausnahmezustand.Auch RWE sei im Ausnahmezustand, sagt ihr Vorstandsvorsitzender auf der diesjährigen Hauptversammlung in der Essener Gruga-Halle. Terium spricht hier nicht von den mehr als 20 Umweltaktivisten, die seine Rede immer wieder mit lautstarken Parolen (“Eure Zeit ist abgelaufen”) störten. Terium spricht vom Strombörsenpreis, der seit Anfang 2015 um ein weiteres Drittel auf einen mittlerweile historischen Tiefpunkt eingebrochen ist. “Das bedeutet Ausnahmezustand für unser traditionelles Kerngeschäft.”Terium malt ein düsteres Bild des Marktes, spricht von dramatischen Folgen und der Gefahr, dass die konventionelle Stromerzeugung wirtschaftlich kollabieren könne. “Die Versorgungssicherheit in Deutschland wäre in höchster Gefahr.” Die Ratings der europäischen Energieversorger stünden aktuell unter massiver Beobachtung, sagt Terium. “Das gilt insbesondere auch für RWE. Eine Herabstufung des Ratings ist wahrscheinlich.”Das Aktionärstreffen von RWE, das letzte vor der Neuaufstellung und der Abspaltung der Zukunftsgeschäfte rund um die Erneuerbaren, das Netz- und Vertriebsgeschäft, verläuft weit weniger konfrontativ als noch vor wenigen Wochen erwartet – auch wenn sich der Aktienkurs des Dax-Konzerns seit der letzten Hauptversammlung noch einmal halbiert hat. Die Aktivisten wurden nach wenigen Minuten des Saales verwiesen. Und der Aufschrei der Kommunen gegen den ersten Dividendenausfall seit mehr als 60 Jahren entpuppte sich im Endeffekt auch nur als Sturm im Wasserglas. Von einer Nichtentlastung von Terium und seinen Vorstandskollegen, wie sie von einigen kommunalen Vertretern im Vorfeld angedroht worden war, war auf der Hauptversammlung keine Rede mehr.Alle Redner waren sich einig, dass die Nullrunde in der jetzigen Situation der einzig richtige Schritt war. “Wo kein Gewinn ist, kann auch keine Dividende gezahlt werden”, sagt DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler. Für ihn stelle sich nur die Frage: Warum erst jetzt?Auch die geplante Aufspaltung wird von der großen Mehrheit der Anwesenden – 52 % des Grundkapitals wurden gezählt – als alternativlos angesehen – selbst wenn, wie ein Aktionär bemerkt, Tafelsilber geopfert wird, um die Kraftwerke am Leben zu halten. Winfried Mathes, Redner der Deka Investment, warnte allerdings davor, dass es nötig werden könnte, mehr als 49 % der neuen, börsennotierten Tochter zu veräußern. Und dann sei RWE nur noch eine Abwicklungsgesellschaft für Braunkohle und Atomkraft.Terium, der sich nach dem für Ende 2016 geplanten Börsengang aus der RWE zurückziehen und die Führung der Newco übernehmen wird, ist überzeugt, dass die neue Tochter “das starke Zugpferd” des gesamten Konzerns wird und auch für Stabilität und Perspektiven für ihre Mutter sorgen wird. Zur künftigen Dividendenfähigkeit von RWE äußert er sich nicht.Es gibt also noch Hoffnung. Auch regional gesehen: Abrechnungsdesaster in Großbritannien? Energiewende in Deutschland? Unverändert stark entwickelt sich die Region Zentralost- und Südosteuropa. 2015 war diese Region bereits der wichtigste Ergebnislieferant nach dem Segment Vertrieb/Verteilnetze Deutschland. Und Mazedonien? Hier ist RWE bislang noch nicht aktiv. ——–RWE-Aktionäre verzichten auf Revolte: Dividendenausfall und Umbau gelten als alternativlos.——-