DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: ULRIK SVENSSON

"Wir haben einen finanziellen Puffer für Zukäufe"

Lufthansa-Finanzchef will "Ausschüttung mehr verstetigen" - Gespräche mit Fraport über Entlastungen am Frankfurter Flughafen noch am Anfang

"Wir haben einen finanziellen Puffer für Zukäufe"

– Herr Svensson, Sie haben die Aktionäre auf eine “signifikant” höhere Dividende für 2017 eingestimmt, was genau heißt bei Ihnen signifikant?Unsere Dividendenpolitik ist es, jährlich 10 bis 25 % des Ebit an unsere Aktionäre auszuschütten. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) entwickelt sich gut in diesem Geschäftsjahr und daraus ergibt sich schon rein rechnerisch eine höhere Dividende. Wie hoch genau sie ausfallen wird, das werden wir aber erst Anfang nächsten Jahres sagen können.- Die höchste Dividende der vergangenen Dekade waren 1,25 Euro für das Geschäftsjahr 2007. Wird die Lufthansa das für 2017 toppen?Wie gesagt, eine genaue Höhe werde ich jetzt noch nicht nennen. Wir werden aber versuchen, die Ausschüttung mehr zu verstetigen, so dass es nicht zu größeren Ausschlägen kommt, bei denen gar – wie in der jüngsten Vergangenheit – in einem Jahr Dividende gezahlt wird und sie im folgenden Jahr ganz entfällt.- Dazu müssen Sie aber auch dann schon einschätzen können, wie die Entwicklung 2018 sein wird, oder?Ganz genau.- Es gibt Unternehmen – etwa die Deutsche Telekom -, die legen sich schon für drei Geschäftsjahre im Voraus auf eine Dividendenhöhe fest. Was halten Sie davon?Das kommt für die Lufthansa nicht in Frage, da der Luftverkehr eine volatile Branche ist, die stark von äußeren Faktoren beeinflusst wird. Wir werden weiterhin den Ausblick für ein Jahr geben.- Es gibt nach wie vor keine detaillierte Prognose für das Ergebnis. Zum Halbjahr waren Sie vorsichtig, weil Sie Risiken wie sinkende Ticketpreise und Ähnliches ausgemacht haben, aber mittlerweile dürfte die Sicht ja klarer sein.Wir haben bei der Veröffentlichung der Neun-Monats-Zahlen unsere Prognose für die Stückerlöse im vierten Quartal aufgrund der guten Buchungslage erhöht. Die Stückerlöse sollen jetzt leicht über dem Vorjahreswert liegen. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass wir seit der letzten Prognose weiter an Zuversicht gewonnen haben und ein sehr gutes Ergebnis erwarten.- Und 2018?Die Stückerlöse, also die Erlöse je Sitzkilometer, sind in der Regel schwer vorauszusagen, aber aus heutiger Sicht sehen wir zumindest für die verbleibende Zeit bis Ende 2017 und für Anfang 2018 eine starke Nachfrage. Für den Rest des Jahres 2018 können wir noch nicht viel sagen. Es bleibt aber auf alle Fälle unser Ziel, die Kosten weiter abzusenken. Das ist die Voraussetzung dafür, die Gewinnentwicklung nachhaltig zu sichern und die Profitabilität dauerhaft zu steigern.- Haben Ihre Pläne für die Kostenreduzierungen auch nach dem Air-Berlin-Deal Bestand?Kurzfristig entstehen durch eine solche Übernahme, wenn sie genehmigt wurde, natürlich zunächst einmal Kosten, die wir in diesem Fall auf rund 50 Mill. Euro 2018 beziffert haben. Allerdings erwarten wir bereits 2019 einen positiven Ebit-Beitrag aus der Transaktion. Langfristig wird uns die Übernahme der Air-Berlin-Teile helfen, die Kosten zu senken. Denn sowohl die Luftfahrtgesellschaft Walter als auch die österreichische Niki haben günstige Kostenstrukturen. Außerdem gibt es mit zunehmender Größe positive Skaleneffekte.- In Sachen Kostensenkungen hat vor allem Eurowings noch einiges zu tun, die Kosten sollen bis 2020 um weitere 20 % sinken. Dabei ist ein großer Hebel die Flottenharmonisierung, wie passt die Aufnahme von Dash-8 der Air-Berlin-Tochter LGW dazu?Die Kosten bei der Eurowings wurden 2016 bereits um 10 % gesenkt, in den ersten neun Monaten 2017 ging es um weitere 10 % nach unten. Wir sind also auf einem guten Weg, unser Ziel – zwischen 2016 und 2020 sollen die Ausgaben um 20 % zurückgehen – zu erreichen. Die Flugzeuge, die nun durch den Kauf der Luftfahrtgesellschaft Walter und der Niki dazukommen, sind in der Tat teilweise aus Kostensicht auf Dauer nicht ideal. Wir haben an dieser Stelle kurzfristige Ersparnismöglichkeiten dem schnellen Wachstum von Eurowings untergeordnet. Langfristig werden aber diese Dash-8-Maschinen sicher durch Airbus A320 ersetzt werden, um die Flotte zu vereinheitlichen. Und das mit den heutigen Mitarbeitern und den günstigen Kostenstrukturen der Luftfahrtgesellschaft Walter. Außerdem geht es bei der Transaktion und unserer Investition um ein Gesamtpaket: die Flugbetriebe mit ihren Mitarbeitern, die damit verbundenen Start- und Landerechte sowie die Flugzeuge.- Bei Ihren Sparbemühungen haben Sie auch den Flughafenbetreiber Fraport in die Pflicht genommen. Derzeit laufen Gespräche darüber, wie es für die Lufthansa am wichtigsten Standort Frankfurt kostengünstiger werden könnte. Wie weit sind Sie da?Die Kosten in Frankfurt sind im Durchschnitt um 20 % höher als an unseren anderen Drehkreuzen. Solange das so ist, werden wir statt in Frankfurt an unseren anderen Hubs – München, Zürich und Wien – wachsen. Wir haben einen guten Dialog mit Fraport gestartet, aber wir sind da erst am Anfang des Weges.- Sie haben derzeit flüssige Mittel von mehr als 6 Mrd. Euro zur Verfügung. Bisher galt die Vorgabe, eine Mindestliquidität von 2,3 Mrd. Euro vorzuhalten. Was werden Sie mit dem überschüssigen Geld tun?Es gibt zwei größere Ausgabenblöcke, die auf uns zukommen. Da ist zum einen der Kauf von Teilen der Air Berlin und unsere damit verbundenen Investitionen, die ein Volumen von 1,5 Mrd. Euro haben. Außerdem fließen 1,6 Mrd. Euro in den Pensionsfonds, über den wir uns im vergangenen Jahr mit der Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo geeinigt haben. Dann werden wir noch eine Liquidität von rund 3 Mrd. Euro haben. Wir haben einen gewissen finanziellen Puffer für weitere Zukäufe und wir brauchen ihn auch, weil wir viele Flugzeuge bestellt haben. Weitere Konsolidierungsschritte in Europa werden kommen und wir wollen in diesem Prozess aktiv beteiligt sein.- Apropos Konsolidierung, die Lufthansa hat Interesse an Alitalia bekundet, um welches Investitionsvolumen könnte es hierbei gehen?Wir haben in Italien ein Konzept für eine komplett neue Alitalia vorgelegt. Über das Volumen werde ich nichts sagen, die in einigen Medien kolportierten 500 Mill. Euro sind aber nicht richtig. Dass unsere Pläne erfolgsversprechend wären, hat das Beispiel Swiss gezeigt. Alle Beteiligten – Aktionäre, Mitarbeiter, Kunden – haben von der Übernahme der Swiss durch die Lufthansa profitiert. Aber die Swiss war ein restrukturiertes Unternehmen, als die Lufthansa es übernommen hat, hervorgegangen aus der alten Swissair. Ich weiß das sehr genau, denn zu der Zeit war ich CFO der Swiss. Der Weg war sehr schmerzhaft. Auch bei der Alitalia müssten zunächst die Kosten runter.- Und haben Sie Grund zu Optimismus, dass Ihre Pläne in Italien auf positive Resonanz stoßen?Schwer zu sagen. Den Analysten habe ich erst einmal empfohlen, einen eventuellen Alitalia-Deal noch nicht in ihre Modelle einzurechnen.- Angesichts der aktuellen Liquiditätsausstattung muss die Frage erlaubt sein, warum laut Lufthansa-Chef Carsten Spohr die Finanzierung der übernommenen Air-Berlin-Teile nur bis Jahresende sichergestellt ist.Wir haben die finanziellen Mittel für die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs nur bis Jahresende eingeplant, unabhängig davon, über wie viele flüssige Mittel wir verfügen. Irgendwann muss ein solcher Deal ja auch zu einem Abschluss kommen. Wir gehen derzeit davon aus, dass die Übergangsphase, in der wir Geld zuschießen und auf die kartellrechtliche Freigabe warten, bis Jahresende dauert.- Ist das Ziel immer noch ein Gearing – also ein Verhältnis der Nettoverschuldung zum Eigenkapital – von 40 bis 60 %?Nein, wir orientieren uns mittlerweile unter anderem an der Eigenkapitalquote und da ist unser Ziel, mittelfristig 25 % zu erreichen. Aktuell sind wir bei 22,3 %, so dass wir den Zielwert sehr bald erreichen sollten. Wichtig ist natürlich auch, dass wir ein Investment-Grade-Rating haben. Nachdem Moody’s die Einschätzung für uns vor zwei Monaten wieder angehoben hat, haben wir jetzt bei beiden großen Agenturen wieder ein Investment-Grade-Rating und das soll auch so bleiben.- Was verändert sich in der Finanzierung der Lufthansa dadurch, dass Sie nun bei Moody’s und S & P über Investment-Grade-Ratings verfügen?Unsere Cash-flow-Situation ist im Moment so gut, dass es keinen Bedarf an Anleihen oder größeren Bankkrediten gibt. Derzeit können wir alles aus unserer Liquidität finanzieren. Aber sollten wir doch in ein, zwei Jahren an den Markt zurückkommen, sind diese Investment-Grade-Ratings natürlich hilfreich. Wobei man sagen muss, dass Lufthansa auch bisher schon ein sehr starker Name am Markt war, so dass sich die Konditionen für uns jetzt nicht dramatisch verändern.- Die Investitionsplanung sieht bisher für 2017 rund 2,7 Mrd. Euro, für 2018 und 2019 je 2,2 Mrd. Euro vor. Bleibt es dabei?Der Konzern wächst und deshalb haben wir die Planungen nach oben angepasst. Die Investitionen werden auch 2018 und 2019 bei jeweils 2,7 Mrd. Euro liegen. Das sind etwa 8 % der Gesamterlöse, das ist ein Wert, der im Durchschnitt der Branche liegt.- Ihre Nettokreditverschuldung ist auf gut 500 Mill. Euro gesunken, wie wird sich die Verschuldung mittelfristig entwickeln?Das ist ja nur eine Momentaufnahme. Wir haben die Investitionen in das Wachstum von Eurowings und die Zahlungen für den Pensionsfonds für unser Kabinenpersonal vor uns, dann geht es schnell wieder nach oben. Ziel ist, dass die Nettoverschuldung einen Faktor 3,5 des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen nicht überschreitet.- Lufthansa sichert sich gegen die Schwankungen des Ölpreises ab und betreibt dafür umfangreiches Hedging. Wie sind die Planungen für diese Treibstoffkostensicherung? Laut Carsten Spohr sollte das System im zweiten Halbjahr auf den Prüfstand.Das Hedgingsystem steht in den Details permanent auf dem Prüfstand, aber Grundsätzliches werden wir daran nicht ändern. Meiner Ansicht nach ist ihre Hedgingpolitik eine der Stärken der Lufthansa. Das ist ein mathematisch ausgefeiltes System und keine Wette auf den Markt. In Europa sichern sich fast alle Airlines ab, in den USA macht das keiner. In den USA können die Schwankungen einfacher als bei uns an den Kunden weitergegeben werden. Aber letztlich betrifft es alle Airlines, wenn der Ölpreis steigt, und daher ist es langfristig im Wettbewerb nicht so entscheidend. Wir gehen für 2018 von steigenden Kerosinausgaben aus.- Was wird sich für die Lufthansa durch die Bilanzierungsstandards IFRS 15 (Erlöse aus Verträgen mit Kunden), IFRS 16 (Leasingverhältnisse) und IFRS 9 (Finanzinstrumente) verändern?Die größten Auswirkungen auf die Airlinebranche insgesamt hat IFRS 16, aber Lufthansa hat vergleichsweise wenige Flugzeuge geleast. Allerdings haben wir weltweit viele Gebäude gemietet. Was genau auf uns zukommt, werden wir Mitte nächsten Jahres wissen. Das ist auf alle Fälle jede Menge Arbeit. Die Änderungen der anderen IFRS-Regeln werden grundsätzlich unsere Erlöse schmälern, aber auch unsere Kosten. Netto hat das keinen signifikanten Einfluss auf unser Ebit. Unsere Marge wird sich dadurch aber verbessern.- Die Umstellung der betrieblichen Altersversorgung der Flugbegleiter entlastete die Lufthansa 2016 mit einem hohen dreistelligen Mill.-Euro-Betrag. Was erwarten Sie nach dem Abschluss mit den Piloten, die Entlastung dadurch war ja eigentlich schon für 2017 eingeplant, oder?Ja, und sie wird auch noch in diesem Jahr kommen. Die Piloten werden bis Dezember in einer Urabstimmung über den Tarifabschluss entscheiden und dann fließt das im Falle einer Zustimmung noch in unseren Jahresabschluss ein. Wir rechnen dadurch mit einer Entlastung von 1,1 Mrd. Euro unserer Pensionsverpflichtungen und einem Einmaleffekt von 600 Mill. Euro im Ebit. Die genauen Werte hängen vom aktuellen Rechnungszins zum Zeitpunkt der Zustimmung ab.- Welche Folgen hat die lange Niedrigzinsphase für ein Unternehmen wie Lufthansa?Derzeit kalkulieren wir bei unseren Pensionsverpflichtungen mit einem Diskontsatz von 2,1 %. Sollte das noch eine Zeit lang so bleiben, können wir diese Ertragslage dank der voraussichtlich auf 5 Mrd. Euro gesunkenen Pensionslasten gut bewältigen. Aufgrund der Umstellung unseres Betriebsrentensystems ist das für uns machbar geworden. Wir haben heute eine ganz andere Situation als noch vor einem Jahr. Und falls die Zinsen wieder steigen, dann sind wir mit unserer starken Bilanz in einer guten Situation, denn wir können die Verschuldung niedrig halten.- In der Vergangenheit hat es immer wieder mal Forderungen nach Portfolio-Bereinigungen gegeben, zum Teil wurde das ja auch bereits umgesetzt. Gibt es noch Unternehmensteile oder Beteiligungen, von denen man sich Ihrer Meinung nach trennen könnte?Wir schauen uns das Portfolio permanent an, prüfen, ob noch alles strategisch zusammenpasst und finanziell Sinn macht. Aber derzeit ist nichts geplant.- Gibt es Überlegungen, mittel- oder langfristig Eurowings in Teilen abzugeben, beispielsweise durch ein IPO?Wir sind sehr zufrieden mit der bisherigen Entwicklung von Eurowings. Wir sind, kaum dass wir mit der neuen Eurowings angefangen haben, schon Nummer 3 im Punkt-zu-Punkt-Verkehr in Europa. Das Unternehmen wird schon dieses Jahr operativ in den schwarzen Zahlen landen. Wir haben noch viele Pläne mit Eurowings, da wäre es nicht sinnvoll, andere Anteilseigner mit ins Boot zu nehmen. Ich bin sehr zuversichtlich, was die weitere Entwicklung von Eurowings angeht.- Aber Sie werden doch vermutlich über dem Kostenniveau von Ryanair bleiben, auch wenn diese künftig mehr für ihre Piloten ausgeben muss?Deren Kosten gehen hoch, unsere gehen runter. Aber ja, vermutlich wird da eine Lücke bleiben. Aber am Ende zählt doch nicht nur der Preis, sondern auch das Angebot. Das gilt nicht nur für das Produkt. Unsere Passagiere schätzen auch unser gutes Netz und die hohe Verbindungsfrequenz, zum Beispiel in Richtung London. Sie wollen mehr Auswahl und nicht nur eine Flugverbindung täglich.- Laut Bernstein hat die Airlinebranche in Europa mit einer Ebitda-Marge von 12 % ihren Peak erreicht, weil das Angebot wegen der vielen neuen Flugzeuge deutlich stärker wächst als die Nachfrage. Teilen Sie diese Einschätzung?Es gibt da zurzeit ganz unterschiedliche Einschätzungen von Analysten. Aus heutiger Sicht bin ich schon optimistischer als Bernstein, zumindest was Lufthansa angeht. Die Verbesserungen in unseren Ergebnissen haben wir strukturellen Veränderungen im Konzern zu verdanken, die uns auch künftig helfen werden. Wir haben Tarifabschlüsse erzielt, so dass keine Streiks mehr zu befürchten sind. Die gute gesamtwirtschaftliche Verfassung in Deutschland ist natürlich auch eine Unterstützung.- Analysten geben mittlerweile zum Teil ein Kursziel von 30 Euro aus. Wie realistisch ist dieser Wert Ihrer Meinung nach?Als ich vor mehr als 20 Jahren im Finanzbereich angefangen habe zu arbeiten, hat man mir den Rat gegeben, niemals den eigenen Aktienkurs zu bewerten. Und daran halte ich mich bis heute. Aber wie Sie meinen Aussagen zu unserer Geschäftsentwicklung entnehmen können, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir Lufthansa weiterentwickeln können und unsere Profitabilität sowohl in wirtschaftlichen Aufschwung- als auch in Abschwungphasen nachhaltig steigern können. Das wird dann letztlich auch von den Finanzmärkten honoriert.—-Das Interview führten Lisa Schmelzer und Heidi Rohde.