"Wir nehmen unseren Fuß sicher nicht vom Gas"
– Herr Mucic, SAP ist im ersten Quartal erneut kräftig gewachsen. Welchen Anteil hatte Ihr Milliardenzukauf Qualtrics daran?Wir konsolidieren Qualtrics seit dem 23. Januar in unserem Segment Customer Experience Management und brechen den Umsatz hier nicht herunter. Was wir sagen können, ist, dass unsere Akquisitionen – Callidus und Qualtrics – im ersten Quartal zusammen 120 Mill. Euro zum Umsatz in diesem Bereich beigetragen haben. Die Dynamik war aber auch im Auftragseingang sehr stark. Das Interesse von Kundenseite ist enorm groß. Wir müssen den Vertrieb hier zuweilen sogar etwas bremsen und uns zum Beginn der Integration auf die lukrativsten Opportunitäten konzentrieren, um Qualtrics diesbezüglich nicht zu überfordern.- Hat sich das Wachstum von Qualtrics also unter der Führung von SAP schon beschleunigt?Qualtrics hatte wie unser Cloud-Geschäft insgesamt eine sehr gute Dynamik. Wir haben in unserem Business Case dargelegt, dass wir die eigenständigen Wachstumsraten innerhalb von SAP noch einmal deutlich beschleunigen wollen, und so wie es sich bisher aus unserer Sicht darstellt, bewahrheiten sich unsere Erwartungen diesbezüglich auch.- Eine beschleunigte Entwicklung erwartet SAP auch bei der Marge. Ihre Restrukturierung hat im ersten Quartal 886 Mill. Euro an Aufwand gebracht. Was erwarten Sie für den Rest des Jahres?Wir haben im ersten Quartal den gesamten erwarteten Betrag an Restrukturierungsaufwendungen verbucht und sehen jetzt nur noch eine überschaubare Schwankungsbreite. Die aktuelle Bandbreite für die Anpassungen auf Restrukturierungsaufwendungen für unser bereinigtes Betriebsergebnis im Gesamtjahr liegt bei 800 Mill. bis 950 Mill. Euro. Da liegen wir jetzt etwa in der Mitte.- Das ist nur die finanzielle Betrachtung. Wie weit sind Sie mit der Umsetzung?Außerhalb Europas haben wir die Programme bereits im Wesentlichen abgeschlossen. In Europa läuft das Freiwilligenprogramm schon eine Weile, so dass wir auch hier ganz gut absehen können, wohin es läuft. Eine geringe Schwankung mag es noch geben. Aber auch unsere Annahme von 750 Mill. bis 850 Mill. Euro positiver Effekte auf das Betriebsergebnis, die wir ab dem kommenden Jahr erwarten, ist mittlerweile schon recht belastbar.- Geht Ihre höhere Gewinnschätzung für das laufende Jahr schon auf Ihr Restrukturierungsprogramm zurück?Wir sind vor allem sehr gut aus den Startlöchern gekommen und liegen nach dem ersten Quartal bereits weit über unseren Erwartungen. Sie sollten nicht vergessen, dass das Vorjahresquartal bereits ein außerordentlich margenstarkes war. Hier haben wir noch einmal 50 Basispunkte auf die Marge draufpacken und unser Betriebsergebnis um 19 % steigern können, so dass wir unseren Planungen deutlich voraus sind. Zudem kommen wir jetzt zum Ende mit der Migration unserer Flaggschiff-Cloud-Produkte auf die Hana-Technologie. Für Success Factors haben wir diese schon abgeschlossen, bei Ariba steht der Umstieg in den kommenden Wochen an. Wir haben immer gesagt, dass hierin ein wichtiger Faktor für die Margenausweitung liegt. Das Restrukturierungsprogramm wird seine Wirkung dann ab dem kommenden Jahr entfalten, wenn wir dadurch jährlich mit einem Prozentpunkt mehr Marge rechnen.- Die Marge in der Cloud ist im ersten Quartal um fast drei Prozentpunkte gestiegen. Eine endgültige Trendwende?Es war eigentlich schon im vergangenen Jahr eine Steigerung spürbar, die sich jetzt mit gesteigerter Dynamik fortsetzt. Die bessere Entwicklung hat auch ein paar Gründe. So wächst das strukturell margenschwächere Cloud-Infrastruktur-Geschäft weniger dynamisch als in den vergangenen Jahren. Das hilft uns natürlich. Zudem haben wir in der Hana-Enterprise-Cloud signifikante Fortschritte in der Profitabilität gemacht. Wir sind hier heute schon da, wo uns mancher Beobachter selbst 2020 noch nicht gesehen hat. Ein wesentlicher Faktor ist hier auch die von mir bereits angesprochene Hana-Migration von Success Factors und Ariba. Und last but not least spielt natürlich die Skalierung eine Rolle, die wir bei unseren organisch entwickelten Cloud-Diensten jetzt erreicht haben. Das alles hilft, unsere Marge jetzt beschleunigt zu steigern.- Oracle hatte zuletzt in der Cloud etwas gebremst. Eine Chance, Mitarbeiter von einem Konkurrenten abzuwerben?Zur Strategie von Wettbewerbern kann ich mich nicht äußern. Ich kann nur sagen, dass SAP in der Cloud mit Sicherheit nicht auf die Bremse treten wird. Wieso sollten wir auch? Wir haben hier nur sehr gesunde Geschäftsmodelle, die Marge steigt an, und unsere Zuversicht steigt auch für eine Margenausweitung auf Konzernebene. Vor zehn Jahren waren wir bei 100 Mill. Euro Umsatz in der Cloud, dieses Jahr gehen wir auf 7 Mrd. Euro zu und wollen bis 2023 auf über 15 Mrd. Euro wachsen. Wir nehmen unseren Fuß sicher nicht vom Gas und konzentrieren uns bei Neueinstellungen natürlich auch stark auf diesen Bereich. Wir wollen die besten Mitarbeiter zur SAP locken und sehen uns da auch gut aufgestellt. Aber wo diese herkommen, ist für uns absolut sekundär.- SAP ist in praktisch allen Regionen prozentual zweistellig gewachsen. Konjunkturelle Probleme wie viele andere Unternehmen haben Sie nicht gespürt?Wir haben selbst in China, wo die Konjunktursorgen zuletzt zugenommen hatten, kräftiges Wachstum verzeichnet. Ich denke, die Unternehmen wissen, dass sie in Zeiten der Unsicherheit in intelligente Software investieren sollten, um ihre Herausforderungen zu bewältigen.- Auch in Großbritannien wirkt sich die endlose Brexit-Saga nicht negativ aus?Wir hatten auch im ersten Quartal hier prozentual zweistelliges Wachstum – sowohl in der Cloud als auch bei den Softwarelizenzen. Nichtsdestotrotz würde ich mir natürlich wünschen, dass es hier endlich zu Klarheit kommt und ein No-Deal-Brexit dann auch vermieden wird. Die Unsicherheit langfristig aufrechtzuerhalten ist sicher nicht ideal, auch wenn es unsere Wachstumsaussichten weder auf der Insel noch auf dem Festland wirklich eintrübt.—-Das Interview führte Sebastian Schmid.