DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: CARL MELLANDER

"Wir rechnen nicht mit einem schwachen ersten Halbjahr"

Ericsson-Finanzchef ist optimistisch für Wachstum - Restrukturierungskosten sollen deutlich sinken - Free Cash-flow von 17 Mrd. bis 18 Mrd. skr nach 2020

"Wir rechnen nicht mit einem schwachen ersten Halbjahr"

– Herr Mellander, Ericsson schreibt noch rote Zahlen, ist 2019 aber erstmals seit Jahren wieder gewachsen. Ist es gelungen, das Wachstum auf dem Mobile World Congress in diesem Jahr mit weiteren Aufträgen anzuschieben?Wir reden schon länger von 5G, aber in diesem Jahr registrieren wir erstmals eine starke Nachfrage nach dieser neuen Netztechnik. 5G ist gewissermaßen eine kommerzielle Realität geworden. Wir haben in vielen Regionen begonnen, die neue Netztechnik auszubauen, vor allem in Nordamerika, in Australien, teilweise auch in Asien und Europa.- Wo in Europa?Swisscom ist ein Beispiel in Europa. Und wir haben weitere Aufträge gewonnen, im Mittleren Osten, etwa Etisalat oder auch Tele2 in Russland.- Wird der Umsatz also auch 2019 wachsen? Wettbewerber Nokia warnte kürzlich vor einem schwachen ersten Halbjahr, wie sieht es für Ericsson aus?Wir rechnen nicht mit einem schwachen ersten Halbjahr. Tatsächlich läuft das Geschäft derzeit gut, vor allem in Nordamerika, wo die Telekomnetzbetreiber bereits 5G-Aufträge vergeben haben und die Netze bauen. Das ist gewissermaßen die erste Welle. Die zweite wird dann in Japan, Südkorea und China kommen, Europa folgt als dritte. Hier verzögern sich die Investitionen, u.a. weil Spektrum teilweise noch nicht vergeben ist.- Was erwarten Sie also für 2019?Der Gesamtmarkt für neue Netztechnik soll im laufenden Jahr 3 % zulegen. Das ist ermutigend, denn der Marktforscher Dell’Oro, auf dessen Prognosen sich die Branche stützt, hat seine Erwartungen kürzlich von 2 auf 3 % angehoben, und wir werden daran entsprechend teilhaben.- CEO Börje Ekholm hat die Rückgewinnung von Marktanteilen als nach wie vor wichtiges Ziel ausgegeben, und Ericsson hat dafür auch sogenannte “strategische Verträge” ins Auge gefasst. Was bedeutet das genau?Ja, wir haben uns mit Blick auf das Gesamtbild unseres Marktanteils entschlossen, solche Verträge einzugehen, wo wir ein wenig Marge opfern, um die Position für die Zukunft zu sichern. Diese Kompromisse erreichen aber keinesfalls die Größenordnung vergangener Jahre, wo sich die Branche einen schmerzhaft harten Wettbewerb um die “Modernisierung Europas” geliefert hat. Wir gehen derzeit sehr selektiv vor.- Das heißt, ihre finanziellen Ziele werden dadurch nicht beeinträchtigt?Nein, wir wollen 2020 eine operative Marge von mehr als 10 % zeigen und mehr als 12 % im Jahr 2022, vor Restrukturierungskosten.- Wann werden diese verdaut sein, so dass Ericsson auch auf unbereinigter Basis Gewinne macht?Wir haben über Jahre sehr hohe Restrukturierungskosten gehabt. Das gilt für Ericsson, aber auch für andere Unternehmen in der Telekommunikationsbranche. 2019 werden es nochmals 3 bis 5 Mrd. skr sein. Danach wollen wir diese Zahl aber zurückführen, auf rund 1 % vom Umsatz, also in etwa 2 Mrd skr.- Die Nachfrage nach 5G entwickelt sich in Europa langsam. Früher war es in der Branche üblich, den Absatz mit Lieferantenkrediten zu fördern, zum Beispiel, als die UMTS-Netze gebaut wurden. Vergeben Sie solche Kredite für 5G auch und in welchem Umfang?Wir sind sehr aktiv dabei, Finanzierungen für unsere Kunden zu arrangieren, aber anders als früher tragen wir dabei nur ein sehr begrenztes eigenes Risiko. Wir arbeiteten mit Banken, Exportkreditgebern, vor allem der schwedischen Export Credit Agency zusammen, die in der Regel das gesamte Risiko tragen. Sehr selten übernehmen wir einen sehr geringen Teil des Kredits für eine begrenzte Zeit. Aber wir engagieren uns keinesfalls wie in der Zeit nach der Jahrtausendwende, als Lieferantenkredite mitunter 150 % des Vertragswertes umfassten.- Letztes Jahr war Liquidität mit Blick auf die Bilanz ihre erste Sorge. Wie hat sich diese entwickelt und was ist die Zielgröße?Wir haben brutto Cash-Reserven von 69 Mrd. skr und netto von 35 Mrd. skr. Das ist ein solides Polster, das wir brauchen, solange wir uns noch in dieser Turnaround-Phase befinden. Wir haben viel erreicht, aber noch eine Wegstrecke vor uns. Moody’s hat unsere Fortschritte bereits anerkannt und den Ausblick von “negativ” auf “stabil” gesetzt. Das Rating liegt noch bei “Ba2”. Investment Grade sind wir derzeit nur bei Fitch, nicht bei Moody’s und S&P.- Das ist aber Ihr Ziel?Ja, aber noch nicht. Zunächst wollen wir 2020 wieder profitabel sein und einen starken Free Cash-flow erwirtschaften. Danach befassen wir uns mit dem Ziel des Investment Grade. Das ist ein langfristiges Ziel.- Was ist ein starker Free Cash-flow?Beim Free Cash-flow rechnen wir im Jahr 2020 mit einer Größenordnung von 17 Mrd. bis 18 Mrd skr. Dabei lassen wir mögliche Akquisitionen in unseren Erwartungen außer Acht.- Sie haben gerade das Antennengeschäft von Kathrein gekauft. Wurde dieser Zukauf aus dem Cash-flow finanziert?Ja, aber das war eine überschaubare Belastung.- Werden Sie 2019 an den Bond-Markt gehen, um sich zu refinanzieren oder gegebenenfalls weitere Akquisitionen zu finanzieren?Wir halten die Augen für Zukäufe offen, wobei es sich in der Regel um Ziele handelt, mit denen wir unser Portfolio erweitern. Diese Industrie entwickelt sich sehr schnell, manchmal muss man die eigenen Kompetenzen und Technologien ergänzen.- Werden Sie die Kapitalmärkte anzapfen?Das ist möglich. Grundsätzlich sind wir 2019 durchfinanziert. Es gibt keine Fälligkeiten mehr in diesem Jahr, aber möglicherweise werden wir opportunistisch an den Markt gehen, um Schulden zu refinanzieren, die 2021 fällig werden. Wir schauen uns deshalb sowohl den Euro- als auch den Dollar-Markt an, weil wir in beiden Währungsräumen tätig sind. Darüber hinaus haben wir im vergangenen Jahr einen Kredit der Europäischen Investitionsbank aufgenommen, eine erste Tranche von 250 Mill. Euro, die spezifisch der Forschung und Entwicklung bei 5G dient. Dies werden wir möglicherweise wiederholen.- In Hinblick auf die Geschäftsfelder, die in den vergangenen zwei Jahren restrukturiert wurden, also das Geschäft mit Managed Services insbesondere und auch Teile der Digital Services, sind Sie damit durch?Wir haben ein Sanierungsprogramm über 10 Mrd. skr abgeschlossen, Mitte 2018 schon. Aber fertig sind wir noch nicht. Wir haben vor allem bei BSS, das ist ein Teil von Digital Services, eine Sanierung erst eingeleitet, bei der ein Teil des Geschäfts komplett aufgegeben wird. Das ist in den für dieses Jahr geplanten Restrukturierungskosten enthalten.- Ist Geschäft mit Managed Services, wo in der Vergangenheit Verluste angefallen sind und Verträge gestoppt oder neu verhandelt wurden, für die Zukunft ein Bereich, den Ericsson wieder ausbauen will, oder wird das eher zurückgefahren?Im Gegenteil, wir sind sehr zufrieden mit dem Geschäft. Es war 2018 wieder profitabel und ist für die Zukunft sehr gut aufgestellt. Wir investieren hier in Automatisierung und künstliche Intelligenz zum Beispiel, wo wir dann den Kunden ein sehr gutes Angebot machen können.- Wie sind hier typischerweise die Margen?Sie sind niedriger als im Netzwerkgeschäft, allerdings ist auch der Kapitalbedarf geringer, die Kapitalrendite sieht also sehr gut aus.- Einer der Wettbewerber betrachtet das Entreprise-Geschäft derzeit als sehr vielversprechend und hat dafür sogar just eine neue Sparte gegründet. Gerade in Deutschland sollen demnächst aufgrund von lokalem Spektrum sogenannte Campus-Netze entstehen. Wird Ericsson auch solche bauen, etwa für die großen Automobilhersteller?Priorität hat für uns, unsere Kunden, die Telekomnetzbetreiber, zu unterstützen. Es ist nie eine gute Idee, als Konkurrent der Kunden aufzutreten. Es ist denkbar, dass wir auch in Einzelfällen Netze für Unternehmenskunden aufbauen, Plattformen für das Internet der Dinge zum Beispiel. Aber grundsätzlich werden wir uns eher bemühen, zusammen mit den Telekomnetzbetreibern Geschäftsmodelle bei Unternehmenskunden zu entwickeln.- Also, wann wird Ericsson wieder Gewinne machen, die eine steigende Dividende rechtfertigen?Unser Ziel ist, zunächst 2020 wieder eine gesunde Profitabilität zu erreichen. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass wir den Cash-flow erwirtschaften, um die Dividende zu zahlen, die Aktionäre wollen. Ich möchte aber betonen, dass unsere Aktionäre die Kürzung der Dividende auf das Niveau von 1 skr je Aktie, jetzt schon drei Jahre in Folge, mittragen.—-Das Interview führte Heidi Rohde.