IM INTERVIEW: STEWART BUTTERFIELD

"Wir sehen große Chancen im deutschen Mittelstand"

Der CEO des US-Softwarekonzerns Slack über unsportliche Geschäftspraktiken des Rivalen Microsoft, den gefallenen Aktienkurs und die Pläne für Deutschland

"Wir sehen große Chancen im deutschen Mittelstand"

Herr Butterfield, in Amerika ist der Name Ihres Unternehmens zum Verb geworden. So wie man “googeln” sagt, reden Angestellte Ihrer Kunden von “slacken”, wenn sie über die Slack-Plattform kommunizieren, anstatt sich E-Mails zu schicken. Im Gegensatz zu Google steht der Aktienkurs von Slack aber seit dem Börsengang im Juni stark unter Druck. Investoren wenden sich von Börsenneulingen ab, denen sie keine Profitabilität zutrauen. Können Sie das nachvollziehen?Ja und nein. Hier werden eine Menge Dinge miteinander verschmolzen. Wir sind etwa zur gleichen Zeit an die Börse gegangen wie Lyft und Uber … … die an der Börse enttäuschenden Fahrdienstvermittler …… sowie eine Reihe anderer Start-ups, deren spätere Profitabilität in Frage steht. Der Unterschied ist, dass wir ein Software-Unternehmen sind und eine Bruttomarge von 88 % haben. Ich glaube nicht, dass sich Analysten Sorgen um die zukünftige Profitabilität von Slack machen. Ob das den vielen Unternehmen der On-Demand-Branche wie Uber oder den Lieferdiensten gelingt, ist dagegen nicht klar. Außerdem liegt unser Börsenwert mit derzeit 12 Mrd. Dollar über unserer Bewertung vor dem Börsengang, die bei 7 Mrd. Dollar lag. Bei Uber ist das nicht der Fall. Macht Ihnen der Kursverfall seit dem Börsengang also keine Sorgen?Es ist vielleicht ein wenig frustrierend, aber langfristig wird das keine Rolle spielen. Kurzfristig ist die Börse ein Gerät zur Stimmenauszählung, langfristig eine Waage. Sie zitieren damit Ben Graham, den Vater der fundamentalen Aktienanalyse, der die Bedeutung der langfristigen Geschäftsentwicklung für den Aktienkurs betonte. Aber an der Börse gibt es dahingehend auch Sorgen, weil Slack mit Microsoft und seinem Produkt “Teams” erstmalig ein ernsthafter und mächtiger Konkurrent erwachsen ist.Es gibt in der Tat für Slack im Vergleich zu ähnlichen Unternehmen einen Strafabschlag wegen der Sorgen um Microsoft. Aber unser Produkt ist im Vergleich zu Microsoft weitaus besser. Es ist nicht nur so, als ob man lieber Coca-Cola als Pepsi trinkt. Und fast jeder Firmenkunde, den wir in vergangenen drei Jahren gewonnen haben, kam zu uns, obwohl Microsoft die Software kostenlos im Verbund mit dem verbreiteten Office-Paket anbietet. Anleger scheinen nicht überzeugt. Als Microsoft im Juli mitteilte, dass “Teams” täglich mehr aktive Nutzer hat als Slack, ist Ihr Aktienkurs umgehend gefallen.Das ist nicht nur einmal passiert. Wir sind der einzige Konkurrent, mit dem sich Microsoft derart stark beschäftigt. Die Zahlen über die aktiven Nutzer sind auch nicht vergleichbar, weil die der Produkte unterschiedlich genutzt werden. Ich glaube aber, dass Microsoft das absichtlich macht. Die haben viel mehr Marktmacht als wir. Was für eine Strategie vermuten Sie dahinter?Sie wollen Zeit gewinnen, um ihr Produkt wirklich wettbewerbsfähig zu machen. Außerdem wollen sie mit negativen Nachrichten über uns für Skepsis sorgen. Eine negative Wahrnehmung im Markt kann es für uns schwieriger machen, neue Mitarbeiter oder Kunden zu finden. Wenn Microsoft eine Presseerklärung herausgibt und unsere Aktie baden geht, trägt das zu einem Narrativ bei, dass Microsoft uns aus dem Geschäft drängen wird. Ein potenzieller Kunde, der keines der Produkte gut kennt, wird sich fragen, ob er in unsere Software investieren soll, wenn er dieses Gerede hört. Das ist unsportliches Verhalten. Langfristig wird Kunden aber klar werden, dass wir weiter wachsen, weiter Firmenkunden gewinnen und sie sich um Microsoft keine Sorgen machen müssen. Wie wollen Sie gegen die Taktik von Microsoft bestehen?Indem wir weiter Firmenkunden ansprechen, an der Integration weiterer Anwendungen in unsere Plattform arbeiten, und auf der Produktseite führend bleiben. Wir haben eine Reihe neuer Funktionen auf den Markt gebracht, wie die geteilten Channels (Shared Channels), die es Mitarbeitern aus zwei verschiedenen Unternehmen ermöglicht, in einem Projekt zusammenzuarbeiten. Channel nennen wir den Ort, wo alle Unterhaltungen und Dateien zu einem Projekt sichtbar sind – im Gegensatz zu traditionellen E-Mails. Was bedeutet Datensicherheit für Ihre Kunden?Es gibt für Unternehmen und Behörden weltweit eine lange Liste von regulatorischen Anforderungen. Ein großes Thema in Deutschland und Europa war, getrieben von deutscher Nachfrage, die internationale Datenresidenz, also die Frage, wo Daten gespeichert werden. Wir speichern die Daten von deutschen Unternehmen seit Dezember in Frankfurt. Sie haben gerade ein Büro in München eröffnet. Haben Sie weitere internationale Expansionspläne?Wir haben neben München auch ein Büro in Paris und in Osaka eröffnet, schon das zweite in Japan, weil unser japanisches Geschäft sehr gesund ist. Slack gibt es schon jetzt in mehreren Sprachen, neben Englisch und Deutsch auch Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Japanisch. Ein Projekt für dieses Jahr ist die Lokalisierung der Plattform auf Koreanisch. Darüber hinaus gibt es keinen genauen Zeitplan, aber es gibt noch eine ganze Reihe anderer europäischer Sprachen. Wir haben auch noch keine traditionelle chinesische Version von Slack für Kunden in Hongkong oder Taiwan. Aber es geht nicht nur um Lokalisierung, sondern auch um den Vertrieb. Deswegen haben wir die Büros in Paris und München aufgemacht. Es ist etwas ganz anderes, in einer Region vor Ort eine Präsenz zu etablieren. Das gilt im Übrigen auch für die Vereinigten Staaten. Wir haben Büros in San Francisco, Denver und New York, aber haben erst kürzlich eines in Chicago eröffnet. In Boston sind wir aber beispielsweise noch nicht vor Ort. Die Vereinigten Staaten sind ein enorm großes Land, wo wir uns weiter verbreiten werden. Dazu kommt Self Serve als starkes Wachstumsfeld. Selbstbedienung? Was meinen Sie damit?Das sind Kunden, die die Website von Slack besuchen und sich selbst anmelden. Wir wollen unser Produkt weiter verfeinern und einem breiteren Spektrum von Kunden zugänglich machen. Technologieaffine Leute, die neue Software ausprobieren wollen, haben Slack bereits. Wachstum wird von Kunden kommen, die neuer Software grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen. Die Anforderungen an das Nutzererlebnis und die Kundenbetreuung werden noch höher. Als dritter Wachstumsträger zeichnen sich die geteilten Channels ab. Also das Produkt, das Mitarbeiter von zwei verschiedenen Organisationen erlaubt, bei Projekten zusammenzuarbeiten?Genau. Unternehmen können so mit externen Beratern wie Wirtschaftsprüfern, Anwaltskanzleien oder Werbeagenturen zusammenarbeiten. Der Channel ist für beide zugänglich. Wir bekommen neue Kunden, die allein deswegen ein Software-Abonnement abschließen. Zuletzt haben 26 000 unserer Kunden diese geteilten Channels genutzt. Wir sind die einzigen, die eine solche Möglichkeit anbieten und es dürfte für Microsoft schwierig werden, in dieser Sache aufzuholen. Wo sehen Sie die größten Wachstumschancen in Deutschland? In den mittelständischen Unternehmen?Nicht nur. In Deutschland nutzen bereits 60 % der Dax-Unternehmen Slack. Neben dem Softwarekonzern SAP gehört auch der Autovermieter Sixt und der Spirituosenkonzern Jägermeister zu unseren Kunden. Aber auch traditionelle Mittelständler gehören dazu. Ein Beispiel ist der Baustoffhändler Kemmler. Kemmler hat Slack früh genutzt, sowohl in der Produktion als auch im Vertrieb. Ich glaube, wir haben große geschäftliche Chancen bei dieser Art von Unternehmen. In der Regel sind sie aber konservativ und verfügen oft nicht über die nötige interne Software-Expertise. Deswegen sind sie schwieriger zu erreichen. Das war einer der Gründe für unsere physische Präsenz in Deutschland. Besonders wegen der Fertigungsindustrie und den komplexen Lieferketten in Deutschland sehen wir die Shared Channels als enormen Vorteil. Warum aber München? Sie haben doch mehr Nutzer in der Start-up-Hauptstadt Berlin.Es gibt in Deutschland kein dominierendes Wirtschaftszentrum wie London oder Paris. Wir haben viele Medienkunden in Hamburg und in Berlin stoßen wir bei den Start-ups auf offene Türen. Wir mussten den Online-Musikdienst Soundcloud nicht überreden, Slack zu nutzen. Sie waren von Anfang an dabei. München bietet dagegen die größten unausgeschöpften Chancen. Das Interview führte Norbert Kuls.