IM INTERVIEW: THOMAS TOEPFER

"Wir sehen im zweiten Halbjahr keine Erholung"

Covestro-CFO: Andere Branchen fangen Autoschwäche auf - Investitionen kommen auf den Prüfstand

"Wir sehen im zweiten Halbjahr keine Erholung"

Herr Toepfer, es gab einen umfangreichen Hackerangriff auf zahlreiche deutsche Unternehmen. Covestro war davon auch betroffen. Was können Sie dazu sagen?Ich kann bestätigen, dass auch wir betroffen waren. Wir hatten zu keinem Zeitpunkt Hinweise, dass Daten abgeflossen sind. Wir haben Gegenmaßnahmen ergriffen und konnten die betroffenen IT-Systeme erfolgreich bereinigen. Können Sie etwas zum entstandenen Schaden beziehungsweise den Kosten für die Bereinigung der Systeme sagen?Entscheidend ist für uns, dass es keinen Hinweis auf Datenabfluss gab. Das ist, was zählt. Dann kommen wir zu Ihrem Zwischenbericht. Die Kursreaktion signalisiert: ärgste Befürchtungen nicht eingetroffen. Dennoch sind die Quartalszahlen alles andere als berauschend.Es kommt darauf an, wie man auf die Zahlen schaut. Erstens sind wir in einem schwierigen Umfeld mit unseren Mengen gewachsen. Das zeigt, dass wir eine breite Kundenbasis haben und die Schwäche in der Automobilindustrie durch Wachstum in anderen Branchen ausgleichen konnten. Die Nachfrage nach unseren Produkten ist intakt, und wir bedienen die langfristigen Trends. Zweitens haben wir im zweiten Quartal mit unserem Ebitda (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, Anm. d. Red.) von 459 Mill. Euro genau das abgeliefert, was wir vorhergesagt hatten. Insofern ist das im Rahmen der Erwartungen ein erfolgreiches Quartal gewesen. Die Automobilindustrie hat sich dennoch schwächer als von Ihnen unterstellt entwickelt. Wie groß ist die Abhängigkeit von Covestro von dieser Industrie, und können andere Industrien nachhaltig den Ausgleich schaffen?Die Automobilindustrie ist für uns eine wichtige Abnehmerindustrie. Letztlich entfällt aber doch nur ein Umsatzanteil von 20 % auf diese Industrie. Und ja, wir haben jetzt bewiesen, dass der Ausgleich in anderen Industrien klappt. Allen voran steht hier die Bauindustrie. Hier sehen wir weiterhin eine gute Dynamik, vor allem in den USA. Dort gewinnt das Thema Energieeffizienz für Gebäude an Bedeutung. Insofern deckt sich die Aussage mit der Prognose, dass wir weiterhin Wachstum in unseren Kernmengen sehen. Sie haben die Prognose bestätigt. Inwieweit muss es dafür zu einer zumindest zaghaften Erholung im zweiten Halbjahr kommen?Wir sehen im zweiten Halbjahr eher keine zaghafte Erholung, sondern wir glauben vielmehr, dass sich die wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten, die wir im ersten Halbjahr gesehen haben, fortsetzen. Unsere Prognose beinhaltet diese Annahme. Halten Sie an der Aussage fest, 2020 wieder auf den Wachstumspfad zurückzukehren?Ich möchte zum jetzigen Zeitpunkt keine konkrete Aussage für 2020 machen. Wir haben gesagt, dass 2019 ein Jahr unterhalb des mittleren Zyklusniveaus ist. Das Entscheidende ist, dass ein normales Jahr einfach besser aussieht. Wann genau die Normalisierung einsetzt, ist schwer vorherzusagen. Schauen wir auf die Investitionsplanung. Für dieses Jahr haben Sie mehr als 900 Mill. Euro budgetiert. Bleibt es dabei?Grundsätzlich bleibt es dabei. Investitionen sind ja kein Selbstzweck. Wir investieren, weil wir eine hohe Nachfrage nach unseren Produkten sehen. Allerdings schauen wir uns vor dem Hintergrund, dass das Umfeld unsicher ist, jede Investition sehr genau an – sowohl strategisch als auch finanziell. Entscheidend ist, dass die Investition Mehrwert zum Portfolio leistet. Die Frage ergibt sich allein daraus, dass Sie für den freien operativen Cash-flow im Gesamtjahr eine Spanne von 300 Mill. bis 700 Mill. Euro vorgeben, im ersten Halbjahr aber einen Mittelabfluss von 100 Mill. Euro zeigen mussten. Wie sicher ist die Prognose an dieser Stelle?Die Prognose ist realistisch, weil wir im ersten Halbjahr zahlreiche Sondereffekte hatten, die den Cash-flow negativ belastet haben. An erster Stelle ist die Mitarbeiter-Bonuszahlung für 2018 mit 350 Mill. Euro zu nennen, die im zweiten Quartal 2019 zur Auszahlung kam. Das ist ein echter Verschiebeffekt aus dem letzten Jahr. Zweitens sind in der Kennziffer im ersten Halbjahr etwa 100 Mill. Euro an Steuerzahlungen enthalten, die periodenfremd sind. Diese Sonderbelastungen werden im zweiten Halbjahr nicht wiederkehren. Hinzu kommt, dass wir mit unserem Working Capital, das wir im zweiten Quartal gesenkt haben, gut unterwegs sind. Wenn wir an dieser Stelle weiter so konsequent arbeiten, werden wir die Prognose erreichen. Das Interview führte Annette Becker.