1ON1 SUMMER SUMMIT - IM GESPRÄCH: REMCO WESTERMANN

"Wir sind ein einsamer Fisch in einem großen Teich"

Der CEO und Großaktionär von Media and Games Invest über den Lockdown und die M&A-Strategie

"Wir sind ein einsamer Fisch in einem großen Teich"

Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtMit dem Ausdruck “Krisengewinnler” hat Remco Westermann so seine Probleme. Das habe so einen negativen Beigeschmack, meint der CEO und Großaktionär von Media and Games Invest (MGI) im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Dabei trifft es in der Sache den Nagel auf den Kopf.Durch den in vielen Ländern verordneten Lockdown, der u. a. zur wochenlangen Schließung von Läden, der Absage von öffentlichen und privaten Veranstaltungen sowie einem starken Anstieg der Tätigkeit im Homeoffice führte, hielten sich in den vergangenen Monaten viele Menschen viel länger zu Hause auf als sonst. Da die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung arg beschnitten waren, waren Online-Spiele ein potenzieller Ersatz, der auch von vielen genutzt wurde. In diesem Segment sowie im Bereich digitale Medien ist MGI tätig. Starker positiver Effekt”Der Lockdown infolge der Coronavirus-Pandemie hatte auf die Umsätze in unserem Gaming-Segment einen starken positiven Effekt”, stellt Westermann fest. “Gegen Ende des ersten Quartals – zu dieser Zeit gehen die Erlöse im Vergleich zu den Wintermonaten üblicherweise zurück – zogen die Erlöse kräftig an. Für das zweite Quartal gehe ich von einem Erlössprung in einigen unserer Kern-MMOs (Massen-Online-Gemeinschaftsspiel; die Red.) von bis zu 50 % aus.” Doch damit nicht genug: “Die positive Wirkung des Lockdowns wird – unabhängig davon, ob es zu weiteren Lockerungen oder wieder zu Verschärfungen kommt – bis weit ins laufende Quartal anhalten”, prognostiziert der MGI-Chef.Ohnehin kann MGI mit starken Wachstumsraten aufwarten, die sowohl organisch als auch durch Übernahmen generiert werden. “Die MGI-Gruppe hat in den vergangenen sechs Jahren über 30 Unternehmen erfolgreich übernommen”, erklärt Westermann im Rahmen des 1on1 Summer Summit. Die übernommenen Firmen und Assets würden integriert und restrukturiert, denn fast immer müsse die Effizienz verbessert werden.”Wir haben unseren Konsolidierungs- und Wachstumspfad Ende 2012 mit Gamigo begonnen”, sagt Westermann. Gamigo ist ein deutscher Publisher u. a. für Browser-Spiele, Mobile-Spiele sowie Massively Multiplayer Online Games (MMOs). “Jetzt, da MGI 99 % von Gamigo hält und auch im synergetischen Mediensegment stärker wird und Zugang zu den Kapitalmärkten hat, ist MGI durch die hohen operativen Cash-flows und einen guten Zugang zu Finanzierungsoptionen gut auf weiteres profitables Wachstum vorbereitet.” Und die Pipeline mit weiteren Übernahmekandidaten sei gut gefüllt. Im Schnitt gebe es drei bis fünf Akquisitionen pro Jahr. Die Transaktionswerte seien mit der Zeit gestiegen; zuletzt beliefen sie sich auf knapp 10 Mill. Euro pro Deal. Das Ergebnis: “Im Spiele-Segment haben wir ein Mutterschiff gebaut, an das unsere Akquisitionen nun andocken können. Im Medien-Segment bauen wir noch am Mutterschiff.” Wachstumssprung”2019 war ein weiteres gutes Jahr für uns”, resümiert Westermann. Das ist noch tiefgestapelt. Der um Sondereffekte bereinigte Umsatz sprang den Angaben zufolge von 45,3 Mill. auf 83,9 Mill. Euro, das adjustierte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 11,1 Mill. auf 18,1 Mill. Euro, wodurch allerdings die Ebitda-Marge auf 21,6 (i.V. 24,4) % zurückkam. Allein das Nettoergebnis kann noch lange nicht mit dem übrigen Zahlenwerk mithalten: 2019 lag der Gewinn bei lediglich 1,3 (i.V. 1,6) Mill. Euro.Aber wie wird dann erst 2020 ausfallen, wenn doch so vieles für MGI zu laufen scheint? “Für das laufende Jahr rechne ich im Spiele-Segment mit einer Ebitda-Marge von rund 30 % und im Mediensegment von 10 bis 15 % im vierten Quartal 2020 und von mehr als 7 % im Gesamtjahr.”Auch für die folgenden Berichtsperioden hat der MGI-Chef schon recht konkrete Vorstellungen: “In den nächsten Jahren sollten die Ebitda-Margen im Spiele-Segment zwischen 30 % und 35 % und im Medien-Segment zwischen 15 und 20 % liegen.”Westermann stellt klar, dass sich an Strategie und Wachstumsziel im Grunde nichts ändern wird: “MGI strebt an, ihren durchschnittlichen Umsatzzuwachs von über 30 % jährlich über organisches Wachstum sowie M&A fortzusetzen.”Treiber sei das Gaming-Segment, das für eine Hälfte der Erlöse stehe, wie Westermann darlegt. Casual Games machten 14 % der Konzernerlöse aus; die nachfolgenden Spiele, etwa Trave und Archeage Hiram, hätten einen Anteil von 8 % oder weniger. Die andere Umsatzhälfte generiert das Medien-Segment. Dahinter verbirgt sich zum Beispiel die Verve Group, in der die beiden Berliner Adtech-Player Pubnative und Applift mit der US-amerikanischen Mobile-Marketing-Plattform Verve zusammengeführt wurden.MGI, die im Basic Board (Freiverkehr) der Frankfurter Börse gelistet ist, kommt auf eine Marktkapitalisierung von rund 90 Mill. Euro. Westermann hält nach eigenen Angaben über eine Holding knapp 50 % der Aktien, etwa 10 % würden von verschiedenen Fonds gehalten und circa 40 % befänden sich im Free Float.Dass MGI das einzige Gaming-Unternehmen auf dem deutschen Aktienmarkt ist, stimmt Westermann melancholisch: “Wir sind ein einsamer Fisch in einem großen Teich.”