"Wir sind nicht bereit, mehr anzubieten"
Am morgigen Freitag endet die Annahmefrist für das Angebot des US-Großaktionärs Morgan Stanley Infrastructure Partners (MSIP) zur mehrheitlichen Übernahme des Waggonvermieters VTG. Im Interview erklärt Markus Hottenrott, Chief Investment Officer des Infrastrukturfonds, weshalb die von der VTG als zu niedrig bewertete Offerte nicht aufgestockt wird, wo sich das Unternehmen verbessern muss und wann die Beteiligung wieder verkauft werden könnte. – Herr Hottenrott, Sie gehören seit Juni 2017 dem VTG-Aufsichtsrat an und sind seit Juni 2018 stellvertretender Vorsitzender. Rücken Sie nach der mehrheitlichen Übernahme durch Morgan Stanley Infrastructure Partners an die Spitze?Nein. Wir gehen derzeit davon aus, dass Herr Dr. Massenberg Aufsichtsratsvorsitzender bleibt.- Die Frist zur Annahme des Übernahmeangebots endet am Freitag. Die Annahmequote liegt derzeit bei circa 29 %, zusammen mit der bisherigen Beteiligung kommt Morgan Stanley Infrastructure auf über 58 %. Sind Sie damit zufrieden?Ja, das ist ein Anteil, mit dem wir zufrieden wären. Wir wollten die Mehrheit erlangen, und das haben wir damit erreicht.- Warum keine vollständige Übernahme? Sie müssen künftig auf Minderheitsaktionäre Rücksicht nehmen.Wir sehen in keinen Bereichen Nachteile für uns, wenn wir die VTG nicht vollständig übernehmen. Deswegen haben wir auch keine Mindestannahmeschwelle für das Angebot festgelegt. Wir sind weder aufgrund unserer Finanzierungsstruktur auf einen Beherrschungsvertrag angewiesen noch gibt es andere Sachverhalte, wegen derer es hinderlich wäre, auf Minderheitsaktionäre Rücksicht zu nehmen.- Vorstand und Aufsichtsrat der VTG lehnen das Angebot von 53 Euro je Aktie ab, weil es den fundamentalen Wert des Unternehmens nicht angemessen reflektiere. Warum stocken Sie die Offerte nicht auf?Wir halten 53 Euro je Aktie für einen attraktiven Preis. Ein erfahrener Investor im Logistiksektor, die Familienholding von Klaus-Michael Kühne, ist im Übrigen auch der Meinung, dass das Angebot attraktiv ist, und hat uns ihren VTG-Anteil von gut 20 % angedient. Darüber hinaus gab es eine Bedingung, dass es zu keiner wesentlichen Verschlechterung des Marktumfelds, sichtbar an einem Absinken des SDax um mehr als 15 %, kommen dürfe. Als der Markt Sorge bekam, dass das Angebot aufgrund der negativen Entwicklung des SDax an dieser Bedingung scheitern könnte, gab der Kurs der VTG-Aktie nach. Erst als wir die Bedingung fallen gelassen haben, zog er wieder auf den aktuellen Preis von rund 53 Euro an, was ja der Höhe unseres Angebots entspricht. Der Kurs wird also aktuell durch unser Angebot bei 53 Euro gehalten, was die Ansicht einer Menge von Marktteilnehmern unterstreicht, dass der Angebotspreis über dem liegt, was der Aktienkurs ohne ein solches Übernahmeangebot wäre.- Nach dem Ablauf der Annahmefrist am Freitag gibt es noch die sogenannte Zaunkönigsfrist von zwei Wochen. Eine Aufstockung der Offerte kommt nicht in Frage?Nein. Wir sind nicht bereit, mehr als den aufgerufenen Preis anzubieten.- Wann rechnen Sie mit einem Vollzug der Übernahme?Das Closing ist im Januar 2019 zu erwarten.- Bleibt der Vorstand bis auf den CFO, der zum Jahresende seinen Posten aufgibt, im Amt?Davon gehe ich aktuell aus. Wir haben nach wie vor eine sehr gute Beziehung zum Vorstandsvorsitzenden und seinen Vorstandskollegen.- Wie sehen Ihre Vorstellungen zum weiteren strategischen Kurs der VTG aus?Wie wir in unserer Angebotsunterlage gesagt haben, unterstützen wir die Fortsetzung der Strategie des Vorstandes. Eine strategische Neuorientierung ist nicht geplant. Wir denken aber, dass es Bereiche gibt, in denen wir den Vorstand unterstützen können.- Welche sind das?Die wurden vom Vorstand klar in der Strategie festgelegt und umfassen beispielsweise Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und die weitere Digitalisierung des Geschäftsmodells.- Es gibt keine Divergenzen zur bisherigen Sichtweise des Vorstands, was die Strategie betrifft?Nein.- Der VTG-Vorstandsvorsitzende hat in einem Interview der Börsen-Zeitung erklärt (vgl. BZ vom 6. September), die Bieterin bleibe mit ihren Absichten in der Angebotsunterlage sehr vage. Können Sie das nachvollziehen?Wir bewegen uns mit dem Grad der Konkretheit unserer Aussagen in der Angebotsunterlage im Rahmen dessen, was normal ist. Wir sind mit der Gesellschaft keine Investment-Vereinbarung eingegangen. Das wäre der Rahmen gewesen, in dem man konkreter hätten beschreiben können, auf welche Ziele man sich verpflichtet.- Wird die VTG an der Börse bleiben?Wir müssen erst einmal den Ausgang des Angebotsverfahrens und die Höhe der Annahmequote abwarten. Das hat für uns jetzt klare Priorität.- Die künftige Dividendenpolitik ist offen. Im Raum steht auch ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Was stellen Sie sich hier vor?Als Infrastrukturinvestor sind wir grundsätzlich an kontinuierlichen hohen Dividendenzahlungen interessiert. Mit dem signifikanten Anstieg des Aktienkurses im Verlauf der vergangenen 18 Monate ist die Dividendenrendite der Gesellschaft auf ein Level abgesunken, das unseres Erachtens verbesserungswürdig ist.- Was stellen Sie sich konkret vor?Darüber werden wir mit dem Vorstand sprechen.- Der VTG-Vorstand hatte sich 2015 für das laufende Geschäftsjahr 2018 ein Gewinnziel von 2,50 Euro je Aktie gesetzt. Das wird absehbar nicht erreicht. Gibt es ein Ziel, das Sie einfordern?Nein, ein solches gibt es derzeit nicht. Leider wird das Ziel von 2,50 Euro je Aktie in diesem Jahr nicht erreicht. Wir werden mit der Gesellschaft zusammen versuchen, dieses Ziel möglichst rasch zu erreichen.- Wie wichtig wird in diesem Zusammenhang weiteres Wachstum sein? Wird sich die VTG künftig stärker auf außereuropäische Märkte ausrichten oder bleibt sie vor allem auf den Kernmarkt Europa fokussiert?Das Kerngeschäft bleibt die europäische Waggonvermietung. Eine stärkere Ausrichtung im US-Markt etwa ist nicht die Stoßrichtung unseres Engagements. Unsere Stoßrichtung ist es, auf eine Steigerung der Effizienz hinzuwirken und mit dem Vorstand daran gemeinsam zu arbeiten.- Wachstum durch Übernahmen erscheint nach den kartellrechtlichen Auflagen für die Anfang Oktober vollzogene Nacco-Übernahme durch die VTG künftig schwierig. Wie geht es weiter?Wachstum muss nicht von der Top Line, also der Umsatzseite kommen. Was zählt, ist das Bottom-Line-Wachstum. Da sehen wir Potenzial.- Wie groß ist dieses Potenzial?Auch darüber werden wir mit dem Vorstand sprechen.- Inwieweit ist die Finanzierung der VTG durch den Mehrheitserwerb tangiert? Der Crédit Agricole hat als Kreditgeber ein Kündigungsrecht, sollte jemand mehr als 50 % der Stimmrechte bei der VTG erwerben.Es gab an verschiedenen Stellen sogenannte Change-of-Control-Klauseln. Derzeit wird die Zustimmung der verschiedenen Kreditgeber bzw. Fremdkapitalgeber eingeholt. Wir erwarten da keinerlei Probleme.- Werden Sie langfristig Mehrheitsaktionär der VTG bleiben. Wie sieht Ihr Horizont aus?Wir investieren im Durchschnitt über einen Zeitraum von sieben Jahren. Es gibt auch längere Beteiligungsperioden. So waren wir an der börsennotierten Flughafengesellschaft von Venedig neun Jahre engagiert.- Es handelt sich bei der VTG-Beteiligung nicht um ein strategisches, sondern um ein Finanzinvestment.Ja, wir sind ein Finanzinvestor. Wir bewegen uns im Infrastruktur-Bereich in einer der illiquidesten Assetklassen und kommen daher auf eine durchschnittliche Haltedauer von sieben Jahren.- Beschreiben Sie bitte Ihre Vorstellungen, in welche Richtung sich die VTG in den nächsten sieben Jahren bewegen soll.Darüber werden wir uns zu gegebener Zeit mit dem Vorstand unterhalten und uns über eine Kommunikation verständigen.- Wie sieht die Finanzierung der VTG-Übernahme aus?In Deutschland muss die begleitende Bank eine Zusicherung der Finanzierung abgeben. Wir werden von J.P. Morgan beraten, die eine solche Zusicherung abgegeben hat. Es handelt sich um einen Brückenkredit von bis zu 750 Mill. Euro, der nach unserer Erwartung vollständig durch Eigenkapital refinanziert wird.- Zusätzlich besteht für 356 Mill. Euro eine Eigenkapitalzusage von Gesellschaftern des Bieters?Ja. Die Refinanzierung durch Eigenkapital würde erfolgen aus Eigenkapital von uns gemanagter Fonds.- Welche Bedeutung hat die VTG-Transaktion für Morgan Stanley Infrastructure Partners?Ein Fonds wie unserer geht üblicherweise um die zehn Investments in einem Zeitraum von gewöhnlich nicht mehr als vier Jahren ein. Die VTG-Transaktion wird einer der größeren Deals in unserem Portfolio sein.—-Das Interview führte Carsten Steevens.