Im Gespräch Heike Wieland-Blöse, Grant Thornton

„Wir trauen uns zu, im gesamten Dax zu prüfen“

Die neue Deutschlandchefin von Grant Thornton, Heike Wieland-Blöse, will das Angebot der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft stärker vernetzen, um das Geschäftsmodell anpassungsfähig zu halten. In der Entwicklung des Geschäfts komme die Gesellschaft gut voran.

„Wir trauen uns zu, im gesamten Dax zu prüfen“

Im Gespräch: Heike Wieland-Blöse

„Wir trauen uns zu, im gesamten Dax zu prüfen“

Die CEO von Grant Thornton zur Geschäftsentwicklung, zur neuen Plattform-Strategie und zum ersten Dax-Mandat als Abschlussprüfer

Von Sabine Wadewitz, Düsseldorf

Die neue Deutschlandchefin von Grant Thornton, Heike Wieland-Blöse, will das Dienstleistungsangebot der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft stärker vernetzen, um das Geschäftsmodell in Zeiten ständiger Veränderung anpassungsfähig zu halten. In der Entwicklung des Geschäfts komme die Gesellschaft gut voran.

Die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Grant Thornton kommt auch in schwierigem konjunkturellen Umfeld voran. Es gibt noch keine Zahlen für das am 30. September abgeschlossene Geschäftsjahr, aber nach zweistelligem Wachstum um 10% auf 187 Mill. Euro im vorangegangenen Turnus ging es 2022/23 offensichtlich weiterhin schwungvoll voran. „Wir sind superzufrieden mit dem vergangenen Geschäftsjahr“, sagt Heike Wieland-Blöse, die seit Beginn des neuen Turnus als Vorstandssprecherin im Amt ist. Mit Blick auf das wirtschaftliche Umfeld gebe es keine Geschäftsbereiche, in denen Schwierigkeiten registriert wurden.

Mehr Restrukturierungen

Nach vorne geblickt müsse man abwarten. „Wir leben in Zyklen, aber noch sieht die Welt für unser Geschäft gut aus“, fasst sie das Szenario zusammen und verweist auf Reformstau in Deutschland und geopolitische Risiken.

Mit Blick auf die Treiber des Geschäfts hebt sie hervor, dass die Transformationsdynamik allerorten zunimmt – „ob es um Digitalisierung, Veränderung des Geschäftsmodells oder Verlagerung ins Ausland geht“. Auch Restrukturierungen würden derzeit stärker nachgefragt, und in dem Thema sei das Dienstleistungsspektrum breiter geworden.

Zusätzliche Nachfrage erwartet Grant Thornton auch in ESG-Themen. Im August 2022 hat die Gesellschaft das Center of Excellence Sustainability gegründet. Es steuert in enger Abstimmung mit dem Vorstand die internen Nachhaltigkeitsaktivitäten und orchestriert gleichzeitig das ESG-Serviceangebot an die Kunden. „Das erlaubt uns einen ganzheitlichen und bereichsübergreifenden Umgang mit Nachhaltigkeitsthemen“, sagt Wieland-Blöse.  

Zur Frage der Expansion des Geschäfts erläutert die CEO, dass Grant Thornton plant, sich in Deutschland im Segment Financial Services personell zu verbreitern. „Ich bin davon überzeugt, dass der Markt dafür Platz lässt.“ Gesucht würden zudem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für alle digitalen Transformationsthemen und für „die wesentlichen Gestaltungsbereiche rund um ESG“.

Kein Selbstzweck

Für Aufmerksamkeit im Markt sorgte Grant Thornton im Frühjahr, als sie mit der Porsche Automobil Holding ihr erstes Dax-Mandat in der Abschlussprüfung angelte. Es war nach BDO bei SAP das zweite Dax-40-Mandat für eine mittelständische Wirtschaftsprüfungsgesellschaft – Grant Thornton gilt als Next 6 im Kreis der Verfolgergruppe hinter den vier Marktführern PwC, KPMG, Deloitte und EY, den Big 4.

Wieland-Blöse stellt das Porsche-Mandat als nichts Außergewöhnliches dar: „Für uns war der Mandatsgewinn im Dax ganz natürlich. Wir sind ein Qualitätsanbieter und werden im oberen Segment wahrgenommen. Das ist aus meiner Sicht auch eine gesunde Entwicklung, denn es braucht im Markt ja Alternativen zu den Big 4.“

Grant Thornton, die früher als Warth & Klein Grant Thornton firmierte, habe eine Historie für hochkomplexe Aufgaben. „Ich erinnere an den Stresstest Kernenergie und einige andere herausfordernde Bewertungsaufträge.“

Dass es ein Mandat im Dax 40 ist, stelle für Grant Thornton nicht das entscheidende Kriterium für die Teilnahme an der Ausschreibung dar. „Wir trauen uns zu, im gesamten Dax zu prüfen, aber: Das ist kein Selbstzweck. Für uns ist es entscheidend, unsere Stärken an der richtigen Stelle einzusetzen. Der Mandant muss zu uns passen und wir zu ihm. Dies vor allem mit Fokus auf dem Verständnis des Geschäftsmodells und Kapazität.“ Auch außerhalb des Kreises börsennotierter Unternehmen gebe es „hochkomplexe und interessante Aufgaben“, ergänzt Wieland-Blöse.

In ihrer strategischen Ausrichtung fokussiert sich Grant Thornton traditionell auf den gehobenen Mittelstand, „national wie international“. „Die Vorzüge unseres global sehr starken Grant-Thornton-Netzwerks setzen wir aktiv ein. Viele Kunden entscheiden sich nicht zuletzt wegen dieses Netzwerks für uns.“ Das internationale Netzwerk ist aus Sicht der Vorstandssprecherin nicht nur für den Kunden wichtig, sondern auch für die Mitarbeitenden ein Asset: „Das globale Netzwerk bietet gute Entwicklungsmöglichkeiten und die Möglichkeit, über den Tellerrand zu blicken und international berufliche Erfahrungen zu machen.“

Vernetzung des Angebots

Wieland-Blöse versteht in ihrer neuen Rolle als CEO das Geschäftsmodell als Plattform. Es gebe zwar ein sehr ausgeprägtes Serviceverständnis in den Bereichen Audit & Assurance, Tax, Legal und Advisory. „Das läuft solide, doch wir möchten unsere Dienstleistungsangebote vernetzen.“

In Zeiten ständiger Veränderung sei es entscheidend, das Geschäftsmodell anpassungsfähig zu halten – „für neue Servicebedürfnisse beim Mandanten, für unterschiedliche Qualifikationen von Mitarbeitern und für neue Technologien“. Die Anforderungen würden immer komplexer und Berater müssten schnell und über Arbeitsbereiche hinaus vernetzt darauf reagieren. „Die einfachen Themen sind gelöst, und für die verbleibenden komplexeren Themen braucht es komplexere und vernetzte Antworten“, resümiert Wieland-Blöse.

In Summe formuliert sie das Zielbild, dass es für Mandanten und Mitarbeitende „leicht ist, mit uns zu arbeiten“. Mit diesem Selbstverständnis wolle sie das Haus aufbauen. „In dem Umfeld können wir organisch gut wachsen – und natürlich auch anorganisch.“

Intern folgt Grant Thornton dem Slogan „Go Beyond“. „Das gibt unsere Unternehmenskultur optimal wieder“, sagt Wieland-Blöse. „Jeder, der bei uns arbeitet, kann und soll die Extrameile gehen – in der Flexibilität, im Vordenken, in der Service-Orientierung.“ Die Unternehmensgröße ermögliche „Sehen und Gesehenwerden“, ergänzt sie und unterstreicht: „Dies bedeutet: Wir ermöglichen persönliche Entfaltung, das ist unser Versprechen an die Mitarbeitenden.“

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