Wirtschaftskrise verhagelt Luxusmodell-Strategie von Daimler
Von Stefan Kroneck, MünchenBMW, Daimler und Volkswagen stehen zwar miteinander in einem harten Wettbewerb. In ihren Modellstrategien, die auch darauf abzielen, den Wandel in der Technologie finanziell zu stemmen, sind sie sich aber sehr ähnlich. So setzt das Trio im Kern auf einen Ausbau der Pkw-Modelle im Luxussegment, um in der neuen Dekade den teuren Übergang in das Zeitalter der Elektrofahrzeuge und das autonome Fahren weitgehend aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Denn mit einem wachsenden Verkauf hochpreisiger Pkw erwirtschaften sie die dafür notwendigen Deckungsbeiträge und den Cash-flow.Die deutschen Autohersteller sind gezwungen, diesen Weg zu gehen, ansonsten wären sie über einen längeren Zeitraum nicht mehr in der Lage, die für den Wandel notwendigen Forschungs- und Entwicklungskapazitäten, die jährlich mehrere Milliarden Euro verschlingen, aus eigener Kraft bereitzustellen. Die tiefe Rezession infolge der Coronakrise bringt die drei Konzerne allerdings in die Bredouille. Je länger nämlich die Pandemie anhält, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Luxus-Ansatz für die Unternehmen nicht mehr aufgeht. Diese Modellstrategie funktioniert bei einer dauerhaft guten Konjunktur, wie die Welt sie im zurückliegenden Jahrzehnt erlebt hat. In der Coronakrise wird es für die Konzerne immer schwieriger, den Ansatz durchzuhalten. SUVs stützen nur bedingtBei einer wegbrechenden Nachfrage können die Erträge aus dem Geschäft mit Luxusmodellen die hohen Kosten immer weniger abfedern. Die Hersteller reagieren darauf mit Einschnitten, um radikal gegenzusteuern. Nach den zurückliegenden Werksstilllegungen versuchen sie, die Produktion mit geringeren Kapazitäten ins Lot zu bringen.Beispiel Daimler. Der Stuttgarter Automobil- und Nutzfahrzeughersteller spürte bereits in den Zahlen für das erste Quartal die Corona-Auswirkungen deutlich, ging es doch im März mit der Seuche richtig los. Die Folge: Im Segment Mercedes-Benz Cars brach der Pkw-Absatz um 15 % auf 470 600 Fahrzeuge der Marken Mercedes-Benz und Smart ein. Aber: Lag der Anteil der Luxusklasse-Autos – dazu zählen Sportmodelle, Stadt-Geländewagen (SUVs) und die S-Klasse – noch zum Jahresauftakt 2019 bei 36 %, wuchs diese Quote bei deutlich fallenden Absatzzahlen im Auftaktquartal 2020 auf knapp 43 %. Diese Entwicklung bestätigt, was BWL-Studenten an den Universitäten lernen: Die Nachfrage nach langlebigen Luxusgütern ist preisunelastischer als die nach einfachen Konsumprodukten. Denn diese Kundengruppe verfügt über genug Vermögen, so dass Krisen sie faktisch nicht dazu zwingen, ihre Konsumausgaben spürbar zu drosseln.Für Daimler bedeutet das, dass vor allem der Absatz von Fahrzeugen der Mercedes-Kompaktklassen C und E und der Kleinwagen (Smart) empfindlich einsackte, während die Verkaufszahlen für Luxusmodelle – je nach den jeweiligen Produktlebenszyklen – relativ stabil blieben. Die Zahl der verkauften SUVs von Mercedes-Benz wuchs sogar weltweit geringfügig um 3 000 auf 182 000 Einheiten.So weit, so gut. Bis hierhin zeigt sich, dass die Luxusmodell-Strategie tendenziell in Krisenzeiten stabilisierend wirken kann, wenn die Tiefs ein noch überschaubares Maß annehmen. Sparte bündelt EntwicklungMit der weltweiten Seuche ist diese Voraussetzung aber nicht mehr erfüllt: Die Coronakrise ist für die Autoindustrie weit schwerwiegender als die Finanzmarktkrise der Jahre 2008 und 2009. Ein Luxuskonzept reicht dann nicht mehr aus, um die Unternehmen durch die raue See zu steuern. Das zeigten die jüngsten desaströsen Eckdaten von Daimler für das zurückliegende Frühjahrsquartal, als das Geschäft faktisch lahmgelegt war. Die Sparte Mercedes-Benz Cars & Vans machte operativ Miese von 1,1 Mrd. Euro (vgl. BZ vom 18. Juli). Die Konsequenz: Konzernchef Ola Källenius wird sein Sparprogramm verschärfen, wie er bereits erklärt hat. In dieser Lage ist der Konzern darum bemüht, Tatkraft zu zeigen. Mercedes-Benz kündigte an, ihre Entwicklung für moderne Antriebe in einer Einheit zu bündeln.