DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: CHRISTIAN MÜLLER, CARL ZEISS MEDITEC

Zeiss-Tochter sucht mit voller Kasse Anlagen

Der Finanzchef des Medizintechnikherstellers über mögliche Akquisitionsziele, eine Sonderdividende und neue Brustkrebstherapien

Zeiss-Tochter sucht mit voller Kasse Anlagen

– Herr Müller, kaum war das Quartal abgeschlossen, hatte der Vorstand ad hoc mitgeteilt, dass in den ersten sechs Monaten ein Umsatzsprung von 15 % erreicht wurde. Auch beim operativen Ergebnis werde mit einer Steigerung gerechnet. Was ist der Grund für dieses überraschend schnelle Wachstum?Wir sind in der Tat sehr gut gestartet. Für uns war überraschend, dass sich die Konjunktur so stabil entwickelt hat, trotz Schulden- und Euro-Krise. Das macht uns natürlich auch optimistisch für den Rest des Geschäftsjahres, das Ende September endet. Dennoch, alle Unwägbarkeiten wie die Euro-Krise und die Schuldensituation in den USA bestehen weiter. Wir rechnen weiterhin mit hoher Volatilität.- Nach diesem guten Halbjahr lautet Ihre Prognose für den gesamten Turnus?Wir haben noch keine feste Prognose, gehen aber unverändert davon aus, dass wir in Summe weiterhin stärker wachsen werden als der Markt.- . . . der wie viel zulegen wird?Das variiert sehr stark in den einzelnen Regionen und den unterschiedlichen Geschäftseinheiten. Durch unsere sehr ausbalancierte regionale Aufstellung – mit jeweils etwa einem Drittel der Erlöse in Fernost, Europa und in Nord- und Südamerika – sind wir gut positioniert, um Rückschläge in einzelnen Regionen kompensieren zu können.- Und das ergibt welches Marktwachstum insgesamt?Wegen der vielen Unsicherheiten haben wir – wie übrigens viele andere Unternehmen auch – noch keine Prognose gewagt. Wir haben uns allerdings vorgenommen, zur Veröffentlichung unserer Sechs-Monats-Zahlen Mitte Mai einen konkreten Ausblick auf den weiteren Verlauf des Geschäftsjahres zu geben.- Wenn ich die Halbjahreszahlen verdoppele, würde Zeiss Meditec im gesamten Turnus 864 Mill. Euro erlösen, etwa 100 Mill. mehr als in der Periode zuvor. Ist das eine Richtgröße?Wir haben zwar allen Grund, zuversichtlich nach vorn zu schauen. Aber das Wachstumstempo mit 15 % in den ersten sechs Monaten rein organisch werden wir auf Dauer so sicherlich nicht halten können.- Unstrittig ist allerdings, dass die operative Marge weiter angehoben werden soll?Wir haben ein mittelfristiges Ziel von 15 % Ergebnis vor Zinsen und Steuer (Ebit), gemessen am Umsatz. In den vergangenen drei, vier Jahren haben wir uns schrittweise in diese Richtung bewegt, ohne dabei zu vergessen, in die Zukunft zu investieren. Und ich erwarte auch für diesen Turnus, dass wir uns weiter unserem Ziel annähern – nach einer Ebit-Marge im Vorjahr von 13,6 %.- Sie führen immer wieder die wirtschaftlichen Unwägbarkeiten an als maßgeblich für ihren weiteren Geschäftsverlauf. Aber eigentlich ist doch sowohl ihre Sparte Augenheilkunde als auch die Mikrochirurgie unabhängig von guter oder schlechter Konjunktur, sondern eher eine Frage der zunehmenden Alterung in den Gesellschaften – mit großem Potenzial für Zeiss Meditec.In der Tat sind wir in der glücklichen Situation, per se relativ konjunkturunabhängig unterwegs zu sein. Die Makrofaktoren Alterung, Wachstum der Bevölkerung und die große Differenz in der medizinischen Versorgung zwischen entwickelten und Schwellenländern lassen ein langfristiges Wachstum erwarten. Und dennoch unterliegen auch wir Investitionszyklen und Investitionen werden in schlechten Zeiten aufgeschoben. Deswegen versuchen wir den Anteil unserer Produkte, die verbrauchsabhängig sind – und damit einen steten Umsatz versprechen -, weiter auszuweiten. Aktuell umfasst dieses Geschäft etwa ein Fünftel der gesamten Erlöse.- Welches Gewicht soll dieses stabile Geschäft mit Verbrauchsmaterialien, Implantaten und Serviceumsätzen künftig haben?Bis 2015 wollen wir diesen Anteil auf mindestens 25 % ausbauen.- Gibt es in ihrem Geschäft eigentlich irgendwelche natürlichen Grenzen, bei einer wachsenden Bevölkerung, die immer älter wird? Eigentlich doch nicht.Aber es gibt Wettbewerber. Dennoch: In einigen Gebieten, in denen wir unterwegs sind, sind wir überwiegend Marktführer – mit Anteilen von weltweit über 50 %, beispielsweise bei Operationsmikroskopen.- Wie viel Umsatz und Ergebnis hat dann Carl Zeiss Meditec in fünf Jahren?Vielleicht ist es ein gutes Indiz, zehn Jahre zurückzusehen. Damals hatten wir einen Umsatz von 202 Mill. und ein Ebit von etwas über 10 Mill. Euro, das entspricht einer Marge von 5 %. Vor fünf Jahren lag die Rendite bei knapp 12 %. Inzwischen haben wir eine Marge von 13,6 %. Dies zeigt, dass wir unser Geschäft konsequent ausgebaut haben und einen langfristigen Kurs verfolgen.- Und das kann ich jetzt auch zehn Jahre nach vorn fortschreiben?Was ich sagen will: Unser Kurs war bislang intakt. Wir stehen für Kontinuität und halten auch an unserem Kurs fest. Aber fünf oder zehn Jahre nach vorn blicken und konkrete Zahlen nennen, das kann ich nicht.- Wenn man Weltmarktführer bleiben will, reicht dann eine 10-prozentige Forschungs- und Entwicklungsquote?Diese rund 10 % Forschungsaufwand haben wir über die letzten Jahre relativ konstant gehalten. Mit dem Wachstum in der Topline ist der Betrag dann auch absolut ganz ordentlich gestiegen. Wir gehen davon aus, dass wir mit diesen rund 10 % auch in Zukunft auskommen werden, um die Innovationsführerschaft aufrechterhalten zu können.- Warum schwächelt dann trotzdem der Bereich ophthalmologische Systeme, also die Diagnose- und Lasersysteme für die Augenheilkunde. Dieser Bereich hinkt sowohl beim Umsatz- wie beim Ergebniswachstum deutlich hinterher?Schwächeln ist ein bisschen stark formuliert. Auch in diesem Geschäft sind wir auf Wachstumskurs – zugegeben langsamer als in den beiden anderen Sparten. Richtig ist allerdings, dass die Marge zurückgegangen ist – weil wir hier kräftiger investiert haben als in den anderen Bereichen. Das sollte sich in Zukunft in einem beschleunigten Wachstum niederschlagen – und davon gehen wir auch aus.- Gibt es eigentlich zwischen der Augenheilkunde und der Mikrochirurgie Synergien?Ja. Und das ist auch eine wichtige strategische Linie, unser Produktportfolio mehr und mehr zusammenzubringen, um damit die Arbeitsabläufe beim Arzt noch stärker zu unterstützen.- Etwa ein Viertel des Umsatzes erlöst Zeiss Meditec mit der Mutter Carl Zeiss. Womit?Nein, das ist kein Umsatz mit Carl Zeiss. Wir nutzen die Vertriebsorganisation der Mutter. Wir selbst haben in fünf Ländern eigene Vertriebstöchter. In knapp 30 Staaten nutzen wir das Vertriebsnetz der Carl-Zeiss-Gruppe. Damit haben auch wir einen breiten Zugang zum Endkunden.- Das heißt umgekehrt: In den fünf Ländern, in denen sie selbst vertreten sind, realisieren Sie drei Viertel aller Erlöse?Genau.- Welche Länder sind das?Deutschland, Frankreich, Spanien, die USA und Japan.- All die in den jüngsten Quartalsberichten so hochgelobten, weil dynamischen neuen Märkte wie China und Indien werden bis dato also ausschließlich durch die Mutter bedient?So ist es.- Warum wollen Sie in diesen expansiven Märkten nicht selbst präsent sein?Diese Frage haben wir uns wegen der Weite dieser Länder bei noch zu geringen Umsätzen noch nicht gestellt. Momentan sind wir froh, das breite Netzwerk der Mutter nutzen zu können, weil es da über Jahre aufgebaute Strukturen gibt. Unser dortiges Wachstum können wir auch nur deswegen realisieren, weil wir in China und Indien über die Mutter so gut aufgestellt sind.- Wie groß ist denn das China- und Indien-Geschäft – verglichen etwa mit Japan?Japan macht knapp die Hälfte unseres Fernost-Umsatzes von 231 Mill. Euro im Vorjahr aus.- Carl Zeiss Meditec schwimmt so im Geld, dass Sie vor einigen Monaten ein Festgeldkonto eingerichtet haben über 110 Mill. Euro. Damit werden Sie schwerlich ihre Kapitalkosten verdienen können.Es ist richtig, dass wir eine komfortable Eigenkapitalposition haben mit knapp über 70 %. Diese Eigenkapitalquote verleiht uns auch eine gehörige Stabilität und Vertrauen bei unseren Kunden.- Hätten Sie nicht einen dominanten Großaktionär, wären Sie mit dieser hohen Eigenmittelquote doch schon längst ins Radar von Hedgefonds geraten.Ich sage ja auch nicht, dass das auf Dauer so bleiben muss. Wir halten die Augen offen beim Thema Erweiterung unseres Geschäfts. Hier fordern wir aber Qualität bei möglichen Akquisitionszielen und es muss sinnvoll sein für unsere Aktionäre. Wenn wir jedoch keine Akquisitionstargets finden, haben wir auch schon in der Vergangenheit Sonderausschüttungen vorgenommen – bis zur Höhe eines kompletten Jahresüberschusses.- Das genau haben Sie aber für das abgelaufene Jahr nicht vorgeschlagen, sondern lieber Millionen für einen Mickerzins flexibel angelegt. Ist das ein Anzeichen dafür, dass sie kurz davor sind, ein Unternehmen zu übernehmen?Wir haben die Augen offen. Wir untersuchen externe Optionen. Es hängt von vielen Faktoren ab. Aber wir lassen uns aber auch vom Kapitalmarkt nicht zu irgendwelchen unüberlegten und unausgereiften Transaktionen verleiten.- Wenn man sich vielfach als Weltmarktführer sieht, sind Akquisitionen nur noch schwer und in kleinem Umfang möglich. Dafür benötigt man weder viel Geld auf dem Konto, noch eine hohe Liquidität oder eine super Eigenkapitalquote. Welches Geschäft böte so viele Synergien mit den herkömmlichen Aktivitäten, dass es als neue, vierte Sparte sinnvoll wäre?Wir sind nicht in allen unseren Feldern Marktführer. In der chirurgischen Ophthalmologie sind wir beispielsweise noch ein vergleichsweise kleiner Spieler in einem sehr großen Markt. Auch bei den ophthalmologischen Systemen gibt es weitere Expansionsmöglichkeiten, so dass sich die Frage nach einem vierten Geschäftsfeld nicht unmittelbar stellt.- Welche Aktivitäten könnten denn unter dem Gesichtspunkt der Synergie interessant für einen Zukauf sein?Es gibt im bestehenden Geschäft genügend Wachstumsmöglichkeiten. Nehmen Sie die Radiotherapie, ein ganz junges Geschäft, das bei uns wie ein Start-up in den vergangenen zehn Jahren entwickelt wurde. Da geht es um eine ganz neue Art der Behandlung von Brustkrebs, womit wir heute etwas mehr als 10 Mill. Euro erlösen. Das geht sich sehr vielversprechend an – aber es ist noch zu früh für eine Entscheidung, ob dies unsere vierte Geschäftseinheit werden könnte. Wir haben Potenziale für eine neue Sparte.- Angenommen, Sie hätten nun das passende Target, wie viele Millionen Investitionssumme könnten Sie bei ihrem Eigenkapital und ihrem Cash-flow stemmen?Es gibt ja viele Möglichkeiten der Finanzierung: Bei uns kann sicherlich auch die Mutter noch einspringen mit einem Darlehen. Daneben könnte man eine Kapitalerhöhung durchführen, eine Zwischenfinanzierung stemmen oder eine Unternehmensanleihe begeben. Und das alles hängt natürlich von der Art und der Größe des Akquisitionsobjekts ab – solange das nicht feststeht, ist es müßig, über ein Volumen zu sprechen.- Würde denn Carl Zeiss ihren 65-prozentigen Anteil per Kapitalerhöhung verwässern lassen?Das müssen Sie die Carl Zeiss AG fragen. Aber die Mutter hat in der Vergangenheit sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass für sie die Beteiligung an der Carl Zeiss Meditec ein strategisches Investment darstellt.- Haben sie eigentlich ein Rating?Nein – dafür sehen wir auch keinen Bedarf. Unsere Kapitalstruktur ist ja recht solide.- Ist Meditec im TecDax eigentlich richtig aufgehoben? Dort sind sie ja einer der schwereren Werte. Wäre nicht der MDax besser?Das ist eine interessante Frage, mit der wir uns allerdings noch nicht aktiv beschäftigt haben. Wir haben uns bislang darauf konzentriert, unser Geschäft voranzubringen.- Fast alle Research-Berichte, auch solche, die noch nicht allzu alt sind, nennen Kursziele unter dem aktuellen Niveau. Was ist eigentlich mit der Meditec-Aktie los?Die Aktie hat in der Tat die Indices outperformt. Wir haben gute Zahlen geliefert. Unsere Kontinuität kommt jetzt vielleicht auch in der Kursentwicklung zum Ausdruck. Und die gewisse Konjunkturunabhängigkeit rückt nach meinem Eindruck bei Investorengesprächen wieder stärker in den Vordergrund.- Wer kauft denn da?Institutionelle Investoren aus Deutschland, aus Frankreich, Großbritannien, inzwischen auch aus den USA.- Da treibt dann natürlich der enge Free Float von gerade einmal ein Drittel der Aktien.Ja, das spielt sicherlich auch eine Rolle.—-Das Interview führte Ulli Gericke.