Flutkatastrophe

Zerstörte Infrastruktur lähmt Firmen

Die Flutkatastrophe hinterlässt auch in der Unternehmenslandschaft Spuren. Neben überfluteten Firmengeländen und Anlagen bereitet vor allem die zerstörte Infrastruktur Kopfzerbrechen.

Zerstörte Infrastruktur lähmt Firmen

Von Annette Becker, Düsseldorf

Die verheerende Flutkatastrophe in Deutschland hat nicht nur zahlreiche Ortschaften zerstört, sondern auch an Industrieanlagen schwere Schäden angerichtet. Besonders betroffen sind Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Für eine Quantifizierung des wirtschaftlichen Schadens ist es allerdings noch viel zu früh. Im Moment stehen die Aufräumarbeiten im Vordergrund und Hilfen für die Betroffenen in den Krisengebieten.

„Einen Überblick werden wir erst in ein, zwei Wochen haben“, sagte ein Sprecher der Südwestfälischen IHK zu Hagen und spricht dabei stellvertretend für Kollegen aus anderen Regionen. Gutachter seien unterwegs, um sich ein Bild vom Ausmaß der Zerstörung an Industrieanlagen, Brücken und Böschungen zu machen, sagte Thomas Kuhlow, Kommunikationschef des Chemieparks Knapsack, der vor den Toren Kölns liegt. Größtes Problem ist die beschädigte Infrastruktur, die Lieferketten unterbricht.

Das betrifft nicht nur das Schienen- und Straßennetz, sondern auch die Stromversorgung. So waren im Versorgungsgebiet der zu Eon gehörenden Westnetz am Montag noch immer 30 000 Menschen ohne Strom, in der vorigen Woche waren es 200 000. Der Netzbetreiber hatte Anlagen, in die Wasser eingedrungen war, aus Sicherheitsgründen abgeschaltet. Teilweise seien Anlagen aber auch von den Fluten weggerissen worden. Auch im Versorgungsgebiet der Eon-Tochter Mitnetz Strom in Ostdeutschland beschädigten umfallende Bäume Stromleitungen, woraufhin es zu lokalen Stromausfällen kam. Der wirtschaftliche Schaden lasse sich noch nicht beziffern.

RWE hat dagegen schon eine erste Bestandsaufnahme gemacht und kalkuliert mit Belastungen, die sich bis zu einem zweistelligen Millionenbetrag summieren könnten. Erst zu Beginn des Jahres war RWE in Texas mit der extremen Kältewelle konfrontiert worden, die zu Stillständen in der Onshore-Windflotte geführt hatte. Die Belastungen hatte RWE seinerzeit auf einen niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionenbetrag beziffert.

Von der hiesigen Hochwasserkatastrophe ist der Versorger im Tagebau Inden und dem angeschlossenen Kraftwerk Weisweiler betroffen. Zwar habe sich die Lage aufgrund der fallenden Pegelstände und umfangreicher Sicherungsmaßnahmen wieder stabilisiert, doch produziere das Kraftwerk noch immer mit reduzierter Leistung. Derzeit würden Kohlevorräte verfeuert.

Der Tagebau soll stufenweise wieder in Betrieb genommen werden. Bis Ende der Woche soll die Kohleförderung wieder anlaufen. Auch von RWE betriebene Laufwasserkraftwerke an Eifel, Mosel, Saar und Ruhr sind nach den Angaben in Mitleidenschaft gezogen. Bis auf zwei Anlagen seien derzeit alle außer Betrieb. Das gelte auch für das Wasserkraftwerk im niederländischen Linne.

Force majeure

Zahlreiche Industrieunternehmen erklärten „Force majeure“, um von ihren Lieferverpflichtungen entbunden zu werden. Davon hat beispielsweise der Stahlverarbeiter Bilstein für drei Werke in Hagen Gebrauch gemacht. In der Nacht zum Donnerstag waren dort einige Produktionsanlagen aufgrund der Wassermassen ausgefallen. „Die Anlagen sind inzwischen im Wesentlichen wieder funktionsfähig“, sagte eine Sprecherin am Montag. Entwarnung gibt es jedoch noch nicht, denn das Vormaterial bezieht Bilstein ausschließlich über die Schiene. Zahlreiche Gleisanlagen seien unterspült, und auch wenn DB Cargo mit Hochdruck an der Schadenbeseitigung arbeite, sei nicht klar, wann die Güterzüge wieder fahren. Die vornehmlich aus der Autozulieferindustrie stammenden Kunden müssen sich entsprechend auf Lieferengpässe einstellen.

Vergleichbares gilt für Thyssenkrupp. Die direkten Schäden der Hochwasserkatastrophe seien sehr gering, sagte ein Sprecher. Indirekt sei das Unternehmen jedoch durch Beeinträchtigungen in der Lieferkette bei Zulieferern, Kunden und Logistikpartnern betroffen. Der Kupfer-Recycler Aurubis musste seine Produktion in Stolberg bei Aachen stoppen. Das gesamte Firmengelände sei überflutet, es sei nicht abschätzbar, wann die Produktion wieder aufgenommen werde, hieß es. In dem vom Hochwasser verwüsteten Werk des Autozulieferers ZF im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr-Ahrweiler ist nach Unternehmensangaben vorerst keine Wiederaufnahme der Produktion in Sicht. Das Ausmaß der Schäden sei noch immer nicht abzusehen.

Aufgeatmet wird dagegen bei den Chemiekonzernen Evonik und Co­vestro. An Produktionsanlagen gebe es keine Schäden und auch von Logistikproblemen sei man verschont. Der Scheitelpunkt des Rhein-Hochwassers war schon am Wochenende.

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