DAS CFO-INTERVIEW - IM INTERVIEW: ROBIN STALKER

"Zum Glück lassen sich höhere Preise durchsetzen"

Der Finanzvorstand von Adidas über die Folgen des starken Dollar, Überreaktionen an der Börse, aktivistische Anteilseigner und die Fifa-Skandale

"Zum Glück lassen sich höhere Preise durchsetzen"

– Herr Stalker, ärgern Sie sich über EZB-Präsident Mario Draghi?Die Europäische Zentralbank hat eine schwere Aufgabe und versucht, alles richtig zu machen.- Eine sehr diplomatische Antwort, aber der schwache Euro als Folge der expansiven EZB-Politik verteuert erheblich den Einkauf von Adidas in Asien. Von dort beziehen Sie mehr als 90 % Ihrer Produkte und bezahlen in Dollar.Das ist nicht nur ein Euro-Thema. Die Stärke der Währung hängt auch von anderen Faktoren ab, etwa wie sich die Weltwirtschaft entwickelt oder die Relation des US-Dollar zum chinesischen Renminbi. Das ist eben Teil unseres Geschäftsmodells, Produkte in fremder Währung zu kaufen und zu verkaufen.- Trotzdem, der Dollar macht Ihnen zu schaffen und die Belastung wird nach der Zinswende in den USA eher noch stärker.Als internationaler Konzern müssen wir damit klarkommen, dass sich Währungen bewegen. Dank unserer langfristigen Hedging-Strategie können wir das auch ganz gut managen, selbst wenn der Euro auf Parität zum Dollar sinken sollte. Was uns belastet, sind schnelle, drastische Bewegungen. Zum Beispiel, dass der argentinische Peso am vergangenen Donnerstag fast 30 % an Wert verloren hat. Unsere Wettbewerber trifft das allerdings genauso.- Wie stark wirkt sich das für Adidas aus?Aufgrund der negativen Währungseffekte werden unsere Einkaufskosten im nächsten Jahr um gut 500 Mill. Euro steigen. Davon macht der Euro etwa die Hälfte aus, andere Währungen die zweite Hälfte.- Wie versuchen Sie, das auszugleichen?Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir gestiegene Einkaufspreise zu meistern haben, sei es wegen negativer Währungseffekte oder wegen Kostensteigerungen infolge höherer Rohstoff- und Materialpreise und gestiegener Löhne.Wir haben bereits frühzeitig darauf reagiert, zum Beispiel mit einer verkleinerten Produktpalette oder mit Preiserhöhungen. Außerdem verbessern unsere Lieferanten die Effizienz ihrer Produktion. Deshalb sind wir zuversichtlich, auch dieses Mal die negativen Effekte auf Ebene der Bruttomarge größtenteils zu kompensieren.- Sie rechnen damit, dass sich die Bruttomarge 2016 um einen halben bis einen Prozentpunkt verringert. Würden Sie weniger gegen die Belastungen unternehmen, wenn der Druck auf der Wahrungsseite nicht so groß wäre?Was die Preiserhöhungen betrifft, wären wir wahrscheinlich nicht so aktiv. Aber wie alle in unserer Branche sind wir dazu gezwungen. Für neue attraktive Produkte, wie wir sie haben, lassen sich höhere Preise zum Glück leichter durchsetzen.- Als Sie vor zwei Wochen Ihre Prognose für die Bruttomarge bekanntgaben, verlor die Adidas-Aktie in wenigen Stunden 3 % an Wert – obwohl die Belastungen bekannt waren und Sie weiterhin mit einer mindestens stabilen operativen Rendite 2016 rechnen. Wie erklären Sie sich das?Aus meiner Sicht war das eine Überreaktion in einem an dem Tag sehr schwachen Marktumfeld. Vielleicht sind die Zusammenhänge bisher nicht so genau verstanden worden. Das zeigt, wie wichtig der Austausch mit Investoren und Analysten ist. Nun werden die Belastungen im kommenden Jahr keine Überraschung mehr sein.- Mit einem Kursplus von 57 % ist Adidas 2015 bisher der beste Wert im Dax vor Infineon. Im Jahr zuvor war Ihr Unternehmen mit einem Minus von 38 % dagegen das Schlusslicht.Auch 2014 haben viele überreagiert, wie ich meine. Das Glas wurde halb leer gesehen. Jetzt sieht man das Glas endlich wieder halb voll. Die Aktionäre haben Vertrauen in uns zurückgewonnen.- 2014 enttäuschten SieIhre Anteilseigner aber schwer: Zur Jahresmitte senkten Sie die Prognose, und der Nettogewinn sank um 38 %.Das war unschön und man kann uns vorwerfen, dass wir sehr kurzfristig unsere Prognose ändern mussten. Wir haben damals überlegt, ob wir mit niedrigeren Marketingausgaben die Prognose halten. Das haben wir aber nicht gemacht, weil es um Investitionen in die Zukunft geht.- 2014 mussten Sie außerdem die mittelfristigen Ziele für 2015 streichen.Ja, die mit unserer Fünfjahresstrategie “Route 2015” angestrebte operative Marge von 11 % haben wir nicht geschafft. Unsere Umsatzziele haben wir dagegen ziemlich genau erreicht. Außerdem legten wir 2014 den Grundstein für unseren Erfolg in diesem Jahr.- Wie meinen Sie das?Wir haben zum Beispiel die Struktur unserer Organisation verändert. Das betraf 1 500 Stellen. Jetzt ist die Führung ganz klar an den Marken ausgerichtet, nicht mehr an den Märkten. Damit sind wir effizienter und wirkungsvoller geworden. Zudem haben wir allen klargemacht, dass wir ein Wachstumsunternehmen sind. Wir haben gute Zahlen geliefert. Das Geschäft unserer Hauptmarken Adidas und Reebok läuft vielversprechend. Und wir sind mit unserer Segmentberichterstattung nach Regionen transparenter geworden.- Ihr Kurs profitiert aber auch vom Aktienrückkaufprogramm.Sicherlich trägt es auch zur Kurssteigerung bei.- Wie viel haben Sie bisher dafür ausgegeben?Bis heute 600 Mill. Euro. Das sind 40 % der insgesamt bis zu 1,5 Mrd. Euro, die wir bis Ende 2017 an die Aktionäre zurückgeben wollen.- Drei Ihrer Aktionäre versuchen, Unternehmen zu Veränderungen zu drängen: Mason Hawkins mit der Fondsgesellschaft Southeastern, der belgische Finanzinvestor Albert Frère und der ägyptische Milliardär Nassef Sawiris. Was haben die drei mit Adidas vor?Ich vermute, sie sind wie wir davon überzeugt: Unser Potenzial ist viel größer als die Herausforderungen, über die wir vorher gesprochen haben. Ein wichtiger Punkt dürften die USA sein, wo unser Marktanteil relativ klein ist. Wenn unsere Strategie dort greift, haben wir gute Chancen für starkes Wachstum. Die Zahlen beweisen, dass wir 2015 in den USA bereits erhebliche Fortschritte gemacht haben.- Sie treffen sich regelmäßig mit den Investoren. Was besprechen Sie?Wir reden zum Beispiel über den US-Markt, über die Strategie unserer Marken und die Dividendenpolitik.- Haben Sie Anzeichen, dass die Investoren Änderungen bewirken wollen?Wir haben bisher nur mit zwei gesprochen.- Mit Herrn Sawiris noch nicht.Genau, da suchen wir noch einen Termin. Mit den anderen beiden sind das ganz normale Investorengespräche. Ab und zu kommt natürlich auch eine Frage zur Nachfolge von Herbert Hainer als Vorstandsvorsitzender. Über unser Portfolio sprechen wir auch: ob eine stärkere Konzentration besser wäre oder eine Kombination mit mehreren Marken erfolgversprechender. Aber da sagen wir sehr klar unsere Meinung.- Reebok steht also nicht zur Disposition, egal was Ihre Aktionäre davon halten?Richtig, Reebok ist ein sehr wertvoller Bestandteil unseres Portfolios. Der Fitnessmarkt ist einer der am stärksten wachsenden Segmente der Sportartikelindustrie. Reebok hat im Adidas-Konzern viel mehr Potenzial als außerhalb.- Den Verkauf der Golfmarken Adams und Ashworth haben Sie mittlerweile beschlossen.Ja, weil wir glauben, dass ein Käufer, der sich aufs Golfgeschäft konzentriert, vielleicht mehr Freude mit diesen beiden Marken hat als wir. Die Entscheidung, Adams und Asworth abzugeben, fiel relativ leicht. Das sind ohnehin recht kleine Marken mit einem Jahresumsatz in insgesamt zweistelliger Millionenhöhe.- Wie viel Umsatz macht die Marke Taylor Made, über die Sie bis März 2016 entscheiden wollen?Die Zahl veröffentlichen wir nicht.- Adidas-Golf kommt auf etwa 400 Mill. Euro. Dann müssten es für Taylor Made ungefähr 500 Mill. Euro in diesem Jahr sein.Ihre Schätzung ist gut begründet.- Wie lief das Konzerngeschäft im Schlussquartal?Unsere Auftragsbücher sind voll. Ich sitze hier sehr entspannt und bin sehr glücklich, wie 2015 gelaufen ist.- Herbert Hainer sagte, das Auftragsbuch sei so voll wie seit 15 Jahren nicht mehr. Bisher rechnen Sie damit, dass Umsatz und operatives Ergebnis mit einer hohen einstelligen Rate wachsen. Wann erhöht Adidas die Prognose für 2016?Unsere Schätzungen basieren immer auf den aktuellen Informationen. Der Umsatz im nächsten halben Jahr lässt sich relativ gut vorhersehen. Aber wir haben ja ausführlich über die Herausforderungen für unsere Profitabilität gesprochen. Insgesamt fühlen wir uns sehr wohl mit unserer Prognose.- Sind Sie nach den verfehlten Erwartungen im Jahr 2014 vielleicht zu vorsichtig geworden?Es ist immer unsere Aufgabe, eine möglichst genaue Schätzung abzugeben. Deutliche Abweichungen von der Prognose – in welche Richtung auch immer – sind nicht im Sinne unserer Aktionäre. Natürlich ist es mir wesentlich lieber, wenn sich eine Prognose als etwas zu konservativ erweist.- Bis 2020 senkt Adidas den Anteil des Sportmarketings von derzeit knapp 50 auf weniger als 45 % der gesamten Marketingausgaben. Ist der Skandal des Weltfußballverbands Fifa der Grund?Nein, wir erhöhen stattdessen den Anteil unserer Ausgaben für Marketingkampagnen. Social Media wird immer wichtiger. Deshalb investieren wir hier stärker, um mehr Konsumenten für uns zu gewinnen. Bekannte Sportgrößen und Teams brauchen wir in der Werbung nach wie vor, weil sie dazu beitragen, unsere Glaubwürdigkeit als Sportmarke weiter zu erhöhen. In absoluten Zahlen werden somit auch unsere Ausgaben für das Sportmarketing weiter zunehmen.- Die ganzen Fifa-Affären belasten aber die Glaubwürdigkeit eines großen Sponsors wie Adidas.Die Vorgänge in der Fifa sind für niemanden gut – weder für den Fußball, die Fifa noch die Sponsoren. Aber wir haben schon vor der Weltmeisterschaft 2014 gesagt, dass Reformen in der Fifa notwendig sind, und wir haben volles Vertrauen in die Reform- und Ethikkommissionen des Verbands. Auf unser Fußballgeschäft wirkt sich das Ganze jedenfalls nicht aus. Der Umsatz wird in diesem Jahr ähnlich hoch sein wie im WM-Jahr 2014.- Wenn sich die Fifa nicht reformiert, wollen Sie über Alternativen nachdenken. Könnten Sie den Vertrag mit dem Verband, der bis 2030 läuft, problemlos kündigen?Ein Vertrag ist ein Vertrag. Es gibt bestimmte Konditionen. Darüber sprechen wir aber nicht öffentlich.—-Das Interview führte Joachim Herr.