Zwei Aktien für ein Halleluja bei Thyssenkrupp
Über die Aufspaltung von Thyssenkrupp wird erst auf der Hauptversammlung 2020 abgestimmt – wenn die Spaltung schon vollzogen ist. Vorerst gibt es nur skeptische Stimmen. In der Kritik steht auch die neue Aufsichtsratschefin Martina Merz, weil sie zu viele Kontrollmandate angehäuft hat.cru Düsseldorf – Auf der Hauptversammlung von Thyssenkrupp in Bochum ist es zum Eklat über das Führungschaos gekommen. Der Großinvestor Deka Investment, der 0,8 % der Aktien des Essener Industriekonzerns hält, hat Vorstand sowie Aufsichtsrat die Entlastung verweigert – und forderte von der neuen Aufsichtsratschefin Martina Merz die Niederlegung dreier von acht Mandaten bei anderen Unternehmen. Kritik erntete auch der goldene Fallschirm für den im Juli 2018 überstürzt im Streit mit den Großaktionären zurückgetretenen Ex-Vorstandschef Heinrich Hiesinger.”Trotz aller Verdienste für das Unternehmen finden wir die Abfindung von 4,5 Mill. Euro für Herrn Dr. Hiesinger inakzeptabel, der immerhin auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand ausscheidet”, sagt Deka-Fondsmanager Winfried Mathes. “Außerdem kritisieren wir, dass Vorstand und Aufsichtsrat sowie der Aufsichtsrat selbst nicht auf Grundlage einer guten Corporate Governance zusammengearbeitet haben.” Denn wie sonst sei der Abgang von Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden sowie zweier weiterer Aufsichtsratsmitglieder zu erklären? Zudem stehe auch noch die Stahlsparte unter Kartellverdacht. Zur designierten Aufsichtsratschefin Merz sagte Mathes: “Deka fordert eine klare Mandatsbegrenzung für die Aufsichtsratsmitglieder.” Merz soll Mandate abgebenMerz hätte einschließlich des Aufsichtsratsvorsitzes bei Thyssenkrupp nach der Richtlinie der Deka und der des Fondsverbands BVI acht anstatt der vorgeschriebenen fünf Mandate. “Deshalb werden wir diese Kandidatenwahl nicht unterstützen, sollte Frau Merz heute nicht den Verzicht auf drei Mandate bekannt geben.” Da Merz jedoch die Unterstützung der beiden Großaktionäre Krupp-Stiftung und Cevian mit addiert 39 % hat, war ihre Wahl in das Kontrollgremium gesichert, obwohl sie zunächst keine Mandate niederlegt.Mathes verspottete auch die rund 1 Mrd. Euro teuren Aufspaltungspläne von Vorstandschef Guido Kerkhoff, der seit Juli 2018 amtiert, als “Soap Opera”: “Demnächst können wir uns auf weitere Folgen freuen: ,Neuer Aufsichtsrat – jede Menge Leben’, ,Zwei neue Vorstandsteams – Kampf um die freien Plätze` oder ,Hauptversammlung 2020 – zwei Aktien für ein Halleluja’.”Die Hauptversammlung im Januar 2020 soll über die geplante Abspaltung eines neuen Industriegüterkonzerns “Thyssenkrupp Industrials” samt lukrativem Aufzugsgeschäft vom alten Stahlkonzern “Thyssenkrupp Materials” entscheiden. Das von der Investmentbank Goldman Sachs ausgearbeitete Vorhaben wird bis dahin jedoch so weit vorangetrieben sein, dass es von den Aktionären kaum noch abgelehnt werden kann, ohne hohe bereits angefallene Kosten in Kauf zu nehmen.Bezüglich der Aufspaltung unterstellt Corporate-Governance-Experte und Ex-DWS-Chef Christian Strenger den Großaktionären Krupp-Stiftung und Cevian mit zusammen 39 % der Aktien ein “Acting in Concert”. Die Anwesenheit beider Großaktionäre in wichtigen Ausschüssen des Aufsichtsrats und ihr Streben nach der Aufspaltung seien “schon ziemlich deutliche Zeichen für ein gemeinsames Vorgehen mit langfristiger Einwirkungsabsicht auf das Unternehmen”. “Da die beiden Aktionäre mehr als 30 % der ThyssenKrupp-Aktien halten, müssten sie ein Pflichtangebot an alle Aktionäre abgeben”, forderte Strenger.Der Geschäftsführer des Aktionärsschützerverbandes DSW, Thomas Hechtfischer, erinnerte an die hohen Kosten der Aufspaltung. Thyssenkrupp hat erklärt, dass die Belastungen im “höheren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich” liegen werden. “Das ist schon ein dickes Pfund, das Sie schultern müssen”, sagte Hechtfischer. “Mittelfristig mehr Gewinn”Am 12. Februar will Vorstandschef Kerkhoff mit der Quartalsbilanz die Organisationsstruktur der beiden neuen Unternehmen bekannt geben – und im Frühling die Vorstandsbesetzung. Durch die Aufteilung in ein Industriegütergeschäft und ein Werkstoffgeschäft könnten sich diese besser auf ihre Stärken konzentrieren. Kerkhoff warb in Bochum: “Nach der Teilung werden wir mittelfristig deutlich höhere Ergebnis-, Cash- und Wertbeiträge erzielen. Damit sollten dann wieder höhere Dividenden möglich sein.” Vorerst bleibt es aber bei 16 Cent.Kerkhoff bekräftigte die Prognose für das Geschäftsjahr, erwartet aber im Auftaktquartal schwächere Ergebnisse als im Vorjahreszeitraum. “Traditionell ist das erste Quartal das schwächste für Thyssenkrupp”, sagte der Manager in Bochum, wo 79 % des Kapitals vertreten waren. “Wir liegen voll im Rahmen unserer Guidance, aber damit auch unter den Werten des Vorjahresquartals.”Kerkhoff bekräftigte die Prognose, wonach im fortgeführten Geschäft, das heißt ohne Stahl, ein bereinigtes Ebit von mehr als 1 Mrd. Euro nach zuvor 706 Mill. Euro eingefahren werden soll. Deka-Manager Mathes sagte dazu: “Herr Kerkhoff, das kann es doch nicht gewesen sein. Allein der Wegfall der Sonderaufwendungen erhöht das Ergebnis ja schon um 300 Mill. Euro. Was steckt hinter der eher verhaltenen Unternehmensprognose für 2018/19?”Kerkhoff räumte Versäumnisse bei der Entwicklung des Unternehmens ein. Im Industriegütergeschäft sei Thyssenkrupp zwar “gut im Markt positioniert, aber eben nicht herausragend”. Er müsse anerkennen, “dass wir bei der operativen Performance noch viel besser werden müssen”.Tatsächlich war das eher eine Beschönigung der Lage: So ergaben die addierten bereinigten Ebit-Zahlen der drei Industriegeschäfte Components Technology, Elevator Technology und Industrial Solutions für das abgelaufene Geschäftsjahr einen Wert von 808 Mill. Euro – ein Rückgang zum Vorjahr um 43 % oder absolut 600 Mill. Euro. Dennoch reagierte der Kurs der Thyssenkrupp-Aktie am Freitag mit einem Plus von zeitweise 5,5 % – wohl aus Erleichterung der Investoren über das Ausbleiben weiterer schlechter Nachrichten. Später schrumpfte das Plus auf 3,8 % (Kurs: 16,06 Euro).