Zweifel an der Diesel-Nachrüstung

Das Stuttgarter Verwaltungsgericht blickt skeptisch auf die vorgeschlagene Alternative zu Fahrverboten

Zweifel an der Diesel-Nachrüstung

Von Isabel Gomez, StuttgartDie Landesregierung Baden-Württemberg hat derzeit eine unangenehme Position zwischen den Stühlen, ist sie doch dem Wohlstand der Autoindustrie im Ländle ebenso verpflichtet wie der Gesundheit der Bewohner des Bundeslandes. Die Deutsche Umwelthilfe klagt vor dem Stuttgarter Verwaltungsgericht gegen das Land und seinen Luftreinhalteplan, der ab 1. Januar 2018 gelten soll. Bislang beinhaltet der Plan an Tagen mit hoher Emissionsbelastung in Stuttgart auch Fahrverbote für Dieselautos, die die 2015 eingeführte Abgasnorm Euro 6 nicht erfüllen. Die DUH will ein generelles, flächendeckendes Fahrverbot für alle Diesel. Ohne dieses Verbot würden die Grenzwerte für Stickstoffoxide weiter nicht eingehalten. Seit sieben Jahren wird der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft an verkehrsreichen Stellen in Stuttgart zeitweise deutlich übertroffen.Das Land brachte bei der Verhandlung der Klage am Mittwoch nun Nachrüstungen als Alternative für Verbote ins Spiel. Seit die Diesel-Zulassungszahlen im Zuge des VW-Betrugs rückläufig sind und, befeuert von Klagen der Umweltlobby DUH, Fahr- und Zulassungsverbote diskutiert werden, laufen die Drähte zwischen Automobilherstellern und den Landesregierungen ihrer Konzernsitzen heiß. Beide Seiten haben aus wirtschaftlichen Gründen kein Interesse daran, den Abschied vom Diesel durch Verbote zu beschleunigen. Sie argumentieren mit Arbeitsplätzen oder der Tatsache, dass Dieselmotoren der heutigen Generation deutlich sauberer sind als die in Rede stehenden Motorvarianten.Nicht zufällig haben BMW und Audi der bayerischen Staatsregierung kürzlich zugesagt, ältere Diesel mit einem Software-Update auf eigene Kosten nachzurüsten. Für mindestens 50 % ihrer Euro-5-Diesel-Flotte könnten die Stickoxidwerte so relevant gesenkt werden. Daimler will in einer als freiwillig bezeichneten Maßnahme drei Millionen Mercedes-Pkw nachrüsten. Also nahezu jeden Mercedes mit den Abgasnormen Euro 5 und 6. Es sind genau jene Motoren betroffen, die Berichten der “Süddeutschen Zeitung” zufolge wegen des Verdachts einer unzulässigen Abschalteinrichtung erneut vom Kraftfahrt-Bundesamt geprüft werden. Mit dem Umfang der Aktion habe Daimler die Konkurrenz “unter Zugzwang” gebracht, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters mit Verweis auf einen Wettbewerber. Die Autoindustrie und die Politik wollen sich in zwei Wochen in Berlin treffen, um das Thema Nachrüstung generell zu erörtern.Auch in der Verhandlung in Stuttgart spielen die Ankündigungen eine Rolle. Wenngleich wie auch immer geartete Beschlüsse nach dem Berliner Diesel-Gipfel für das Urteil keine Rolle mehr spielen. Dennoch bemühten die Landesvertreter die Ankündigungen als unterstützendes Argument, DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch dagegen spottete über den “mitnichten freiwilligen” Charakter der Aktion. Laut Gutachten der Landesregierung könne eine Nachrüstung der Hälfte aller Euro-5-Diesel die Stuttgarter Luft sauberer machen als Fahrverbote. Die Messwerte sollen um 9 % sinken, während andere Gutachter bei Fahrverboten von einem Rückgang um 2 bis 3 % ausgehen. Es bedürfe dazu nur fester Zusagen der Industrie zu Kostenübernahme und Wirksamkeit sowie der Politik zum rechtlichen Rahmen von Nachrüstungen. Eigentlich wird einem Fahrzeug die Zulassung entzogen, wenn die zuvor genehmigte Abgasnachbehandlung verändert wird.Für die DUH ist die Einschätzung der Landesregierung eine “Luftnummer”, die Annahme, die Hälfte aller betroffenen Diesel-Halter lasse sich auf eine Nachrüstung ein, sei unrealistisch. Auch das Gericht teilte die Zuversicht der Landesregierung nicht. Deren Einschätzung sei “von maximalem Optimismus” getragen, sagte Verwaltungsrichter Wolfgang Kern, der sich seit sieben Jahren mit der Fortschreibung des Luftreinhalteplans und seinen verfehlten Zielen beschäftigt. Das Gericht will noch im Juli entscheiden, ob der vom Land vorgelegte Reinhaltungsplan ausreichend ist. Das Urteil sollte somit zum Diesel-Gipfel vorliegen.