Christian Klein, SAP

„Nur mit europäischen Anbietern wird es nicht klappen“

SAP-Chef Christian Klein ist überzeugt, dass der Siegeszug der Cloud auch von aufsehenerregenden Cyberattacken wie Kaseya nicht gestoppt werden kann. An die Idee einer rein europäischen Cloud glaubt er aber nicht. Diese sei schon hardwareseitig nicht darstellbar.

„Nur mit europäischen Anbietern wird es nicht klappen“

Heidi Rohde und Sebastian Schmid.

Herr Klein, Sie haben, kurz nachdem Sie die Führung von SAP allein übernommen hatten, den Investoren vor rund einem Jahr schwere Kost verabreicht, indem Sie die mittelfristigen Renditeziele nach hinten geschoben haben – zugunsten eines schnelleren Wachstums in der Cloud. Wie kommt SAP voran nach dieser wegweisenden strategischen Entscheidung?

Es war eine Entscheidung von großer Tragweite, nicht nur für unsere Aktionäre, sondern auch für unsere Kunden und Mitarbeiter. Mittlerweile zeigt sich, welchen Unterschied ein Jahr macht: Das Cloud-Wachstum hat sich deutlich beschleunigt. Als CEO geht es nicht nur darum, kurzfristig in Quartalen zu denken. Wichtiger ist die langfristige Ausrichtung des Unternehmens. Gerade in der Pandemie müssen wir die unmittelbaren Herausforderungen unserer Kunden im Blick behalten. Das sind zum Beispiel vernetzte Lieferketten. Dafür ist es gut, in der Cloud zu sein. Es geht um neue datengestützte Geschäftsmodelle, die auch auf Künstlicher Intelligenz basieren. Auch dafür ist es gut, in der Cloud zu sein. Hinzu kommen verstärkte Automatisierung, neue Arbeitswelten mit cloudbasierter Interaktion. Für all das steht SAP, und deshalb mussten wir auch unser eigenes Geschäftsmodell umstellen. Das Cloud-Geschäft bringt ratierliche Einnahmen anstelle einmaliger Umsatzposten beim Lizenzverkauf. Unsere Ziele sind ambitioniert. Ich bin aber überzeugt, dass wir auch für unsere Aktionäre die richtige Entscheidung getroffen haben.

Hat die Pandemie das Cloud-Geschäft ganz konkret beflügelt bei SAP?

Wir sind angetreten, um bei unseren Kunden den Wandel in Richtung intelligenter Geschäftsmodelle voranzubringen. Die Notwendigkeit dafür hat sich in der Pandemie in vielen Branchen gezeigt. Nehmen Sie den Onlinehandel: Dieser hat in der Pandemie ganz offensichtlich einen Schub bekommen. Das gilt auch für unser E-Commerce-Geschäft, das dadurch nochmal richtig Fahrt aufgenommen hat. Auch personalisierte widerstandsfähige Lieferketten sind zum zentralen Thema für unsere Kunden geworden. Diese Herausforderung löst sich nicht allein mit einer technischen Migration in die Cloud, hier ist die Expertise von SAP gefragt. Besonders wichtig ist es für die Kunden, sich zu vernetzen und beispielsweise vorausschauend Lieferengpässe zu erkennen und alternative Lieferanten parat zu haben. Der Halbleitermarkt ist dafür aktuell ein gutes Beispiel.

Und wie läuft es mit dieser Vernetzung?

Die Plattform Catena-X ist ein Beispiel dafür, dass vernetzte Lieferketten auf einem guten Weg sind. Aber SAP steht für mehr als Vernetzung, Automatisierung und Effizienzsteigerung. Wir erweitern unsere datengestützten Anwendungen, indem wir in den Fabriken unserer Kunden auch den CO2-Fußabdruck oder den Wasserverbrauch messen. Ich bin überzeugt, dass SAP auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Industrie eine zentrale Rolle spielen wird, denn schließlich werden neun von zehn Fabriken mit unserer Software gesteuert.

Sind das die Treiber, die im nächsten Jahr zu den von Luka Mucic in Aussicht gestellten großen Sprüngen führen werden?

Mit Sicherheit! Wir sind jetzt im ersten Jahr der neuen Strategie. Zu Jahresbeginn haben wir „RISE with SAP“ vorgestellt, ein Programm, mit dem wir unseren Kunden nicht nur helfen, technisch in die Cloud zu migrieren, sondern ihnen auch die „best practices“ ihrer Branche zeigen. Mit diesem Wissen können sie ihre Abläufe anpassen und in der Cloud effizienter gestalten.

Allerdings kann sich „best practice“ in einer Branche auch ändern, zum Beispiel in der Beschaffung, wenn plötzlich Komponenten sehr wichtig werden, wo die Unternehmen als Abnehmer bisher in einer nachrangigen Rolle waren, wie dies bei Halbleitern in der Autoindustrie der Fall ist. Wie gehen Sie damit um?

Wir sehen, dass Branchen voneinander sehr viel lernen können, etwa bei Rahmenverträgen in der Beschaffung. Ein anderes Beispiel ist die Umstellung auf Subskriptionsmodelle. Die Telekommunikationsbranche kann hier eine Blaupause sein, denn sie hat dieses Modell über viele Jahre bereits optimiert. Oder nehmen Sie das Retourenmanagement im Einzelhandel, von dem etwa die Logistikbranche lernen kann. Unsere Industrieexperten tauschen sich untereinander aus und können so „best practices“ auch über verschiedene Industrien hinweg anwenden. Aus diesem Grund war Signavio so ein wichtiger Zukauf. Jetzt können wir die Daten unserer Kunden mit den anonymisierten Daten anderer Kunden vergleichen und gezielt analysieren. Solche Analysen von Echtdaten führen naturgemäß zu einer viel höheren Akzeptanz von neuen Anwendungen und Geschäftsmodellen.

Wie sieht es denn konkret mit der Akzeptanz von SAP S/4Hana Cloud aus?

SAP S/4Hana Cloud ist das Kernelement von Rise with SAP. In den ersten neun Monaten hat der Umsatz um 48% zugelegt, der vorausschauende Current Cloud Backlog sogar um 58%, was eine weitere Beschleunigung des Umsatzwachstums in den kommenden Quartalen signalisiert. Wir haben schon jetzt eine Reihe großer Verträge abgeschlossen, zum Beispiel mit Siemens Energy. Das dritte Quartal lag bereits weit über unseren Erwartungen. Immerhin sind wir erst seit rund neun Monaten mit Rise with SAP auf dem Markt.

Die Herausforderung, das eigene Geschäftsmodell in die Cloud zu heben, hat auch der Erzrivale Oracle, der für SAP nach wie vor Benchmark ist. Wo stehen Sie im Vergleich?

Wir vergleichen uns nicht nur mit Oracle, sondern auch mit Salesforce und anderen Unternehmen. Ein solches Benchmarking ist immer wichtig. Bemerkenswert ist aus unserer Sicht vor allem, dass die Neukundenrate bei SAP S/4Hana Cloud über 50% liegt. Wir überzeugen also nicht nur Stammkunden, sondern gewinnen vor allem auch viele neue Kunden und holen somit Marktanteile. Genauso zieht allerdings auch die Nachfrage bei unseren Bestandskunden an, die ja viele der Lösungen bereits als Lizenz nutzen. Wir merken, wir nehmen Fahrt auf, auch mit Blick auf das breitere Portfolio. Und nicht zuletzt folgt dann auch unser Ökosystem.

Inwiefern?

Viele unserer Kunden beginnen, die Plattform zu nutzen, um Anwendungen weiterzuentwickeln und zu modifizieren. Davon profitieren unsere Kunden, unsere Partner und natürlich wir, da sich hier gerade ein Ökosystem rund um unsere Kerngeschäftsfelder entwickelt. Daher sind wir auch sehr zuversichtlich, dass wir die Lücke zu Salesforce weiter schließen werden.

Dennoch sind digitalisierte Kundenbeziehungen, also CRM, in der Pandemie wichtiger denn je. Besteht deshalb nicht die Gefahr, dass Salesforce Ihnen dennoch davoneilt, in einem zunehmend wichtigen Wachstumssegment?

Wir sind in diesem Segment bisher organisch gewachsen, Salesforce dagegen auch durch Zukäufe. Deren Einbindung in die Gesamtarchitektur gestaltet sich für Kunden nicht immer einfach. Das gilt es zu berücksichtigen. Wir wachsen im CRM-Bereich derzeit organisch besonders stark im Handel und E-Commerce, wo wir Zukäufe wie Emarsys schon komplett in unsere Lösungen integriert haben.

SAP hat in der Vergangenheit auch öfter zugunsten von Akquisitionen abgewogen, um schneller voranzukommen. Wenn Sie die gegenwärtigen Preise am Markt für Software-Unternehmen betrachten. Wie fällt die Abwägung derzeit aus?

Wir sind in 25 Industrien unterwegs und stellen uns dabei in jeder regelmäßigen Portfoliobetrachtung die Frage: Wo sollten wir organisch vorangehen? Wo erwarten unsere Kunden eine langfristig geplante Roadmap? Wo können wir Partner-Lösungen einbinden? Denn wir können nicht alles selbst entwickeln. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach Akquisitionen. Der Kauf von Signavio ist dafür ein gutes Beispiel, denn ein Prozessmanagementsystem erwarten die Kunden direkt von SAP. Hier geht es um sensible Daten, die sie nicht an Dritte auslagern wollen. So etwas schließe ich auch für die Zukunft nicht aus. Was ich aber ausschließen kann, ist, dass wir einfach nur Umsatz zukaufen, um unser Wachstum zu halten. Das müssen wir auch nicht. Wir werden dann akquirieren, wenn es gilt, eine Lücke zu schließen, und wir sehen, dass die Kunden hier ein Angebot von SAP erwarten.

Wird das eher in übergreifenden Bereichen sein, oder stehen bestimmte Branchenlösungen im Fokus? Sie hatte gerade dabei zuletzt auch auf Partner gesetzt, zum Beispiel durch das Joint-Venture mit Dediq in der Finanzbranche…

Banken und Versicherer zählen zu unseren wichtigsten Kunden. Das Segment ist in den ersten neun Monaten stark gewachsen. Allerdings handelt es sich hierbei auch um eine stark regulierte Branche. Das heißt, Sie können eine Lösung nicht einfach so skalieren und in über 180 Länder ausrollen. Die Anforderungen sind länderspezifisch und teilweise sehr speziell. Dies erfordert hohes Fachwissen. Deshalb haben wir mit Dediq das Joint Venture SAP Fioneer gegründet. Und das Gute ist: SAP Fioneer baut auf unserer Plattform. Das ist der absolut richtige Weg. In anderen Branchen wie Handel oder Energie sind wir im eigenen Haus dagegen bestens aufgestellt und haben große Entwicklungsmannschaften.

Hat das Joint-Venture in der kurzen Zeit schon einen Meilenstein erreicht?

Wir schaffen es sehr gut, in der Branche die Synergien zu heben und zusammen mit SAP S/4Hana auch bankenspezifische Lösungen von SAP Fioneer zu verkaufen. Auch die Partner schließen sich an und wollen mit SAP Fioneer zusammenarbeiten. Das Unternehmen wächst und entwickelt sich sehr gut.

Muss SAP als global vernetztes Unternehmen nicht auch in einem anderen Bereich Lücken schließen, was Kommunikationssoftware angeht? Ihr Wettbewerber Salesforce hat da mit dem Slack-Kauf tief in die Tasche gegriffen.

Wenn Sie sich dieses Unternehmen anschauen, stellen sie fest, dass das Umsatzwachstum nicht sonderlich beeindruckend ist. Wir haben einen anderen Weg gewählt und uns mit Microsoft zusammengetan. Viele unserer Kunden nutzen beides, Microsoft Teams und SAP. Die Kombination ergibt also Sinn. Ich bin vollkommen überzeugt, dass das am Ende die bessere Lösung ist. Man muss sich immer die Frage stellen: Sollten wir das selbst anbieten oder auf eine Partnerschaft setzen? Beim Thema Kollaborationssoftware ist eine Partnerschaft für uns die bessere Wahl.

Ist das auch global der Fall, oder müsste nicht in Asien für Kollaborationssoftware ein anderer Partner her?

Das glaube ich nicht. Im Hinblick auf Asien stellen sich andere Fragen, vor allem was die Lokalisierung von Daten und die Regulierung von Geschäftsmodellen angeht. Da müssen wir derzeit auch aufgrund der geopolitischen Spannungen sehr individuelle Lösungen für unsere Kunden finden.

Gerade vor dem Hintergrund solcher Herausforderungen: Gehen Sie dennoch davon aus, dass Cloud-Lösungen bisherige On-Premise-Architekturen komplett ablösen?

Wir führen diese Debatte vor allem in Deutschland. Es wird geargwöhnt, ob die Daten in der Cloud sicher sind. Dabei wird völlig übersehen, dass Probleme im Bereich Security viel öfter bei On-Premise-Lösungen auftreten als in der Cloud. Denn gerade kleine und mittelständische Unternehmen haben oft nicht die Kompetenzen und Ressourcen, um ein tragfähiges Sicherheitskonzept abzubilden. SAP investiert hier hunderte von Millionen Euro und wir kooperieren mit den Hyperscalern, ziehen nicht nur eine Firewall hoch, sondern stellen diese permanent auf den Prüfstand, um Schwachstellen zu identifizieren und den Schutz weiter zu verbessern.

Wie viel investiert SAP im Jahr in diesem Bereich?

Wir haben das Budget in jüngster Zeit signifikant aufgestockt, Tendenz steigend, und sprechen hier von mehreren hundert Millionen Euro. Wichtig ist aber auch die Weiterbildung der Mitarbeiter. Der Faktor Mensch ist oft eine Schwachstelle der Kette. In Summe können wir jedoch festhalten: Die Cloud kann einen viel höheren Sicherheitsstandard bieten als eine eigene stationäre IT beim Kunden. Das ist in der öffentlichen Wahrnehmung noch nicht hinreichend angekommen.

Diese Wahrnehmung wird vermutlich auch geprägt durch einzelne spektakuläre Ereignisse wie die Kaseya-Attacke, wo sich Schadsoftware global wie ein Lauffeuer verbreitet hat. Wie adressiert man diese Probleme?

Das ist natürlich ein spektakulärer Einzelfall. Dennoch lassen sich viel mehr Fälle von erfolgreichen Schadsoftwareattacken bei On-Premise-Lösungen beobachten als in der Cloud.

Die Einschätzung, dass die Cloud mit Blick auf die Sicherheit überlegen ist, teilen indes nicht alle Wettbewerber. Hewlett Packard Enterprise setzt stark auf hybride Lösungen, weil der Konzern erwartet, dass Kunden mit ihren sensibelsten Daten eben nicht in die Public Cloud wollen. Wie stellt sich SAP hier auf?

Wir sehen gerade im öffentlichen Sektor einige Kunden, die ihre Software in eigenen Rechenzentren betreiben wollen. Wir bieten auch in Partnerschaft mit Hewlett Packard an, unsere Cloud-Software im Rechenzentrum des Kunden zu betreiben. Das Angebot „Cloud at Customer“ ist für Kunden, die ihre Daten im eigenen Rechenzentrum behalten, aber dabei die Vorteile der Cloud nutzen wollen. Sprich: Wir betreiben das System, wir nehmen die Upgrades vor. Das ist eine hybride Lösung zwischen Public Cloud und On Premise. Und wir glauben, dass einige Industrien weiterhin auf solche Lösungen setzen werden. Deshalb bauen wir unsere Plattform nicht nur so, dass sie cloud-to-cloud geeignet ist, sondern in hybriden Umgebungen mit On-Premise-Installationen ebenfalls funktioniert.

Die Telekom hatte dereinst auch mit Microsoft versucht, eine Private Cloud zu etablieren. Das ließ sich am Ende mangels Skalierungseffekten aber nicht profitabel darstellen und wurde lautlos beerdigt. Kann SAP das besser?

Das denke ich schon. Hier liegt nämlich genau der Vorteil von SAP, weshalb auch die Hyperscaler immer wieder auf uns zukommen und eine Partnerschaft mit uns suchen. Denn wir bringen mit unseren Applikationen die Workloads. Wenn ein Kunde eine gewisse Größe und systemkritische Anwendungen hat, ist die Public Cloud oft nicht mehr die richtige Wahl. Deswegen lohnt sich das Angebot der Private Cloud für uns in jedem Fall. Die Workloads bringen die nötige Skalierung. Infrastrukturbetreibern fehlt dieses Skalierungsmittel. Und das liefert eben SAP. Wir werden weitere Ankündigungen im Bereich Private Cloud machen. Das ist durchaus ein Geschäftsmodell, das sich Kunden von uns wünschen.

Was wächst denn schneller bei SAP – Private oder Public Cloud?

Die Public Cloud wächst erheblich schneller. Das liegt natürlich daran, dass wir deutlich mehr mittelständische Kunden haben. Und die gehen doch schon sehr schnell in Richtung Public Cloud.

Debattiert wird in Europa auch über die Abhängigkeit von den überwiegend amerikanischen Hyperscalern. Welche Chancen räumen Sie in diesem Zusammenhang einem Projekt wie Gaia-X ein?

Wir haben mit Catena-X jetzt den ersten Use Case geliefert, was mir sehr wichtig war. Hier haben wir unsere Kunden aus der Automobilindustrie zusammengebracht und bauen auf den Prinzipien von Gaia-X auf. Hier geht es ja auch um sehr sensible Daten. Mir war die Diskussion rund um Gaia-X teilweise zu theoretisch. Wenn man es mal ganz praktisch betrachtet und den technologischen Stack durchgeht, dann haben wir ganz oben auf der Applikationsebene in Europa etwa SAP. Ich denke, wir können da schon sehr viel abdecken. Die Plattform bieten wir auch, aber irgendwo unten brauchen wir Hardware. Wenn wir uns die Frage stellen, ob es einen großen Hardware-Anbieter in Europa gibt, dann lautet die Antwort eindeutig nein. Wir müssen ehrlich sein: Irgendjemand außerhalb Europas wird die Hardware bereitstellen müssen. Hier kommen dann auch die Hyperscaler ins Spiel. Wichtig ist doch, dass die Bereitstellung nach den Prinzipien erfolgt, die wir uns in Europa vorstellen. Bleiben die Daten in Europa, und falls ja, besteht Zugriff aus verschiedenen Teilen der Welt? Thema Cloud Act. Ich glaube allerdings, die Idee einer europäischen Cloud nur mit europäischen Anbietern wird nicht funktionieren.

Also braucht es Gaia-X im Prinzip nicht?

GAIA-X definiert einen hervorragenden Rahmen, nach welchen Prinzipien eine europäische Cloud am besten funktioniert. Sich die Frage zu stellen, was die Richtlinien für eine Sovereign Cloud in Europa sind, war wichtig. Die Idee einen Rahmenwerks ist natürlich perfekt. Dieses gilt es nun zu füllen. Mit Catena-X haben wir in der Automobilindustrie einen Use Case geliefert. Und es gibt noch viele weitere Branchen, wo man sich Ähnliches vorstellen kann – etwa das Gesundheitswesen oder auch die Chemie. Nach Catena-X sind bereits viele Unternehmen auf uns zugekommen und haben für ihre Industrie ähnliche Lösungen angeregt.

Neben der Sicherheitsfrage stellt sich für Cloud-Kunden in den USA, die ihre Verträge erneuern, zunehmend die Kostenfrage. Sie begeben sich ja auch in eine gewisse Abhängigkeit. Nehmen Sie da eine wachsende Sorge wahr?

Ich höre auch, dass der ein oder andere Wettbewerber sehr aggressiv beim Preis unterwegs ist, wenn der Kunde live ist und eine Vertragserneuerung ansteht. Wir verfolgen da eine andere Philosophie. Zwar wollen Kunden, die in die Cloud gehen, einen Return on Investment sehen. Allerdings vergleichen die Kunden auch ihre bisherigen Kosten mit denen in der Cloud. Und meistens rechnet sich das. Wenn es dann zur Verlängerung kommt, schauen wir natürlich auch auf die Inflationsrate. Wir prüfen aber zudem, wie sich der Wechsel in die Cloud für den Kunden gerechnet hat. Davon ist es dann auch abhängig, wie sich die Preise entwickeln. Am Ende kaufen zufriedene Kunden mehr Software. Zudem sollten die Kunden nicht aus den Augen verlieren, dass der Preis für Neuerungen in der Software in einem Cloud-Produkt inbegriffen ist, während sie bei einem On-Premise-Produkt nach ein paar Jahren auf einen Schlag kommen.

Ein großes Update verspricht auch die neue Bundesregierung mit Blick auf die Digitalisierung. Was erwarten Sie sich hier?

Der Koalitionsvertrag enthält viele gute Ideen und Ansätze. Ich schaue aber immer auch auf die Praxis, jetzt heißt es erst einmal abwarten. Wie weit kommen wir mit der Digitalisierung? Ich kann Ihnen ein paar Beispiele nennen, die das veranschaulichen. Wir haben in der Coronazeit viele Apps entwickelt. Wir haben in der Rhein-Main-Region beispielsweise eine App entwickelt, um Covid-Patienten schneller auf Intensivbetten zu verteilen. Digital lässt sich schnell sehen, wo noch freie Betten sind. Eine tolle App. Ich frage mich aber: Warum machen wir das nur für Rhein-Main und warum versucht hier praktisch jedes Bundesland das Rad neu zu erfinden? Das ist wenig sinnvoll, wenn es um das Leben von Menschen geht. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob hier eine SAP-App oder die eines anderen Anbieters im Einsatz ist. Ich würde mir eine zentrale Stelle wünschen, die zu schnelleren Entscheidungen führt. Der Föderalismus, der sicher bei einigen Themen Vorteile bietet, ist bei der Digitalisierung leider teilweise ein Bremsklotz.

An welchen Stellen?

Wenn es um eine gemeinsame Plattform, um Bürgerdienstleistungen oder die Pandemiebekämpfung geht sicherlich. Die Lernplattformen im Bildungswesen sind ein Trauerspiel. Da werden 16 unterschiedliche Versuche gestartet. Das ist nicht zielführend und zudem noch viel zu teurer. Daher befürworte ich eigentlich ein Digitalministerium, das zentral Entscheidungen treffen kann.

Das Interview führten

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