EU-Klimapaket

Angst vor den Gelbwesten

Mit ihrem „Fit for 55“-Paket hat die EU-Kommission erstmals einen konkreten Plan auf den Tisch gelegt, der den Weg in Richtung Klimaneutralität aufzeigt. Alle EU-Staaten haben sich ja jüngst zu diesem Ziel per Klimagesetz verpflichtet und zugleich...

Angst vor den Gelbwesten

Mit ihrem „Fit for 55“-Paket hat die EU-Kommission erstmals einen konkreten Plan auf den Tisch gelegt, der den Weg in Richtung Klimaneutralität aufzeigt. Alle EU-Staaten haben sich ja jüngst zu diesem Ziel per Klimagesetz verpflichtet und zugleich zugestimmt, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% zu senken. Wenn man dies wirklich ernst nimmt, dann geht an dieser industriellen Revolution, die Brüssel nun vorgeschlagen hat, kaum ein Weg vorbei. Nicht nur die Automobilindustrie wird sich dann in den kommenden 15 Jahren radikal neu erfinden müssen, sondern auch die Energiewirtschaft, die Stahl-Branche oder auch die Zementhersteller, um einige wenige zu nennen. Die grüne Transformation der Wirtschaft wird viele treffen, auch die privaten Haushalte.

Die EU-Kommission hat sich bemüht, möglichst viele Schutzmechanismen in ihr Paket einzubauen. Dies beginnt mit der geplanten Einführung einer nicht nur international umstrittenen CO2-Grenzabgabe für bestimmte Importe, die energieintensiv produziert werden. Und dies endet mit einem riesigen Klima-Sozialfonds, den die Kommission gern mit 144 Mrd. Euro gefüllt sähe. Mit dem Geld sollen dann soziale Härten der Klimapolitik abgefedert werden. Denn eines ist klar: Eine europaweite Gelbwesten-Bewegung, wie sie in Frankreich 2018 entstanden war, will in Brüssel niemand provozieren. Zur Erinnerung: Die Gilets-jaunes-Proteste waren auch erst groß geworden, als Präsident Emmanuel Macron seine Energiewende durch eine höhere Besteuerung fossiler Kraftstoffe hatte durchsetzen wollen.

Im „Fit for 55“-Paket setzt die EU-Kommission daher im Wesentlichen auf zwei Komponenten: auf eine deutlich höhere Bepreisung von Kohlenstoff – insbesondere über den Emissionshandel – und zugleich auf soziale Abfederungsinstrumente. Ob sie damit durchkommt, muss sich erst noch zeigen. Innerhalb der Brüsseler Behörde waren die neuen Vorgaben und Grenzwerte bis zum Schluss umstritten gewesen. Jetzt gilt es, eine Einigung mit dem EU-Parlament und den Mitgliedstaaten zu finden, die jeweils sehr unterschiedliche Interessen haben. Es geht hier nicht nur um die starke Industriebasis in Deutschland. Es ist auch klar, dass sich etwa einige osteuropäische Staaten ihre Teilnahme an dem Green Deal und ihre rasche Abkehr von der Kohle mit hohen finanziellen Ausgleichszahlungen vergüten lassen wollen. Im Parlament sitzen wiederum Abgeordnete, die noch viel mehr Ambitionen hegen. Das letzte Wort über den Klima-Fahrplan der EU ist damit noch nicht gesprochen.

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