KAPITALMARKT

"Auf den Ausstieg vorbereiten"

Interview mit Ekkehard Wenger

"Auf den Ausstieg vorbereiten"

Prof. Ekkehard Wenger, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Bank- und Kreditwirtschaft an der Uni WürzburgHerr Professor Wenger, vor 20 Jahren waren die New-Economy-Blase und mit ihr der Neue Markt auf dem Höhepunkt. Was haben Sie damals gedacht?Ich dachte natürlich an andere Blasen und Zusammenbrüche, die aus der Wirtschaftsgeschichte bekannt sind – die Tulpenzwiebelspekulation, die Mississippi-Blase, den Südseeschwindel und den Zusammenbruch der Assignaten. Sie haben den Neuen Markt schon frühzeitig als eine “Party für Dumme” bezeichnet. Wie kamen Sie darauf?Mitarbeiter und Studenten saßen zum Zeitpunkt angekündigter Aktien-Emissionen am Computer, um nicht die wenigen Sekunden zu verpassen, in denen man Aussicht hatte, als Zeichner zum Zuge zu kommen. Die Haffa-Brüder sind reich geworden und trotz aller Verfehlungen mit mikroskopischen Sanktionen davongekommen. Das werden die Profiteure des Neuen Marktes sicherlich gut finden, ich nicht.Hatten Sie persönlich jemals Aktien eines Neuer-Markt-Unternehmens?Ich habe einmal nachgezählt und festgestellt, dass ich von den 50 Nemax-Werten, die bei dessen Einstellung Ende 2004 den Index gebildet haben, 15 schon besessen habe; sechs davon habe ich immer noch. Allerdings habe ich 14 erst nach dem Zusammenbruch gekauft und mit diesen auch ganz gut Geld verdient. Vor dem Zusammenbruch habe ich nur einen einzigen Nemax-Titel gekauft. Immerhin existiert das Unternehmen heute noch: Adva Optical. Ich habe die betreffenden Aktien, die sich anfangs schnell verdoppelten, kurz vor Ablauf der einjährigen Haltefrist noch im Jahre 2001 verkauft, um den damals noch überschaubaren Verlust steuerlich geltend machen zu können. Das hat mich vor größeren Verlusten bewahrt, die mit einem Durchhalten bis heute verbunden gewesen wären.Was ist die wichtigste Lehre, die Anleger aus dem Hype von damals ziehen müssen?Auf dem Höhepunkt des Neuen Marktes hat man die Mär verbreitet, dass konventionelle Bewertungskennzahlen wie etwa das Kurs-Gewinn-Verhältnis ausgedient hätten und Aktien in Zukunft an ganz anderen Maßstäben gemessen würden. Spätestens dann, wenn die Leute anfangen zu glauben, dass dieses Mal alles anders ist, wird es Zeit auszusteigen. Heute sollte man sich auf den Ausstieg vorbereiten. Wenn heute die neue Normalität einer “innovativen” Geldpolitik traditionelle Auffassungen von finanzwirtschaftlicher Solidität auf den Kopf zu stellen scheint, sollten sich die Anleger fragen, warum die Gelddruckmaschine in Frankfurt ein anderes Ende nehmen soll als die Assignaten. Das Interview führte Daniel Schauber.