LEITARTIKEL

Aufseher im Porzellanladen

Alle Welt rätselt derzeit, was der künftige US-Präsident Donald Trump aus der Globalisierung machen wird. Was die Bankenregulierung angeht, wird schon die kommende Woche zeigen, wie weit es noch her ist mit weltweitem Konsens. Dann treten die...

Aufseher im Porzellanladen

Alle Welt rätselt derzeit, was der künftige US-Präsident Donald Trump aus der Globalisierung machen wird. Was die Bankenregulierung angeht, wird schon die kommende Woche zeigen, wie weit es noch her ist mit weltweitem Konsens. Dann treten die Mitglieder des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht zusammen, um ihr Regelwerk Basel III abzuschließen. Zuletzt wurde deswegen mehr Porzellan zerdeppert als zuvor seit Gründung des Gremiums 1974. Die Situation ist verfahren, die Debatte dies- und jenseits des Atlantiks läuft längst auf unterschiedlichen Ebenen.Inhaltlich schien zunächst alles klar. Vor allem wollten die Aufseher die Spielräume von Banken beim Einsatz interner Modelle zur Kalkulation des Eigenkapitalbedarfs einschränken, denn diese sind für Missbrauch anfällig, erschweren Vergleiche zwischen Banken oder taugen oft schlicht nichts. Beispiel: Der von der Deutschen Bank errechnete Kapitalbedarf für operationelle Risiken hat sich binnen zehn Jahren knapp verfünffacht und fungiert doch nur als nachlaufender Indikator für Strafzahlungen in bislang zweistelliger Milliardenhöhe. Im Geschäftsbericht 2015 gab ihn der Konzern mit rund 10 Mrd. Euro an, unter der Prämisse, dass dieser Betrag statistisch nur einmal in 5 000 Jahren nicht ausreicht – wenige Monate darauf flatterte ihm die Forderung des US-Justizministeriums über umgerechnet 13 Mrd. Euro ins Haus. Überkomplex sind die Modelle zudem: Wenn sich schon die EZB vier Jahre gönnt, um sie bei den Großbanken Eurolands zu analysieren, muss sich niemand wundern, dass Anleger ihnen nicht trauen.Der Konsens hielt so lange, bis erste Berechnungen zeigten, wie schwer die Reform bei Europas Banken, die interne Modelle besonders fleißig einsetzen, ins Kontor schlagen. Bald forderte der Verwaltungsrat des Baseler Ausschusses, dieser solle den Eigenmittelbedarf der Banken “nicht signifikant” erhöhen. Dabei war Kapitalersparnis immer ein wesentlicher Anreiz für die Einführung interner Modelle. Als die Aareal Bank 2011, weniger aus Eigeninitiative, sondern auf Betreiben der Aufsicht, vom Kreditrisiko-Standardansatz auf die fortgeschrittene Version interner Modelle umstellte, schoss ihre Kernkapitalquote um 2,4 Prozentpunkte auf 12,9 % in die Höhe. Ist es da nicht logisch, wenn der Kapitalbedarf mit Einschränkungen der Modelle wieder steigt?Um Logik aber geht es nur mehr bedingt, sondern auch um Wettbewerbspolitik. Die Aufseher in Basel haben einen Wunschzettel verfasst, sind erschrocken darüber, was damit verbunden wäre, und nun versucht die Zunft zu verhindern, was nicht sein darf: dass ihre Vorgaben Banken überfordern. Ins Risiko ist dabei BaFin-Präsident Felix Hufeld gegangen, als er sich öffentlich vor die deutsche Kreditwirtschaft stellte: Spätestens bei der nächsten Schieflage einer Bank wird man ihm vorwerfen, sich mit den Banken gemein gemacht zu haben.Das aber ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere: Man überschätzt die Agenda der USA kaum, wenn man ihnen unterstellt, den Baseler Ausschuss als strategisches Instrument zu betrachten. Banken in den USA winken mit den neuen Regeln nicht nur Vorteile, weil Basel II und seine Modellen dort nie eingeführt wurde. Sie sind auch tendenziell besser kapitalisiert als europäische Institute, weil sie einen Großteil ihrer Immobilienfinanzierungen bei den halbstaatlichen Gesellschaften Fannie und Mae und Freddie Mac abladen können. Deutsche Banken finanzieren wiederum weitaus vorsichtiger als andernorts, weil sie Finanzierungen den Beleihungs- und nicht den Marktwert zu Grunde legen. Die Ausfallquoten sprechen für sich, gerade im Vergleich zu den USA, dem Land der Subprime-Blase.Im Baseler Porzellanladen geht es auch darum, die Kapitalregeln solchen Unterschieden anzupassen. Soll die internationale Bankenaufsicht nicht vollends zersplittern, muss ein Kompromiss her. Viel wäre gewonnen, wenn der Ausschuss zwar den Spielraum für Modelle einengt, je nach Kontinent aber Freiräume in der Umsetzung der Regeln lässt – damit Gleiches und nicht Ungleiches wie die Immobilienfinanzierung gleich behandelt wird. Auf der Hand liegt, dass eine Abkehr von den Modellen großzügige Übergangsfristen erfordert. Die Aufseher könnten abwarten, bis die EZB 2019 ihre Modell-Prüfung abgeschlossen hat, um Restriktionen besser legitimieren zu können.Scheitern wird eine Einigung im Baseler Ausschuss allein an fehlendem Willen. Wer einen Kompromiss will, sollte auf ihn hinarbeiten. Die Chancen dafür stehen in der kommenden Woche vielleicht nicht gut – wohl aber besser als in den vier Jahren danach.——–Von Bernd NeubacherDer Baseler Ausschuss muss für seine Kapitalregeln einen Kompromiss finden. Die Chancen stehen vielleicht nicht gut, aber besser als in den kommenden Jahren.——-