LEITARTIKEL

Aufsichtliche Parallelwelten

Nur aus Unordnung kann etwas Vernünftiges entstehen", hat einst Jean Monnet erklärt. Wäre der französische Politiker, einer der Gründerväter der Europäischen Gemeinschaften, nicht 1979 gestorben - am Meldewesen der europäischen Banken hätte er...

Aufsichtliche Parallelwelten

Nur aus Unordnung kann etwas Vernünftiges entstehen”, hat einst Jean Monnet erklärt. Wäre der französische Politiker, einer der Gründerväter der Europäischen Gemeinschaften, nicht 1979 gestorben – am Meldewesen der europäischen Banken hätte er gewiss seine helle Freude. Wenn schon Andrea Enria, Chef der EZB-Bankenaufsicht, in einem Interview mit dem hauseigenen Newsletter konstatiert, “dass wir für mehr Vereinfachung sorgen müssen” und das momentane Aufsichtsmodell der Behörde “nicht immer einen risikobasierten Einsatz von Ressourcen ermöglicht”, dann ist Feuer unterm Dach.Fünf Jahre nach Einführung einer einheitlichen Bankenaufsicht gleicht das Meldewesen in Euroland noch immer einem schillernden Mosaik: Neben der EZB-Bankenaufsicht fordern die Aufsichtsbehörden der 19 Staaten der Eurozone Daten an, die European Banking Authority (EBA) ebenso, und mittelbar mischt auch noch der Europäische Systemrisikorat (ESRB) mit. Menge und Tiefe der Datenanforderungen haben dabei stetig zugenommen, weil die europäischen Bankenaufseher einen stärker quantitativen Ansatz als zuvor etwa die deutschen Instanzen verfolgen, aber auch, weil Aufseher niemals genug Daten haben können, erst recht nicht, wenn es gilt, sich im Wettstreit der Behörden zu behaupten – nicht zugenommen hat jedoch die Qualität der Informationen. Auf diese Weise sind aufsichtliche Parallelwelten entstanden. All dies kostet. So geben große, komplexe Banken einer Studie von Chartis Research zufolge inzwischen 22 % ihres gesamten Technologiebudgets oder durchschnittlich 550 Mill. Dollar allein für ihre Infrastruktur im Datenmanagement aus.Viel hilft aber nicht immer viel. In der Prävention von Geldwäsche ist das Nebeneinander von Behörden und Meldungen schon in die Hose gegangen, wie die jüngsten Skandale im Baltikum und in Nordeuropa im Terrain von EZB und EBA zeigen. Keineswegs zur Ehre gereicht den Aufsehern auch das Beispiel der Nord/LB, die nach ihrer Havarie auf den Schiffsmärkten nun schon seit Jahresbeginn mit einer harten Kernkapitalquote von knapp 7 % weit unterhalb ihrer aufsichtlichen Mindestanforderung schippern darf und damit nicht nur die EZB, sondern auch die EU-Bankenabwicklungsbehörde alt aussehen lässt; Stresstests hatte die Bank dem Vernehmen nach ohne große Abschläge auf ihre Schiffsportfolien gemeistert, weshalb in der Branche gespottet wird, darüber sei offenbar nach Kassenlage entschieden worden. Zu denken geben könnte es der EZB auch, wenn manche Bank ihren Stresstest nur mehr als rein regulatorisches Kostenprojekt betrachtet, das die Steuerung der Bank nicht beeinflusst.Der Etat der EZB und auch der deutschen Aufsicht BaFin hat sich binnen weniger Jahre, auch wegen neuer Aufgaben, rund verdoppelt. Wie Banken aber muss sich auch die Aufsicht die Frage nach ihrer Effizienz gefallen lassen. Seit fast fünf Jahren hegt die EZB nun schon Pläne für ein European Reporting Framework (ERF) für ein einheitliches Meldewesen, mindestens ebenso lang macht das Akronym BIRD (Banks` Integrated Reporting Dictionary) die Runde. Die Idee: Banken sollen, wie in den USA oder Österreich bereits praktiziert, Daten nicht mehr aggregiert, also sich zum Teil überschneidend und inhomogen, sondern nur noch als Rohdaten anliefern, aus denen die Aufsicht ihre Berichte letztlich selbst erstellt.Dies bringt für Banken zunächst neue Kosten mit sich, würde es allerdings ermöglichen, die Zahl der Ad-hoc- und Parallel-Abfragen sukzessive herunterzufahren und den Meldeaufwand insgesamt zu reduzieren. Mit den Meldungen der Banken zum Kreditregister Anacredit hat das System granularer Daten bereits 2018 Einzug gehalten. Die Zahl der Daten nimmt damit wahrlich nicht ab, ihre Qualität dagegen zu.Allmählich wird es Zeit, dass die EZB Nägel mit Köpfen macht. Bislang hat sie sich nicht einmal darauf festgelegt, ob sie die Banken auf das künftige Meldeformat verpflichten wird; und ihre Website zu BIRD hat sie im August nach einer Hacker-Attacke erst einmal vom Netz genommen. Dass das Engagement der Kreditwirtschaft da überschaubar bleibt, verwundert kaum: Wer seit 2015 abwartet, ist belohnt worden.Die Notenbank sollte daher endlich Standards vorgeben und den Ablauf ihrer Einführung festlegen. Und ist sie konsequent, liefert sie eine entsprechende datensichere Meldeplattform gleich mit – damit im Meldewesen doch noch etwas Vernünftiges entsteht.——Von Bernd NeubacherEs wird Zeit, dass die Europäische Zentralbank mit Blick auf die Fortentwicklung des Meldewesens Nägel mit Köpfen macht.——