BaFin sucht Zinsstreit mit Sparkassen

Aufsicht trägt Konflikt über Prämiensparverträge in die Öffentlichkeit - Allgemeinverfügung wird geprüft

BaFin sucht Zinsstreit mit Sparkassen

Im Streit um alte Prämiensparverträge setzt die Finanzaufsicht BaFin die Kreditwirtschaft unter Druck: Sie legt Geldhäusern nahe, sich mit Kunden über die Zinsänderungsregeln zu einigen, und droht mit “konkreten verwaltungsrechtlichen Optionen”. Der Sparkassenverband DSGV weist die Forderung zurück.jsc Frankfurt – Die Prämiensparverträge von etlichen Sparkassen und einigen anderen Kreditinstituten sorgen erneut für Streit: Am Mittwoch sprach sich die deutsche Finanzaufsicht BaFin dafür aus, dass Kunden auf Banken und Sparkassen zugehen sollten, um über die Zinsänderungsklauseln zu sprechen. “Wichtig ist, dass betroffene Sparer jetzt selbst aktiv auf ihre Institute zugehen und sich erläutern lassen, welche Klausel ihr Vertrag ganz konkret enthält”, erklärte Vizepräsidentin Elisabeth Roegele am Mittwoch in einer Mitteilung. Auch rät die BaFin den Kunden, sich “bei Bedarf an eine Verbraucherzentrale oder auch einen Rechtsanwalt zu wenden”, um zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen oder um etwaige Verjährungsfristen zu unterbrechen. Darüber hinaus erwägt die Behörde der Mitteilung zufolge “konkrete verwaltungsrechtliche Optionen”, um eine “ausreichende Kundeninformation” zu erreichen. Damit ist also denkbar, dass die BaFin gegen einzelne Geldhäuser vorgeht oder eine Allgemeinverfügung für die gesamte Kreditwirtschaft festlegt.Der Streit dreht sich vor allem um alte Prämiensparverträge. Gerade Sparkassen, aber auch einige andere Institute haben die Verträge seit den 90er Jahren im großen Stil aufgelegt, um Kunden langfristig zu binden. Nicht mit hohen Zinsen, sondern mit Prämienzahlungen, die von Jahr zu Jahr steigen, haben die Sparkassen auf diese Weise viele Kunden gelockt und zeitweise nach Angaben des Sparkassenverbands DSGV mehr als zwei Millionen Verträge erreicht. In den zurückliegenden Jahren haben viele Institute Altverträge im großen Stil gekündigt, die im Niedrigzinsumfeld aus Sicht der Sparkasse nicht mehr wirtschaftlich sind.Bereits die Kündigungswelle hat für Streit gesorgt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass Kreditinstitute die Verträge kündigen dürfen, sofern die höchste Prämienstufe erreicht ist (Az. XI ZR 345/18). Zuletzt rückten die Regeln für die Zinsänderungen verstärkt in den Blick: Der Bundesgerichtshof hatte aber schon 2004 entschieden, dass der variable Zinssatz nicht beliebig von einem Geldhaus festgesetzt werden darf, sondern an einen Referenzzinssatz gekoppelt sein muss (Az. XI ZR 140/03). Die BaFin hält daher fest, dass viele Altverträge unwirksame Klauseln enthielten.Dabei haben die meisten Institute laut DSGV-Chefsyndikus Olaf Langner die Regeln zur Zinsänderung an einen Referenzsatz gekoppelt und gemäß dem Urteil angepasst. Einen neuen Vertrag mit den Kunden schlossen sie dabei meist nicht. “Die Anwendung der BGH-Rechtsprechung in den Verträgen bedurfte auch keiner neuen Vereinbarung mit den Kunden”, hält der DSGV fest. “Absolut” oder “relativ”?Auch die Details der Zinsänderungsregeln sind umstritten. Der Bundesgerichtshof hat in einem ähnlichen Fall erklärt, dass die Zinsanpassung “relativ” und nicht “absolut” erfolgen sollte, also nicht Prozentpunkt für Prozentpunkt in Anlehnung an den Referenzsatz, sondern nur im gewissen Umfang (Az. XI ZR 197/09). Die BaFin hat sich in dieser Frage nicht festgelegt. Die Verbraucherzentralen wollen diesen Grundsatz auch auf Prämiensparverträge angewendet wissen. Hätten Sparkassen diese Regel befolgt, wären die Zinsen im Laufe der Jahre nicht so stark gefallen wie die Referenzwerte.Rückwirkend könnte vielen Kunden also Zinsnachzahlungen winken. Verbraucherzentralen stellen daher Musterschreiben bereit und haben mehrere Musterfeststellungsverfahren auf den Weg gebracht. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Dresden liegt der Fall nun beim Bundesgerichtshof. DSGV-Chefsyndikus Langner erklärt, der Verband wolle dieses Urteil abwarten.Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sieht die Frage bereits durch mehrere Gerichtsurteile geklärt. Sie zählt bundesweit 162 Kreditinstitute, die demnach unwirksame Klauseln verwenden. Auch einige Genossenschaftsbanken sind dabei, doch mit 144 Instituten prägen vor allem Sparkassen die Liste, darunter auch große Häuser wie die Sparkasse KölnBonn, die Berliner Sparkasse, Frankfurter Sparkasse und die Stadtsparkasse München.Die BaFin hatte bereits im Februar die Kreditwirtschaft aufgerufen, auf die Kunden zuzugehen. Im November brachte sie dann ein Gespräch mit Vertretern aus Kreditwirtschaft und Verbraucherzentralen auf den Weg, das in der vergangenen Woche keine Einigung ergab. Neben der Aufsicht verschärft daher nun auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) den Ton. “Das Verhalten der Sparkassen bei dem von der BaFin initiierten Runden Tisch hat gezeigt, dass sie an einer einvernehmlichen Lösung trotz klarer Rechtsprechung offenbar nicht interessiert sind”, erklärte gestern VZBV-Chef Klaus Müller. Er rief Kunden dazu auf, sich Musterfeststellungsklagen von Verbraucherzentralen anzuschließen.