Alternative Rückversicherung

Boom im Cat-Bond-Markt

Der Markt für Katastrophenanleihen (Cat Bonds) und andere Versicherungsverbriefungen eilt 2021 von Rekord zu Rekord. Selbst im traditionell schwachen dritten Quartal summierten sich die Neuemissionen nach Angaben des Branchendienstes Artemis auf ein Volumen von 2,6 Mrd. Dollar.

Boom im Cat-Bond-Markt

Von Antje Kullrich, Köln

Der Markt für Katastrophenanleihen (Cat Bonds) und andere Versicherungsverbriefungen eilt 2021 von Rekord zu Rekord. Selbst im traditionell schwachen dritten Quartal summierten sich die Neuemissionen nach Angaben des Branchendienstes Artemis auf ein Volumen von 2,6 Mrd. Dollar. Es war damit das stärkste dritte Quartal in der Geschichte des rund 20 Jahre alten Marktes, der als Alternative zur traditionellen Rückversicherung immer mehr aus der Nische herauswächst.

Marktteilnehmer rechnen fest damit, dass in diesem Jahr ein Rekordvolumen an Neuemissionen erreicht wird. Die Platzierungen nur von Cat Bonds dürften das alte Hoch von 12 Mrd. Dollar toppen, hatte vor wenigen Wochen zum Beispiel Silke Sehm, Vorstandsmitglied der am alternativen Risikokapitalmarkt sehr aktiven Hannover Rück, erklärt.

Die Nachfrage von Investoren ist hoch. Zentral für die Attraktivität von Cat Bonds ist die Tatsache, dass sie mit anderen Assetklassen nicht korrelieren. Stürme oder Erdbeben treten unabhängig von Finanzmarktentwicklungen auf.

Philipp Rüede, Head of Alternative Capital Partners bei der im Markt sehr aktiven Swiss Re, geht im Gespräch mit der Börsen-Zeitung von einem signifikanten Wachstum auch in Zukunft aus: „Meine Erwartung ist, dass der Cat-Bond-Markt ähnlich wie in den vergangenen Jahren um jährlich etwa 10 % zulegen wird.“

Das Gesamtvolumen an Cat Bonds und weiteren Verbriefungen (Insurance-Linked Securities, ILS) hat nach den Daten von Artemis mittlerweile die Marke von 50 Mrd. Dollar überschritten. Einen immer höheren Anteil machen daran auch Verbriefungen von Hypothekenversicherungen, sogenannte Mortgage Bonds, aus. Obwohl sie technisch wie Cat Bonds konzipiert sind, werden sie von anderen Marktbeobachtern wie Aon oder Fitch nicht mit einbezogen, da sie anders als die Naturkatastrophenrisiken durchaus mit anderen Assetklassen korrelieren.

Die Versicherungsrisiken, die an den Kapitalmarkt transferiert werden, werden immer vielfältiger. Da es am ILS-Markt vor allem um Spitzenrisiken geht –  also das obere Ende von sehr hohen Schadensummen –, dominieren nach wie vor Naturkatastrophen, die in dicht besiedelten Gebieten vor allem von Industrieländern extrem hohe Schäden anrichten können.

Einen Treiber im Markt sieht Rüede auch in der Diversifikation der Sponsoren von Cat Bonds. Neben Erst- und Rückversicherern sowie staatlichen Organisationen wie der Weltbank sichern sich immer mehr Großkonzerne oder Finanzdienstleister direkt über den Kapitalmarkt ab. So hat die Google-Mutter Alphabet im Dezember 2020 zwei Cat Bonds mit einem Volumen von gut 330 Mill. Dollar platziert, um sich gegen Schäden durch Erdbeben in Kalifornien abzusichern. Um das gleiche Risiko ging es auch bei Emissionen von Private-Equity-Investor Blackstone und des Hedgefonds Bayview, die damit Immobilien ihrer Portfolien sicherten. Gegen Wald- und Buschbrände in Kalifornien haben die Energieversorger PG&E sowie Sempra Energy am Cat-Bond-Markt Deckungen gesucht. In Zeiten generell niedriger Zinsen winken den Investoren teilweise hohe Renditen, auch wenn die Kupons zuletzt offenbar wegen der hohen Nachfrage zurückgegangen sind. Im dritten Quartal rentierten 70 % der Neuemissionen zwischen 2 und 4 %, weitere 15 % zwischen 4 und 6 % und der Rest darüber.

Ausfälle müssen einkalkuliert werden. Mit ihnen kann der Markt inzwischen gut umgehen. Nach einer Statistik von Fitch waren 2020 und in der ersten Hälfte 2021 Cat Bonds mit einem Volumen von knapp 1,7 Mrd. Dollar von Ausfällen betroffen. Die Investoren verloren im Durchschnitt die Hälfte ihres Kapitals.

Schub durch ESG

Das bremst den Markt jedoch nicht. Es tauchen im Gegenteil eine Menge weiterer potenzieller Booster für den ILS-Markt am Horizont auf. So erwartet die Ratingagentur Fitch, dass Katastrophenanleihen, die Nachhaltigkeitskriterien nach dem ESG-Muster erfüllen, der Entwicklung des Marktes nochmals einen Schub verleihen könnten.

Auch die Verbriefung von Cyberrisiken wird seit einigen Jahren von Marktteilnehmern intensiv diskutiert, doch bislang hat es keine echte Transaktion gegeben. Rüede von Swiss Re sieht noch einige Hürden, sagt jedoch: „Ich bin überzeugt, dass es Cyberanleihen geben wird, aber die Frage ist wann.“

Viele Fragen in Bezug auf die konkrete Ausgestaltung seien jedoch noch nicht geklärt. Da ist zum Beispiel das Problem einer geeigneten Definition des Ereignisses. Allein das Datum des Schadens ist schwierig zu bestimmen, bei Bonds mit definierter Laufzeit aber eine entscheidende Frage. Denn Cyberangriffe bleiben oft monatelang unentdeckt. Auch die Verfügbarkeit von Daten ist laut Rüede ein Problem, da Unternehmen ungern Hackerattacken offenlegen. So dürfte es bis zur Etablierung von Cyberbonds als neues Marktsegment noch etwa dauern.

Auch Pandemiebonds haben es nicht leicht am ILS-Markt, dürften jedoch auch zunehmen. Allerdings seien sie für Investoren grundsätzlich einen Tick unattraktiver als andere Cat Bonds, argumentiert Rüede: „Die Korrelation von Pandemiebonds mit anderen Assetklassen am Finanzmarkt ist höher, weil Pandemien per Definition global sind. Naturkata­strophen dagegen finden lokal statt.“

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