Kampf gegen Stranded Assets

BVV entwickelt Risikomodell für Klimarisiken

Ein Risikomodell misst beim Versicherungsverein für das Bankgewerbe (BVV) die Klimawirkung wirtschaftlicher Einheiten wie Immobilien in Grad Celsius. Zudem unterstützt es Immobilienmanager bei der Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels.

BVV entwickelt Risikomodell für Klimarisiken

Mit einer Messzahl Klimarisiken sichtbar machen

BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes entwickelt Risikomodell zusammen mit dem Climate Tech Right° – Auch für Objektmanager nutzbar

Von Thomas List, Frankfurt

„Wie können wir Klimarisiken möglichst einfach und verständlich messen? Wie können wir den Zielpfad für unser Portfolio im Sinne des Pariser Klimaabkommens messen?“ Das waren vor fünf Jahren die Kernfragen bei der Entwicklung der unternehmenseigenen Nachhaltigkeitsstrategie, erläutert Christian Wolf, Risikomanager beim BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Während viele andere Modelle nur jeweils einzelne Assetklassen abgebildet hätten, nahm das XDC-Modell von Right° für sich in Anspruch, zumindest grundsätzlich für alle Assetklassen anwendbar zu sein. 2020 war es allerdings noch nicht so weit.

Direkter Bezug zum 1,5-Grad-Ziel

„Das X-Degree-Compatibility-(XDC)-Modell berechnet die Klimawirkung einer wirtschaftlichen Einheit in Grad Celsius“, erläutert Right°-Gründerin und -CEO Hannah Helmke den Ansatz. Diese Zahl könne direkt auf das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens bezogen werden. „Allgemein kann man sagen: Wenn die Welt dieselbe Klimaperformance hätte wie diese Immobilie, würde sie sich um x Grad bis Ende des Jahrhunderts erwärmen. Die meisten wirtschaftlichen Einheiten stehen zwischen 2,5 und 3,5 Grad.“

Das XDC-Modell ist mit Unternehmen gestartet. „Wir haben es dann in Zusammenarbeit mit dem BVV auf Staatsanleihen und dann zusammen mit Vonovia und der GLS Bank auf Immobilien erweitert.“

Für jedes Gebäude werden die Emissionen erfasst

Im Rahmen des XDC-Modells werden für jedes Gebäude die Emissionen aus dem Gebäudebetrieb erfasst. „Diese Daten sollten zur Verfügung stehen“, sagte Helmke. Die meisten Immobilien verfügen inzwischen über Smart Meter und einen Energieausweis. „Diese Emissionen projiziert man entlang eines Business-as-usual-Szenarios in die Zukunft. Diese Emissionen werden ins Verhältnis gesetzt zu den 1,5-Grad-Pfaden, die von der Internationalen Energie-Agentur (IEA) zur Verfügung gestellt werden.“

Die Umsetzung auf Immobilien erfolgt mit dem von fünf Universitäten und Hochschulen entwickelten Carbon Risk Real Estate Monitor (CRREM). Dieser bewertet den Treibhausgasausstoß von Immobilien und zeigt Pfade zur Dekarbonisierung auf. „Unser Modell zeigt dann mit einer einzigen Grad-Celsius-Zahl, wie weit der nutzungsspezifische Pfad einer Immobilie X vom 1,5-Grad-Pfad entfernt ist.“

„Zentral ist die Datenqualität“, betont Risikomanager Wolf. Bei Immobilien geht es nur um wenige Daten: Standort (Land), Nutzungsart, Fläche in Quadratmeter und eventuell Primärenergie. „Die Gradzahlen für die einzelnen Objekte geben uns ein Gefühl für die Struktur unseres Portfolios und dessen Risiken.“ Auf dieser Basis spreche man schließlich mit den Assetmanagern. „Wir fragen dann: Hast du das Risiko gesehen? Wie gehst du damit um?“. Denn eine Immobilie mit hohem CO₂-Ausstoß laufe Gefahr, zum (wertlosen) Stranded Asset zu werden. „Um das zu vermeiden, erörtern wir zusammen mit dem Assetmanager: Was können wir tun, damit das Objekt in den richtigen Zielpfad kommt?“

Was ist am Objekt zu tun?

„Mit unserem Modell wird sofort anhand der Gradzahl erkennbar, welche objektbezogenen Maßnahmen welchen Effekt auf den Preis der Immobilie haben“, sagt Helmke. „Es wird transparent: Was kostet mehr? Die Immobilie zu lassen, wie sie ist, weil Maßnahmen zu teuer sind. Oder ist es besser, das Objekt durch effizientere Energienutzung näher an das 1,5-Grad-Ziel zu bringen und so den Wert der Immobilie zu halten oder sogar zu erhöhen?“

Das XDC-Modell zeige für jede einzelne Immobilie das Emissionsbudget im Rahmen des 1,5-Grad-Ziels. „Als Assetmanager sollte ich mich fragen: Wie halte ich dieses Budget über Umsetzung von Maßnahmen über die Zeit kostenoptimiert ein?“, so Helmke.

Für Wolf geht es um die Festlegung eines Standardsets an Maßnahmen. „Was bringen Dach- oder Fassadendämmung oder ein Wechsel der Primärenergiequelle in Bezug auf den Temperaturpfad des Objekts? Dieser Temperaturpfad ist für uns Indikator für das Risiko, dass das Objekt auch in Zukunft werthaltig ist.“

Intensive Gespräche mit Assetmanagern

Der BVV führt teilweise mit Unterstützung von Helmke seit Ende 2024 Gespräche mit seinen 10 bis 15 Immobilien-Assetmanagern. „Wir haben erklärt, warum wir die Daten überhaupt erheben und welche Aufgaben jeder Beteiligte hat“, berichtete Helmke aus diesen Gesprächen. „Entscheidend ist, dass wir zum einen Transparenz erreichen und zum anderen zeigen können, welches monetäre Risiko ich eingehe, wenn mein Immobilienbestand bei 4 Grad liegt. Ob bzw. was ich dann tue, ist eine individuelle Entscheidung.“

Wolf dringt auf einen Standard beim Ausweis von Klimarisiken. „Je nach Modell kommen sehr unterschiedliche Ergebnisse heraus. Das ist für uns als Investor ein Problem.“ Die Gradzahl aus dem XDC-Modell könnte im Factsheet jeder Immobilie stehen, skizziert Wolf die Folgen eines möglichen Branchenstandards. „Diese Gradzahl könnte ich dann einfach in meine Portfolio-Forecast-Rechnung übernehmen, ohne eigene aufwendige Berechnungen durchführen zu müssen.“

Modell soll Standard werden

Nicht überraschend zeigt sich Helmke entschlossen, mit dem eigenen Modell diesen Standard zu setzen. „Das ist unsere Mission. Unser Geschäftsmodell ist, eine einzigartige Lösung zu einem attraktiven Preis zu bieten.“ Einzigartig seien beim XDC-Modell die Asset-übergreifende Vergleichbarkeit und die Möglichkeit für den Eigentümer bzw. Manager des Assets, selbst mit dieser Methodik zu arbeiten. „Das schafft kein anderes Modell auf dem Markt“, ist Helmke überzeugt.

Mit einem Modell und einem Indikator Klimarisiken für alle Assetklassen eines Kapitalanlageportfolios erfassen – das ist das Ziel des BVV Versicherungsvereins des (privaten) Bankgewerbes. Dazu ist er 2020 eine Kooperation mit dem 2016 gegründeten Climate-Tech-Unternehmen Right° eingegangen.

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