Kapitalmarkttag

Credit Suisse bittet um Geduld

„Es gibt keine Schnellreparatur.“ Der neue Credit-Suisse-Präsident António Horta-Osório hat dem Kapitalmarkttag gleich selbst die Luft abgelassen. Statt eine Wunderstrategie vorzulegen, bat der Portugiese seine Aktionäre um Geduld.

Credit Suisse bittet um Geduld

Von Daniel Zulauf, Zürich

Credit Suisse hat auf ihrem Kapitalmarkttag keine Stricke zerrissen. Viele Investoren hatten in den vergangenen Tagen genau darauf gehofft oder vielleicht auch nur spekuliert. Weil es anders kam, ist der Credit-Suisse-Aktienkurs am Donnerstag deutlich unter die Marke von 10 sfr zurückgeglitten, die er am Montag nach der kurzfristigen Einladung zu dem Anlass mit einem großen Satz übersprungen hatte.

Nicht eindampfen oder substanziell verkleinern will der Konzern seine Investment Bank, die im Frühjahr für die atemberaubenden Milliardenverluste mit dem US-Hedgefonds Archegos verantwortlich war. Auch das Assetmanagement wird man wohl behalten. Es hatte seine besten Kunden mit großen Spezialfonds in verlustreiche, milliardenschwere An­lagen des inzwischen in Konkurs gegangenen Lieferkettenfinanzierers Greensill gelockt. Auch die Greensill-Pleite könnte Credit Suisse je nach Ergebnis der inzwischen in Gang gekommenen Rechtsstreitigkeiten mit Kunden 2 Mrd. sfr oder mehr an Entschädigungsleistungen kosten. Schließlich soll auch CEO Thomas Gottstein an Bord bleiben. Ihm lasten nicht wenige Investoren an, dass er das über 5 Mrd. Dollar teure Archegos-Debakel hätte verhindern müssen.

Stattdessen verspricht Gottstein: „Wir werden zu einer effizienteren Bank mit voraussichtlich geringerer Volatilität der Erträge werden.“ Sein Präsident scheint aber schon bei seiner Ankunft in Zürich Ende April geahnt zu haben, dass es lange dauert, bis die Anleger solche Versprechen glauben. „Ich habe sofort gewusst, dass ich eine sehr herausfordernde Aufgabe angenommen habe“, sagte Horta-Osório.

Zu verkünden hatte der Präsident am Donnerstag nichts wirklich Überraschendes. Die Bank will im Zuge ihrer neuen Strategie das im Normalfall lukrative und ertragsstabile Vermögensverwaltungsgeschäft ausbauen – wenn gerade keine Milliardenzahlungen für die rechtliche Beilegung von Steuerstreitigkeiten und anderen Fehlleistungen getätigt werden müssen. Die Division soll dafür bis 2024 ein Viertel mehr Kapital (circa 3 Mrd. sfr) erhalten, 500 neue Kundenberater engagieren und 60% mehr in Technologie investieren.

Das freizuschaufelnde Kapital für die Vermögensverwaltungseinheit soll von der Investment Bank kommen, deren Mittel um den gleichen Betrag gekürzt werden. Allerdings erfolgt auch die Redimensionierung der Investment Bank dort, wo man es erwarten konnte: Prime Brokerage, die Abteilung, die Hedgefonds wie Archegos finanziert, soll vollständig geschlossen werden. Eine Teilschließung ist schon im Frühjahr erfolgt, welche zu einem Einnahmenrückgang um 300 Mill. Dollar im laufenden Jahr führen wird. Die vollständige Schließung werde zu weiteren Einnahmenausfällen von rund 500 Mill. Dollar führen, sagte Finanzchef David Mathers. Ein Problem sieht er nicht: Man verlagere das Kapital von einem Hochvolumen- und Tiefmargengeschäft in eine ökonomisch sehr profitable Einheit, sagte er. Warum die Credit-Suisse-Manager diese einfache Rechnung nicht schon früher gemacht haben, behielten sie für sich.

Zurückgebaut wird auch die von Gottsteins Vorgänger Tidjane Thiam aufgesetzte dezentrale Organisationsstruktur. Künftig wird die Credit Suisse wieder über vier zentral gesteuerte Divisionen geführt: Vermögensverwaltung, Firmen- und Privatkunden Schweiz, Investment Bank und Assetmanagement.

Von den Veränderungen verspricht sich die Credit-Suisse-Führung eine deutlich über den Kosten liegende Steigerung der Einnahmen und damit eine markante und dauerhafte Verbesserung der Profitabilität. Originelle Pläne sehen anders aus, aber Credit Suisse hat nach den Krisen in den vergangenen 15 Jahren nicht mehr viel Gestaltungsspielraum. Tief blicken ließ Horta-Osórios Bemerkung, man habe die neue Strategie nach Prüfung aller Optionen viel schneller gefunden als erwartet.

Klar ist, dass sich die Credit Suisse über lange Zeit keine weiteren Pleiten mehr erlauben darf, wenn sie das Vertrauen der Investoren zurückgewinnen will. Die vom Präsidenten reichlich salbungsvoll vorgetragenen Versprechen, die Risiko- und Unternehmenskultur zu schärfen, bleiben ohne entsprechende Beweise leere Worte. Immerhin wissen die Anleger aber, dass die Credit Suisse durchaus ein beträchtliches Ertrags- und Ge­winnpotenzial besitzt, wenn sie unfallfrei durchkommt. Das zeigen auch die ebenfalls gestern präsentierten Neunmonatszahlen (vgl. Tabelle). Ohne Archegos hätten sie dank der Vermögensverwaltung und des Börsenbooms einen Top-Wert erreicht. Für das Schlussquartal des Jahres kündigt Credit Suisse als Folge einer Goodwill-Abschreibung in Höhe von 1,6 Mrd. sfr einen weiteren Verlust an.

Credit Suisse
Konzernzahlen nach IFRS
9 Monate
in Mill. sfr20212020
Nettoertrag1811417168
Geschäftsaufwand1282512655
Gewinn vor Steuern10643555
 bereinigt*62713514
Reingewinn4353022
Bilanzsumme805889821296
Verwalt. Vermögen (Mrd. sfr)       1623        1478
Neugeldzufluss (Mrd. sfr)         29        34
*) ohne Archegos-Verlust und andere Positionen Börsen-Zeitung