Im GesprächSergio Gago Huerta, Moody's

„Das ist das große Versprechen von Quanten-Algorithmen“

„Man muss bereit sein, wenn der ChatGPT-Moment für Quanten-Computing kommt. Denn die Wirkung wird noch viel größer sein.“ Sergio Gago von Moody’s legt im Gespräch mit der Börsen-Zeitung dar, was heute schon bei Quanten-Algorithmen geht und was bei Cybersecurity beachtet werden muss.

„Das ist das große Versprechen von Quanten-Algorithmen“

Seitdem die Finanzindustrie von den Fintechs aufgeweckt wurde, hat sich die Haltung manifestiert, dass man bei Technologie-Trends besser nicht spät dran ist. Dementsprechend aufgeschlossen sind die Institute bei Themen wie KI (künstliche Intelligenz) und Quantum Computing, versprechen diese doch Effizienzvorteile. Allerdings hätten die meisten Banken bei KI erst reagiert, als es den „ChatGPT-Moment“ gab, womit ihnen die umfangreichen Grundlagen fehlten für eine schnelle Implementierung, sagt Sergio Gago Huerta, Bereichsleiter AI und Quantum bei Moody’s, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Hausaufgaben erledigen

„Die Vorteile von KI lassen sich nur ernten, wenn man vorab einige Hausaufgaben erledigt hat, wie zum Beispiel den Rechtsrahmen für einzelne KI-Prozesse definiert zu haben.“ Moody’s hatte als Bankdienstleister und Anbieter von Risikolösungen dafür mit dem Research Assistant im Herbst eine erste Anwendung in den Markt gegeben, die zum Beispiel bei der Analyse von Kreditrisiken hilfreich sein kann.

Man muss bereit sein, wenn der ChatGPT-Moment für Quanten-Computing kommt.

Sergio Gago

Aus der KI-Erfahrung heraus legt Gago den Banken nahe, sich heute schon mit Quantenalgorithmen vertraut zu machen, auch wenn es noch Jahre dauern werde, bis echte Quantencomputer zur Verfügung stehen. „Denn die Wirkung von Quanten-Computing wird noch viel größer sein als die von KI.“

Verbrechen von morgen

Was bislang kaum jemand in Sachen Cybersecurity auf dem Zettel hat: Huerta zufolge greifen Akteure mit bösen Absichten heute schon riesige Datenmengen ab und speichern diese, um sie zu entschlüsseln, sobald sie mit Quanten-Algorithmen die Verschlüsselung knacken können. Die Herausforderung lautet also, so schnell wie möglich die Verschlüsselung zu verbessern, um das Datenverbrechen der Zukunft zu verhindern. Und da kommen Akteure wie Moody’s, die schon lange Machine Learning betreiben, mit ins Spiel für Forschung und Anwendung zum Beispiel in der Finanzindustrie.

Um im Datenschutz der Kommunikationskanäle bereit zu sein, haben Huerta und seine Mitstreiter eine Strategie der Post Quantum Cryptography (PQC) entwickelt, die den Empfehlungen des National Institute of Standards and Technology (NIST) entspricht. Diese wurde entworfen, da die gängigen Schätzungen davon ausgehen, dass zum Beispiel der verbreitete RSA-Algorithmus bis zum Jahr 2030 durch Quantenrechner gebrochen werden könnte. Moody’s habe deshalb im vergangenen Jahr zusammen mit Cloudflare und Paloalto Tests gefahren, um sich gegen künftige Quanten-Attacken zu rüsten, so Gago.

Optimierte Rechenprozesse

Positiv stimmt, dass es dem MIT zusammen mit QuEra kürzlich gelungen ist, sogenannte „logische Qubits“ fehlerfrei zu bewerkstelligen. Das eröffne den Weg zum Fault Tolerant Quantum Computing (FTQC), was über einen Fehlerkorrekturmechanismus gelingt. „Auch wenn die Quanten-Hardware noch in der Entwicklung ist, was wir heute schon benutzen können, das sind Quantum-inspirierte Algorithmen, die Dinge erlauben wie Optimierungen in Rechenprozessen durchzuführen, womit man sich Stück für Stück Quanten-Algorithmen nähert, die dann diese Fähigkeiten schneller und besser ermöglichen.“

Die Hardware-Architektur hat dabei Gago zufolge einen hybriden Charakter, sprich es finden nebeneinander Rechenprozesse auf herkömmlichen CPUs/GPUs sowie auf Quanten-Prozessoren statt, die spezielle Rechenaufgaben lösen und in der Kombination ein „upskilling“ liefern.

Um das zu nutzen, muss man sich aber mit dem ganzen Setup befassen.

Sergio Gago

„Über die Quanten-Algorithmen können nicht nur die Prozesse beschleunigt werden, man erreicht auch eine erhöhte Genauigkeit, was wir zum Beispiel schon in der Modellierung von Rezessionen oder in der Vorhersage von Extremwettereignissen einsetzen.“ Für die Banken werden Huerta zufolge Dinge möglich wie eine verfeinerte Risikokalkulation sowie eine beschleunigte Portfoliobewegung, womit sich Volatilität sehr viel besser managen lasse. „In Summe ist sehr viel möglich – und das ist das große Versprechen von Quanten-Algorithmen. Um das zu nutzen, muss man sich aber mit dem ganzen Setup befassen.“

Budgets müssen her

Das Problem: Während sich bei den Banken für den KI-Einsatz schon ein Return on Investment ergibt, ist das bei Quantum noch nicht der Fall. Dementsprechend zurückhaltend ist der Umgang mit Budgets. „KI und Quantum haben unterschiedliche Horizonte für die Monetarisierung.“

Um der internationalen Finanzindustrie einen sanften Einstieg in die Welt der Quantenalgorithmen zu ermöglichen, hat Moody’s mit der QFStudio-Plattform ein Produkt bereitgestellt, das einen Vorläufer von „Quantum-as-a-Service“ ermöglicht. Mithilfe des Partners Multiverse Computing können Kunden über ein Benchmarking gegenüber der traditionellen Lösung feststellen, welcher Zusatznutzen sich durch Quanten-Algorithmen ergibt.

Munich Quantum Valley

Sowohl für Quantumcomputing als auch für KI-Anwendungen werde Moody’s in diesem Jahr weitere Anwendungen markttauglich machen, sagt Gago. Europa bescheinigt er, in Sachen Quantum Computing gut positioniert zu sein.

Für Deutschland nennt er insbesondere das Fraunhofer-Institut als wichtigen Marktakteur in der Forschung sowie das am Max-Planck-Institut für Optoelektronik angesiedelte „Munich Quantum Valley“. Dieses schiebt Verbundprojekte für Wirtschaft und Wissenschaft an, ein Quantentechnologiepark befindet sich in Planung – aus dem dann neben der Komponentenfertigung auch Start-ups hervorgehen sollen.

IM GESPRÄCH: SERGIO GAGO HUERTA

„Das große Versprechen von Quanten-Algorithmen“

Der Tech-Spezialist von Moody’s sagt, dass man sich schon heute vor künftigen Quanten-Attacken schützen muss

Von Björn Godenrath, Frankfurt
Von Björn Godenrath, Frankfurt

Mehr als ein binärer Code

Ein Qubit ist die Basisinformationseinheit im Quantencomputing. Im Gegensatz zum klassischen binären Bit, das nur die Zustände 0 und 1 darstellt, kann ein Qubit dank des quantenmechanisch hergestellten Phänomens der Überlagerung („Superposition“) eine Kombination zweier Zustände herstellen. Damit können Informationen ganz anders verarbeitet werden. Über das sogenannte „Entanglement“ kann der Zustand eines Qubit in Abhängigkeit zu einem anderen gebracht werden, was ein exponentiell schnelleres computing ermöglicht.

Nach KI rollt mit dem Quanten-Computing der nächste große Tech-Trend auf die Finanzindustrie zu. „Über die Quanten-Algorithmen können nicht nur die Prozesse beschleunigt werden, man erreicht auch eine erhöhte Genauigkeit,“ so Sergio Gago von Moody's im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

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