Hans-Günter Henneke

„Das Problem liegt in Brüssel und Bonn“

Am Mittwoch berichtet der Sparkassen- und Giroverband für Schleswig-Holstein über Entwicklungen im Coronakrisenjahr 2020. Noch in den Knochen steckt den Beteiligten der Streit über eine Fusion, aus der die größte Sparkasse im Zweiküstenland hätte hervorgehen können – in der Rechtsform einer AG.

„Das Problem liegt in Brüssel und Bonn“

Carsten Steevens.

Herr Professor Henneke, der Deutsche Landkreistag hat im vorigen Herbst gemeinsam mit dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) einen Zusammenschluss der öffentlich-rechtlichen Förde Sparkasse und der freien Sparkasse Mittelholstein verhindert. Warum?

Dabei geht es im Kern darum, Lehren aus Fehlern der Vergangenheit zu ziehen. Und der mediale Hauptfehler lag darin, nicht zuerst mit allen Beteiligten die relevanten Fragen durchzuprüfen, sondern mit einem Paukenschlag seitens der Vorstände medial vorzupreschen. Institute sind im Übrigen nicht die Akteure, sondern als Einrichtungen ihrer Träger die Objekte von Fusionen.

Die potenziellen Fusionssparkassen und der Sparkassenverband in Kiel haben die Meinung vertreten, eine solche Fusion sei auf Basis des vorhandenen, nur in Schleswig-Holstein in dieser Ausprägung geltenden Sparkassengesetzes rechtlich möglich. Sie halten den beteiligten Akteuren vor, die rechtlichen Grundlagen fehlinterpretiert zu haben?

Sparkassenorganisationsrecht ist in allen 13 Flächenländern besonderes Kommunalrecht, das dem Land Regelungsbefugnisse nur für kommunalgetragene Sparkassen verleiht und sich gerade nicht auf das Recht der freien Sparkassen erstreckt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht bereits 1984 verbindlich und abschließend für ganz Deutschland am Beispiel des Sparkassengesetzes Schleswig-Holstein entschieden. In den anderen Flächenländern besteht mangels freier Sparkassen diese Fragestellung gar nicht.

Als kurz vor Weihnachten die Aufgabe der Fusionspläne bekannt wurde, haben Förde Sparkasse und Sparkasse Mittelholstein dem Landkreistag und dem DSGV vehemente Einflussnahmen vorgeworfen, die ihnen auch in ihrer Tonalität bisher unbekannt gewesen seien. In der emotionalisierten Atmosphäre hätten inhaltliche Argumente nicht im Fokus gestanden. Wie stehen Sie dazu?

Von Seiten des DSGV und des Deutschen Landkreistages sind ausschließlich Sachargumente vorgetragen worden, die der DSGV-Vorstand nachdrücklich und einmütig unterstützt hat und die den zuständigen Verwaltungsrat der Förde Sparkasse dazu bewogen haben, die Diskussion nicht fortzuführen. Dass die Vorstände angesichts ihres zuvor sehr offensiven Agierens enttäuscht waren, kann ich nachvollziehen. Dennoch wäre es natürlich besser gewesen, von spontanen öffentlichen Äußerungen abzusehen, aber das sollten wir jetzt nicht erneut aufwärmen.

Es gab in der Vergangenheit schon Fusionen zwischen öffentlichen und privaten Sparkassen in Schleswig-Holstein, wenn auch kleiner und aus der Not geboren. Befürchtungen, wie sie im Zusammenhang mit den Sondierungen der Förde Sparkasse und der Sparkasse Mittelholstein durch den Landkreistag geäußert wurden, haben sich danach nicht bewahrheitet.

In der Tat ist 2013 die Freie Sparkasse Bredstedt, die in eine Schieflage geraten war, in der kommunal getragenen Nospa aufgegangen. Über die Hintergründe der Fusionen Büdelsdorf 2007 und Hennstedt-Wesselburen 2017 ist mir nichts bekannt, da sich diese Sparkassen nicht in Kreisträgerschaft befanden. 2007 war die Rechtslage zumindest scheinbar diffuser, 2013 ist allerdings das Sparkassengesetz in Schleswig-Holstein so eindeutig geändert worden, dass der Gesetzgeber wörtlich ausführen konnte: „Nachdem durch die Änderung des Sparkassengesetzes vom 31. Januar 2013 das Risiko einer Privatisierung von öffentlich-rechtlichen Sparkassen beseitigt worden ist“. Daher war der 2017 herbeigeführte Rechtsformwechsel der Sparkasse Hennstedt-Wesselburen auf eine AG fehlerhaft. Aber passiert ist passiert und „Lebbe geht weiter“, wie ein bekannter Fußballtrainer einmal zutreffend formuliert hat. Das gibt aber natürlich keinesfalls das Recht zur Wiederholung.

Bis auf die Sparkassen in Hamburg und Bremen befinden sich in Deutschland alle freien Sparkassen in Schleswig-Holstein. Neben der Tatsache, dass es seit langem nur wenige Sparkassen-AGs gibt, handelte es sich im aktuellen Fall um die individuelle Konstellation zweier Institute, deren Geschäftsgebiete aneinandergrenzen. Schießt Ihre Kritik, ein Zusammenschluss der Förde Sparkasse und der Sparkasse Mittelholstein würde der schleichenden Privatisierung von Sparkassen in ganz Deutschland Vorschub leisten, nicht über das Ziel hinaus?

Keineswegs, da das Problem nicht in Rendsburg oder Kiel, sondern in Brüssel (Generaldirektion Wettbewerb) und in Bonn (Monopolkommission) beziehungsweise bei Klägern liegt. Die Sparkassenorganisation musste sich in den letzten 20 Jahren heftigster Angriffe durch Europa, aber auch durch ein Hauptgutachten der Monopolkommission erwehren. Das haben wir mit guten Gründen geschafft, da dürfen wir aber in unserer Argumentation auch nicht durch unrechtmäßige Binnenvorgänge angreifbar werden. Sonst steht mehr als die Glaubwürdigkeit der öffentlich-rechtlichen Sparkassensäule in Deutschland auf dem Spiel. Das hat mit Misstrauen gegenüber den Akteuren in Kiel und Rendsburg nichts zu tun.

Die Fusionspartner hätten in einer gemeinsamen Satzung zu Regularien für den Zusammenschluss kommen können, die Entwicklungen wie ein Eindringen privater Investoren in das öffentlich-rechtlich dominierte Sparkassenlager ausschließen. Würde auf dieser Grundlage nicht für eine ausreichende Rechtssicherheit gesorgt?

Da kann ich mich nur wiederholen: Das hatten die Akteure vor Ort letztlich gar nicht in der Hand. Zudem steht es den ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichteten Sparkassen nicht zu Gebote, private Aktionärsinteressen zu bedienen. Im Konkreten ging es also nicht nur um eine Fusion mit einer freien Sparkasse, sondern auch um die Berücksichtigung der Belange von über 1000 angeworbenen privaten Aktionären. Deren berechtigte Zielsetzungen in einer AG sind aber mit den Belangen einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse schlechterdings nicht in Einklang zu bringen.

Kommunen in Deutschland bedienen sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben seit Langem Gesellschaften mit einer privaten Rechtsform. Eine fusionierte Sparkasse mit der Rechtsform einer AG wäre also für Kommunen nichts Außergewöhnliches.

Doch, denn das Sparkassenrecht lässt dies seit dem 1930er Jahren ganz bewusst gerade nicht zu. Kommunen haben insoweit keinerlei Wahlfreiheit.

Der Kieler Oberbürgermeister hat das Scheitern der Fusionspläne bedauert.

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Wie geht es nach diesem Streit in Schleswig-Holstein weiter? Plädieren Sie für eine Novellierung des Sparkassengesetzes?

Da das Sparkassengesetz eindeutig ist, schließe ich mich im Übrigen den klugen, abgewogenen Ausführungen des neuen Kieler Sparkassenverbandspräsidenten Oliver Stolz im Interview mit der Börsen-Zeitung vom 9. April 2021 vollen Umfangs an. Das unabweisbare Scheitern steckt den Beteiligten noch in den Knochen, jetzt gilt es aber konstruktiv nach vorn zu schauen, zumal akuter Handlungsbedarf nicht besteht, denn die Förde Sparkasse und die Sparkasse Mittelholstein sind ja kerngesunde Institute.

Förde Sparkasse und Sparkasse Mittelholstein haben ihre Fu­si­onsüberlegungen mit Verweis auf die andauernde Nullzinslandschaft, die Digitalisierung und weitere Eigenkapitalanforderungen begründet. Eine Fusion hätte zu Kostenvorteilen führen können. Was schlagen Sie den Instituten nach Ihrer Blockade des Zusammenschlusses nun vor?

Um den Fortbestand dieser beiden gut geführten Häuser mache ich mir keine Sorgen. Dennoch ist die Grundfrage richtig beschrieben, so dass es andernorts neben sonstigen Maßnahmen durchaus zu weiteren Fusionen kommen wird, die aber auch als Anstalten öffentlichen Rechts Maß und Mitte bei der gebietlichen Ausdehnung benachbarter Sparkassen und dem aus kommunaler Sicht zwingenden Grundsatz der Überschaubarkeit wahren müssen. Mit dem richtigen Kompass schaffen wir das. „Wir haben so vieles geschafft. Wir schaffen auch das“, hat eine große Deutsche vor gut fünf Jahren richtig gesagt. Das gilt auch für die Sparkassen und ihre noch zu intensivierende Zusammenarbeit im Verbund.

Die Fragen stellte