Cum-ex

„Dies ist für uns kein Tax Deal“

Entscheidungsabläufe, Informationsstand und -beschaffung in der HypoVereinsbank (HVB) standen im Zentrum der Befragung von drei Zeugen im Cum-ex-Prozess gegen Hanno Berger vor dem Landgericht Wiesbaden.

„Dies ist für uns kein Tax Deal“

Von Thomas List, Wiesbaden

Entscheidungsabläufe, Informationsstand und -beschaffung in der HypoVereinsbank (HVB) standen im Zentrum der Befragung von drei Zeugen im Cum-ex-Prozess gegen Hanno Berger vor dem Landgericht Wiesbaden (Az: 6 KLs-1111 Js 18753/21). Dabei zeigte sich schnell: Um steuerliche Aspekte sollte es bei den Transaktionen nicht gehen – zumindest offiziell und in der belegbaren internen Kommunikation. In einer Mail eines HVB-Mitarbeiters hieß es: „Dies ist für uns kein Tax Deal.“ Als Bank kaufe und verkaufe man Aktien und Derivate, „mehr nicht“.

Der erste Zeuge Ahmet K. war als Kreditsachbearbeiter dafür zuständig, den Kreditantrag für den neuen Kunden Rafael Roth bzw. seiner Rafael Roth Financial Enterprises (RFE) zu erstellen. Das Kreditkomitee sollte einen revolvierenden Kredit über 500 Mill. Euro für den Kauf von Aktien und gegebenenfalls Nachschussforderungen genehmigen. Allerdings: „Wir haben uns schwergetan, die Transaktion zu verstehen“, so der Zeuge. Es habe viele Rückfragen und schwierige Gespräche gegeben. Klar war: Der Relationship-Manager B. wollte mit dem High Net Worth Individual (HNWI) Roth unbedingt ins Geschäft kommen, und zwar schnell. Denn es lockten hohe Erträge bei (angeblich) null Kreditrisiko. Eine sechsseitige Power-Point-Präsentation des Londoner HVB-Handels sollte die involvierten Parteien und die ökonomische Logik der Deals zeigen. Für Ahmet K. kristallisierte sich als „Trade Opportunity“ heraus: Die Kosten für das Hedging sind geringer als die Erträge aus der Dividendenzahlung. Roths Investmentstrategie bestand darin, Aktien in großer Zahl vor dem Dividendenstichtag zu kaufen, die Dividende zu vereinnahmen und die Aktien dann wieder zu verkaufen. Das Kursrisiko werde vollständig gehedgt, es gebe kein Risiko für die HVB. Und die steuerlichen Effekte? Waren zu keinem Zeitpunkt bekannt und erst im Nachhinein bewusst, so Ahmet K. Die doppelte Erstattung von Kapitalertragsteuern war demnach kein Thema: „Ich kann mich an kein Gespräch dazu erinnern.“

Offensichtlich unwohl fühlte sich der zweite Zeuge, Dr. Reiner K., mit den RFE-Deals. „Ich habe andere Vorstellungen gehabt“, sagte der damalige Bereichsleiter Family Offices im Wealth Management der HVB. Er wollte lieber klassische Vermögensverwaltung machen statt „Sondergeschäfte“, wie der Relationship-Manager B. sie bevorzugte. Um was es bei den Deals genau ging, will Reiner K. „zu 90%“ erst von der Staatsanwaltschaft und vom Gericht erfahren haben. Mit Dividendenstripping habe er das Thema nicht in Verbindung gebracht. Er habe (in Vernehmungen) Berechnungen gesehen, aus denen der Gewinn bereits vor dem Dividendenstichtag hervorging. „Das geht“, so seine Folgerung daraus, „nur über Kursabsprachen“. Steuerliche Aspekte seien über die Rechtsabteilung abgeklärt worden. „Es gab für mich keine Gründe, das Geschäft nicht zu machen.“ Auch für ihn galt: Von der doppelten Anrechnung von Kapitalertragsteuer „hatte ich keine Kenntnis“. Grundlage war das steuerliche Konzept von Berger, das auch andere Kunden kannten, dem in seiner Abteilung aber keiner gefolgt sei. „Sie haben auf ihren Ruf geachtet.“ Auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin erläuterte Reiner K., diese Kunden hätten „mit Steuern nix zu tun haben wollen“, sie seien einer „rein wirtschaftlichen Betrachtung“ gefolgt. Letztlich profitierte Reiner K.s Abteilung von dem Geschäft in Form einer Personalkostenerstattung von 2,5 Mill. Euro.

Der dritte Zeuge, Dr. Ulrich K., bis Ende 2007 Steuersyndikus der HVB, veranlasste im Mai 2007 die manuelle Ausstellung von Steuerbescheinigungen – eine absolut ungewöhnliche Vorgehensweise, da diese normalerweise automatisch erstellt werden. Bei den RFE-Deals seien aber die Aktien verspätet geliefert worden. „Mir wurde das als glatter Kauf dargestellt, nicht als Cum-ex-Fall.“ Er sei dieser Darstellung „auf den Leim gegangen“. Wäre zuvor bereits eine Steuerbescheinigung ausgestellt worden, so hätte sie zurückgefordert werden müssen, sagte Ulrich K.

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