BANKENAUFSICHT

"Ein überfälliger Schritt"

Bundesbank: Neue Marktrisikoregeln verbessern Transparenz im Markt - Dombret zeigt sich offen für eine etwaige "Anpassung"

"Ein überfälliger Schritt"

Die Deutsche Bundesbank verspricht sich von den neuen Marktrisikoregeln für Banken mehr Transparenz, was die Berechnung der Eigenkapitalquoten angeht. Vorstandsmitglied Andreas Dombret fordert aber “eine Anpassung der Gesamtkalibrierung”, falls die Neuerung die Gesamtkapitalanforderungen im Bankensystem deutlich steigen lassen sollte.Von Bernd Neubacher, FrankfurtFür die Deutsche Bundesbank sind die jüngst beschlossenen Vorgaben des Baseler Ausschusses zur Messung des Marktrisikos in Banken “ein überfälliger Schritt”, wie Vorstandsmitglied Andreas Dombret der Börsen-Zeitung sagt. Ab Inkrafttreten des neuen Rahmenwerks für die Marktrisikomessung im Jahr 2019 könne man davon ausgehen, “dass die Berechnung der Eigenkapitalquoten auf vergleichbare Art und Weise erfolgt und die Transparenz im Markt verbessert wird”.Im Laufe der Finanzkrise waren die bankinternen Modelle zur Risikomessung als intransparent kritisiert worden. Untersuchungen des Baseler Ausschusses hatten zudem gehörige Abweichungen in der Kapitalunterlegung ein und desselben Risikos durch verschiedene Banken zutage gefördert. Neue Regeln sollen solche Abweichungen reduzieren (siehe Bericht auf dieser Seite).In der aktuellen Diskussion um bankinterne Modelle zielten die neuen Regeln vorrangig auf eine Verbesserung der Marktrisikomessung ab, wodurch man letztlich auch die Vergleichbarkeit der Eigenkapitalanforderungen über die verschiedenen Institute hinweg fördern wolle, erläutert Dombret, Mitglied im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht. Bestehende Freiheitsgrade im aktuellen Rahmenwerk, die bislang Anreize zur Regulierungsarbitrage böten, würden damit eingeschränkt. Aus Sicht der Bundesbank sei dies “ein überfälliger Schritt”.Die neuen Regeln zur Marktrisikomessung räumen Aufsehern unter anderem die Möglichkeit ein, bankinternen Modellen einzelner Handelstische die Genehmigung zu entziehen. Banken mit starkem Kapitalmarktgeschäft befürchten bereits einschneidende Folgen und eine Verteuerung ihrer Aktivitäten. KPMG prophezeit, dass die Anzahl der interne Modelle verwendenden Banken im Zuge der Reform zurückgehen wird. Der Ausschuss betont, generell sollten die Kapitalanforderungen an die Banken im Zuge der Neuerungen nicht “signifikant” steigen.”Seien wir ehrlich: Die aktuell diskutierten Maßnahmen können durchaus zu höheren Kapitalanforderungen bei einzelnen Banken führen”, sagt Dombret. Dies sei aus Sicht der Bundesbank auch richtig, und zwar immer dann, wenn Banken hohe Risiken eingegangen seien oder Risiken trügen, die bislang modelliert wurden, aber künftig dem Standardansatz unterliegen. Ob und in welchem Maße die Überarbeitungen jedoch die Gesamtkapitalanforderungen im Bankensystem insgesamt erhöhten, werde noch in diesem Jahr im Rahmen einer quantitativen Auswirkungsstudie untersucht. Diese halte die Bundesbank aus deutscher Sicht für “wichtig und unverzichtbar”. Dombret: “Denn falls sich dabei tatsächlich ein deutlicher Anstieg über alle Banken ergeben sollte, sollte meiner Meinung nach hier noch eine Anpassung der Gesamtkalibrierung erfolgen.” Wie eine erste Auswirkungsstudie des Baseler Ausschusses ergeben hat, wird der Eigenkapitalbedarf zur Abdeckung von Marktrisiken der Banken im Zuge der Reform im Median um etwa 22 % und im gewichteten Durchschnitt um 40 % steigen. Der Anteil der Marktrisiken an den gesamten Risikogewichten der Banken dürfte sich damit von derzeit 6 % auf knapp 10 % erhöhen. Von der Ausnahme zur RegelDombret stellt klar, dass zwar die verbindlichen Mindestkapitalanforderungen nach Säule I des Baseler Eigenkapitalakkords für den Bankensektor als Ganzes im Zuge der Baseler Reformen nicht signifikant steigen sollten. Gleichwohl aber werde bis 2019 die schrittweise Einführung der kombinierten Pufferanforderungen, etwa des Kapitalerhaltungspuffers, höhere Kapitalanforderungen nach sich ziehen, erklärt er. Zudem sei zu erwarten, dass bankindividuelle Kapitalzuschläge im Zuge des aufsichtlichen Überprüfungs- und Beurteilungsprozesses (SREP) “nicht mehr die Ausnahme darstellen, sondern die Regel werden”. So müsse im aktuellen Niedrigzinsumfeld insbesondere das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch, das nicht Bestandteil von Säule I sei, verstärkt überwacht und bei Bedarf mit zusätzlichem Kapital unterlegt werden. “Es ist schlicht falsch”Für Dombret ist es nun “richtig und wichtig”, dass der Baseler Ausschuss “das Basel-III-Paket bis Ende 2016 finalisiert”. Bis dahin könne von einem Ende der Regulierung noch keine Rede sein. Zugleich tritt das Bundesbank-Vorstandsmitglied indes dem Eindruck entgegen, der Baseler Ausschuss arbeite insgeheim bereits an einem nächsten Regelwerk “Basel IV”. Dombret: “Je öfter wiederholt wird, Basel IV stehe vor der Tür, umso richtiger wird dies damit nicht; es ist schlicht falsch und irreführend.”Überarbeitet werden müssen seiner Einschätzung nach allerdings noch die regulatorischen Vorgaben zur Behandlung von Staatsanleihen. Der Bundesbank sei eine Entprivilegierung dieser Risikopositionen sehr wichtig, erklärt Dombret. Entscheidend sei, dass künftig die Risiken auch solcher Engagements der Banken angemessen regulatorisch behandelt würden. “Sollten wir hier bis zum Jahresende nicht zu einem abschließenden Ergebnis gelangen, halte ich in diesem speziellen Fall eine Überarbeitung der Regularien auch nach dem Jahresende 2016 für angemessen”, meint er.”Unbedingt noch in diesem Jahr” sollten die laufenden Analysen zu den Auswirkungen der Leverage Ratio abgeschlossen werden, damit die Banken ausreichend Zeit haben, sich bis zu ihrer Einführung im Jahr 2018 auf die neuen Anforderungen vorzubereiten. Der Ausschuss hat jüngst die Marke von 3 % zum Minimum erklärt, allerdings will er Zusatzanforderungen für global systemrelevante Banken prüfen.Eine solche Zweiteilung könnte gerechtfertigt sein, um die relative Bindungswirkung des Instruments über alle Banken hinweg zu vereinheitlichen, ganz gleich, ob eine Bank als global systemrelevant eingestuft wird oder nicht, argumentiert Dombret. Da global systemrelevante Institute einen Kapitalzuschlag vorhalten müssten, wäre die Bindungswirkung der Leverage Ratio für diese Institute geringer, sofern hier nicht unterschieden würde. Derzeit sei aber noch nicht absehbar, welches Niveau die Leverage Ratio tatsächlich haben werde. Auch sei offen, ob es eine Differenzierung für global systemrelevante Banken geben und wie hoch diese gegebenenfalls ausfallen werde. Die Diskussionen seien “in vollem Gange”. Welches Niveau er für sinnvoll hält? In dieser Frage will sich Dombret fürs Erste nicht in die Karten schauen lassen: “Ich denke, es ist verfrüht, sich vor Abschluss der laufenden Untersuchungen auf eine angemessene Höhe der Verschuldungsquote oder eventueller Zuschläge festzulegen.” Am Ende dieses Jahres werde man mehr wissen.