Im InterviewChristoph Ochs, Verbandsratsvorsitzender des Genoverbands

„Es ist nichts Belastbares übrig geblieben“

Der neue Chefkontrolleur des Genoverbands, Christoph Ochs, sieht die Querelen der vergangenen Monate als abgeschlossen und den zurückgetretenen Vorstandschef Ingmar Rega als rehabilitiert an. Mit der am Dienstag verkündeten Berufung von cccccccccccccccccc ccccc ist auch der Vorstand nun wieder komplett.

„Es ist nichts Belastbares übrig geblieben“

Im Interview: Christoph Ochs

„Es ist nichts Belastbares übrig geblieben“

Neuer Verbandsratsvorsitzender des Genoverbands über die Aufarbeitung der Vorwürfe gegen Ex-Vorstandschef Rega, über seine Pläne und mögliche Fusionen

Der neue Chefkontrolleur des Genoverbands, Christoph Ochs, sieht die Querelen der vergangenen Monate als abgeschlossen und den zurückgetretenen Vorstandschef Ingmar Rega als rehabilitiert an. Mit der am Dienstag verkündeten Berufung von cccccccccccccccccc ccccc ist auch der Vorstand nun wieder komplett. Für potenzielle Fusionsgespräche mit anderen genossenschaftlichen Verbänden zeigt sich Ochs offen, am Ausbau der Bankenberatung hält er fest.

Herr Ochs, Sie sind seit 24. März Verbandsratsvorsitzender des Genoverbandes, also oberster Aufseher. Zu Ihren ersten Amtshandlungen gehörte, die abgeschlossenen Untersuchungen zu den Querelen im Verband in Augenschein zu nehmen. Was sind die wichtigsten Erkenntnisse des Berichts?

Im Januar haben die Verbandsratsmitglieder ein etwa 100 Seiten fassendes Dossier erhalten, das auch Vorwürfe über angebliche Verstöße gegen Governance und Compliance enthielt. Belastet wurden einzelne Mitglieder des Vorstandes und Verbandsrates sowie leitende Angestellte des Verbandes. Wir wollten jeden einzelnen Vorwurf von außen lückenlos aufklären lassen und bis zum Abschluss der Prüfung keine Wasserstandsmeldungen abgeben. Das war komplex und hat viel Zeit in Anspruch genommen. Nun ist klar: Es ist nichts Belastbares übrig geblieben.

Welche Kanzlei war das?

Wir als Verbandsrat haben die Rechtsanwaltskanzlei Grüter beauftragt.

Warum ist der frühere Vorstandsvorsitzende Ingmar Rega zurückgetreten, wenn ihm nichts vorzuwerfen ist?

Ich will deutlich sagen: Es ist wirklich nichts an Herrn Rega hängengeblieben. Nichts von den Dingen, die ihn betrafen, haben in irgendeiner Weise zugetroffen. Das war eine persönliche Entscheidung von Herrn Rega. Er hat gesagt, er möchte das Amt niederlegen und aus dem Vorstand ausscheiden. Wir haben dies bedauert, denn Rega hat den Verband über Jahre stark geprägt, auch ein Stück weit in eine andere Richtung entwickelt und unternehmerischer aufgestellt. Doch seine Entscheidung, das Amt niederzulegen, haben wir zu respektieren.

Er ist also rehabilitiert?

Absolut.

Als Verfasser des mit Vorwürfen gespickten Dossiers und Auslöser des Wirbels gilt der frühere Geschäftsführer der Awado Bankenberatung, Thomas Stegmüller. Wollen Sie sich zu ihm äußern?

Ich glaube, es bringt nichts, da ins Detail zu gehen. Es gilt ja, Persönlichkeitsrechte zu wahren. Wie gesagt, es gab ein relativ umfangreiches Dossier, mit dem wir uns in allen Einzelheiten beschäftigt haben. Wer nun was wo gesagt hat, dazu werde ich nicht Stellung nehmen. Für uns ist das Thema jetzt abgeschlossen. Und die entscheidende Erkenntnis ist, dass sich diese Vorwürfe eben nicht erhärtet haben.

Wie ist denn die Stimmung? In der genossenschaftlichen Finanzgruppe war eine Unruhe zu spüren und die Sorge, wie es weitergeht mit dem Genoverband.

Natürlich ist eine Unruhe da gewesen, da braucht man nicht drumrum zu reden. Ich habe jedoch in den vergangenen Wochen den Eindruck gewonnen, dass es schon viel ruhiger geworden ist. Wir wollten bis zum Verbandstag, dem höchsten Organ des Verbandes, alles erledigt haben, und das kriegen wir hin. Ich glaube, dass die genossenschaftliche Gruppe sich schnell wieder beruhigt und zum Alltag übergeht. Spätestens dann, wenn wir darlegen, dass die Vorwürfe, die im Raum standen, haltlos sind.

Das Führungsvakuum wäre damit beendet?

Wir hatten kein Führungsvakuum. Wir haben ja einen funktionierenden Vorstand mit Peter Götz, Katja Lewalter-Düssel und Marco Schulz, die den Verband führen.

Mit dem nun nominierten YYYYYYYYYYY YYYYYYY als viertem Mitglied ist der Vorstand jedenfalls wieder komplett.

Ja. YYYYYYYYYYY ist in der genossenschaftlichen Familie bekannt, bringt das entsprechende Verständnis für die genossenschaftlichen Primärinstitute mit, kennt unsere Philosophie und hat Unternehmergeist. Auch passt YYY menschlich gut in das Vorstandsteam hinein. Ich glaube, das wird sehr gut funktionieren.

Ist absehbar, welchen Einfluss die ganze Unruhe auf Ihre Geschäfte hat?

Wir sind auch in dieses Jahr gut gestartet. Die Vorfälle im Haus haben uns natürlich beschäftigt, aber es hat nicht den Verband oder die Awado-Gruppe lahmgelegt, wie manchmal suggeriert wurde.

Im genossenschaftlichen Finanzsektor sind kritische Stimmen zu vernehmen, weil Institute, die von der Sicherungseinrichtung des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken gestützt werden müssen, vom Genoverband geprüft wurden. Das betrifft etwa die Raiffeisenbank im Hochtaunus. Warum ist nicht aufgefallen, welche Risiken in dem Institut schlummern?

Zunächst mal hat Marija Kolak, die Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, gesagt, dass wir keine überbordenden Risiken in unserer Gruppe haben. Das würde ich unterschreiben. Wenn eine Bank gestützt werden muss, geht das heutzutage auch etwas medienwirksamer zu, als es früher der Fall war. Ich kann mich an die Jahre erinnern, in denen wir wesentlich mehr Sanierungsbanken hatten. Im Übrigen unterliegt der Genoverband den berufsständischen Verschwiegenheitsverpflichtungen und wird zu einzelnen Instituten gegenüber der Öffentlichkeit nie Stellung nehmen.

Allerdings ist ja verständlich, dass sich viele fragen, wieso das gerade bei den Genossen passiert. Die Zahl der Institute, die aufgefangen wurden, ist auf vier gestiegen und das mögliche Finanzloch auf etwa 1,2 Mrd. Euro. Allein die VR-Bank Bad Salzungen Schmalkalden hatte anfangs einen potenziellen Bedarf an Garantien und Zuschüssen von 280 Mill. Euro, und jetzt ist der doppelt so hoch. 

Grundsätzlich gilt: Wenn man eine Bank saniert, dann geht man natürlich sehr vorsichtig vor und überbewertet auch Risiken. Viel Risikovorsorge wird demnach wieder aufgelöst. Deswegen sollte man sich nicht von den kolportierten Zahlen blenden lassen. Ich glaube nicht, dass am Ende die Verluste so hoch sind. Aber selbst wenn es so wäre, könnte die Gruppe das aushalten. Wir haben zum Teil einseitige Geschäftsmodelle, die natürlich bei Marktveränderungen auch in Schwierigkeiten geraten können. Aber die Sicherungseinrichtung kann eben im Zweifel einstehen und Institute retten. Dass wir aus jedem Fall lernen müssen und dass wir vielleicht auch nicht immer alles in der jeweiligen Situation richtig einschätzen und im Nachhinein Dinge vielleicht anderes beurteilt hätten, ist klar. Ich glaube aber nicht, dass wir ein strukturelles Problem in der genossenschaftlichen Familie haben. Die ist sehr stabil.

Müssen Sie dennoch nicht genauer hinschauen, insbesondere auf die Governance?

Selbstverständlich. Governance ist ja auch ein Teil der Prüfungen, und es ist Aufgabe des Aufsichtsrates jeder einzelnen Bank, sich mit der Frage der Qualität des Vorstands zu beschäftigen. Auch der Genoverband schaut in seinen Prüfungen hin und spricht darüber mit den Aufsichtsräten.

Welche Lehren ziehen Sie denn aus diesen Sanierungsfällen und den Turbulenzen, die daraus entstanden sind? Was heißt das konkret für Ihre Prüfungen?

Für die Prüfungen bedeutet es, zu schauen, ob die Dinge und Fehler, die festgestellt wurden, möglicherweise auch in anderen Instituten auftreten könnten. Das Thema Management-Prüfung steht auch immer auf der Agenda einer gesetzlichen Prüfung. Zudem besteht ein enger Austausch mit der BaFin und der Bundesbank, die den Prüfungsverbänden sagen, welche Prüfungsschwerpunkte sie gerne hätten.

Werden Sie Änderungen an der geschäftlichen Ausrichtung des Genoverbandes vornehmen oder die bisherige Linie weiter verfolgen?

Zunächst einmal hat der Genoverband als genossenschaftlicher Prüfverband eine gesetzliche Aufgabe, die klar definiert ist, da gibt es keine große Diskussion. Das ist die gesetzliche Prüfung, die wir in einem bestimmten Umfang machen müssen. Im Mittelpunkt unserer Daseinsberechtigung als Genoverband steht die Mitgliederorientierung. Darüber hinaus gilt es, sich an den Bedürfnissen der Kunden auszurichten. Uns ist dabei wichtig, dass die Verbandsfamilie unternehmerisch agiert, also das, was sie tut, wirtschaftlich sinnvoll ist. Gewinnmaximierung ist jedoch nicht unser Ziel.

Ex-Vorstandschef Rega und Ihr Vorgänger Peter Hanker sind einen starken Wachstumskurs gefahren. Halten Sie daran fest?

Wir bieten die Leistungen an, die unsere Mitglieder erwarten und brauchen. Wir haben nicht das Ziel, eine bestimmte Zahl von Mitarbeitern zu haben oder ein bestimmtes Umsatzvolumen. Es steht aber außer Frage, dass man bestimmte Dinge nur dann effizient erledigen kann, wenn man eine bestimmte Größe hat. Und wir sind auch durchaus interessiert daran, mit anderen Verbänden Kooperationen einzugehen.

Zum Beispiel?

Wir haben eine sehr erfolgreiche Kooperation mit dem baden-württembergischen Genossenschaftsverband, die gemeinsame Bildungseinrichtung Geno Akademie. Es ergibt eben Sinn, die Kräfte zu bündeln. Ein großes Thema, das mir persönlich auf der Seele brennt, ist Prüfungssoftware. Eigentlich alle Prüfungsverbände denken über eine Weiterentwicklung ihrer Prüfungssoftware nach, um auch künstliche Intelligenz einsetzen zu können. Für mich ist klar, und dieser Auffassung sind auch die Genossenschaftsverbände in Bayern und Baden-Württemberg, dass es sinnvoll ist, hier gemeinsam vorzugehen. Warum soll jeder Verband eine eigene Prüfungssoftware entwickeln und dreimal Kosten anfallen? Und hier und da wird es auch noch einen Zusammenschluss geben, denn es gibt noch kleinere Prüfungsverbände, die vielleicht Anschluss suchen. Da sind wir offen.

Wenn Sie von möglichen Fusionen mit kleineren Verbänden sprechen, meinen Sie sicherlich den Genossenschaftsverband Weser-Ems.

Grundsätzlich gilt ja: Eine Heirat erfordert immer beidseitige Zustimmung. Wenn jemand mit uns spricht, können wir uns vorstellen zu fusionieren. Aber wir haben uns jetzt nicht das Ziel vorgenommen, mit Weser-Ems zu fusionieren oder mit dem Genossenschaftsverband Bayern. Wenn die Zeit reif ist und die Beteiligten, also die Mitglieder, so entscheiden, sind wir gesprächsbereit.

Wie sind die Zahlen des Verbandes für 2024 ausgefallen?

Sie werden erst noch veröffentlicht, aber eines sei gesagt: Es war ein sehr erfolgreiches Jahr für unser Haus. Wir haben in allen Bereichen, mit Ausnahme des Consulting-Geschäfts, die Planzahlen mindestens erreicht.

Wie hoch fiel das Defizit in diesem Beratungssektor denn aus?

Es war ein Defizit, das wir einkalkuliert hatten, weil wir investiert haben. Den Gehaltskosten standen ja noch keine oder nur wenige Umsätze gegenüber. Der Vorstand hat sich mit Billigung des Verbandsrates dazu entschieden, sich ein Team von Leuten zu suchen, die in der Summe Fähigkeiten für komplexe Beratungen von Banken haben. Solch ein Team haben wir gefunden, es hat bei uns angefangen und ist auch noch da, mal abgesehen von Herrn Stegmüller. Mit dieser strategischen Entscheidung war ja klar, dass wir zunächst einmal defizitär sein würden. Denn vom Moment der Auftragserteilung bis zum fakturierbaren Umsatz geht naturgemäß einige Zeit ins Land.

Wie viele Menschen arbeiten aktuell in der Bankenberatung?

Wir haben in etwa 50 Leute. Mehr als die Hälfte des Teams ist neu. In diesem Jahr werden wir uns in der Bankenberatung schon in Richtung der Null bewegen und im nächsten Jahr, so planen wir, ein positives Ergebnis erwirtschaften. Das ist unser Ziel gewesen, auch wenn wir uns vielleicht gewünscht hätten, dass es ein bisschen schneller geht. Natürlich haben uns die Turbulenzen im Verband nicht gerade geholfen, denn manche Banken haben erst einmal abgewartet, wie es bei uns weitergeht. Es ist aber nichts Existenzielles und betrifft auch nicht die ganze Awado-Gruppe, die ja mehr als Bankenberatung umfasst, zum Beispiel Wirtschaftsprüfung und Steuer-, Rechts- und Kommunikationsberatung, die alle sehr erfolgreich laufen. Am Genoverband mit 2.500 Beschäftigten hat die sich im Aufbau befindliche Bankenberatung also nur einen sehr kleinen Anteil.

Sie bauen die Bankenberatung also weiter auf. Welche Ziele haben Sie vor Augen?

Unsere Kenngröße ist nicht etwa, auf 100 Leute zu kommen oder auf 150. Wir wollen die Bedarfe unserer Mitglieder abdecken und erleben eine Zeit starker Veränderungen für die Banken. Sie brauchen Unterstützung an unterschiedlichster Stelle. Zum Beispiel werden im Zuge von Fusionen sehr häufig Beratungsunternehmen beauftragt, und da möchten wir das bestehende Strategieberatungsangebot vertiefen.

Wo besteht darüber hinaus Beratungsbedarf?

Bei den gesetzlichen und regulatorischen Veränderungen, zum Beispiel bei der Umsetzung von Dora, der EU-Verordnung zur Stärkung der IT-Sicherheit von Banken. Uns geht es nicht darum, besonders viele Mitarbeiter zu haben, sondern wir wollen den Bedarf decken und verhindern, dass zu viele Kenntnisse über die genossenschaftliche Familie abfließen. Denn wenn ein externes Beratungsunternehmen in Anspruch genommen wird, verlässt auch immer Wissen das Haus. Schließlich müssen sie es ja schon ein bisschen in den Maschinenraum schauen lassen, wenn es gut arbeiten soll. Wir streben deshalb an, mehr Beratungsleistungen in der Gruppe zu halten.

Der Ausbau des Beratungsgeschäfts, den Herr Rega angestoßen hat, war einigen Mitgliedern Ihres Verbandes zu forsch. Dass aus einer Hand Wirtschaftsprüfung und Beratung angeboten werden, stieß nicht überall auf Wohlgefallen.

Es wurde ja nicht aus einer Hand angeboten, sondern es gab schon eine Trennung. Und die muss es auch geben. Wir haben am Anfang einer Prüfung immer zu dokumentieren, dass der Prüfer keine anderen Leistungen für das gleiche Haus erbringt. Hier wird also im Verband deutlich getrennt. Außerdem gehe ich davon aus, dass wir weit entfernt davon sind, dass unsere selbstbewussten Genossen Angst haben, der Verband könne sie zu irgendetwas zwingen. Im Übrigen darf es keine direkte Verbindung geben, die von in einer Prüfung festgestellten Mängeln zur Beratung führt. Ich weiß, dass die Vorstände sehr darauf achten, dass das nicht passiert. Zudem wäre es berufsrechtlich sehr, sehr kritisch zu bewerten.

Das Interview führte Tobias Fischer.


Zur Person

Seit bald drei Monaten leitet Christoph Ochs den Verbandsrat des Genoverbandes, wo er Peter Hanker ablöste. Dem Aufsichtsorgan des Verbandes, der 2.600 Genossenschaften vertritt, darunter rund 300 Kreditgenossenschaften, gehören insgesamt 28 Vertreter an. Ochs ist seit 2023 Mitglied des Verbandsrats und saß auch in der Prüfungskommission. Im genossenschaftlichen Verbund nimmt er weitere Mandate ein, so etwa seit 2014 als Aufsichtsratsvorsitzender der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main.

Der 57-Jährige bezeichnet sich selbst als ein Urgestein des Genossenschaftswesens, ist er doch fast sein gesamtes Berufsleben, nämlich seit 37 Jahren, dort tätig – mit Ausnahme von einem Jahr, in dem es ihn zu einer Privatbank verschlagen hatte. Ochs war seit seinem 34. Lebensjahr an Vorstandsmitglied, zunächst bei der Volksbank Eifel Mitte, später bei der VR Bank Südpfalz. Seit 2009 führt er das Institut mit Sitz in Landau in der Pfalz an.

Ochs ist Vater von drei erwachsenen Töchtern und lebt in einem Winzerdorf nahe Landau. Wenn es seine knappe Zeit erlaubt, spielt er Golf oder unternimmt Touren mit seinem Oldtimer.