„Es kommt auf das richtige Maß an Information an“
Im Gespräch: René Repasi und Helge Lach
„Es kommt auf das richtige Maß an Information an“
Der SPD-Europaabgeordnete und der Vorsitzende des Vermögensberaterverbands diskutieren über die geplanten EU-Regeln für Kleinanleger
René Repasi und Helge Lach haben sich auf Einladung der Börsen-Zeitung im EU-Parlament zur Debatte über die Retail Investment Strategy der EU getroffen, die dort gerade verhandelt wird. Über einzelne Punkte sind sie sich durchaus einig. Aber im Gespräch werden auch überaus unterschiedliche Positionen offenbar, etwa in Bezug auf ein Provisionsverbot.
Von Detlef Fechtner, Brüssel
„Der zentrale Punkt ist Transparenz“, sagt der SPD-Europaabgeordnete René Repasi und stellt damit klar, worauf es ihm bei den EU-Kleinanlegerregeln ankommt. Ein Kernthema dieser „Retail Investment Strategy" sind Vorgaben für die Beratung von privaten Kapitalanlegern. Es sei wichtig, dass Verbraucher gute und passende Beratung erhalten. Das bedeute „auch Kosten, denn dahinter steckt Aufwand, der eine gute Entlohnung verdient“, argumentiert der Vorsitzende der SPD-Gruppe im EU-Parlament. „Aber der Verbraucher muss über die Kosten aufgeklärt werden.“
Transparenz der Kosten
Helge Lach, Vorsitzender des Bundesverbands deutscher Vermögensberater und Vorstand der Deutschen Vermögensberatung DVAG, stimmt zwar zu, dass Kosten immer transparent gemacht werden sollten. „Aber sie dürfen nicht das Hauptkriterium bei der Anlageentscheidung sein.“ Lach erkennt in der „Retail Investment Strategy“ eine Konzentration auf die Kosten, die er für falsch halte. „Deren Logik lautet: Die Kosten müssen möglichst niedrig sein, damit der Kunde eine angemessene Rendite erhält.“ Dabei sei nachweisbar, dass die Kapitalmarktrendite viel stärker als die Kosten den Erfolg einer Anlageentscheidung bestimme. Sozialdemokrat Repasi ist zwar ebenfalls der Auffassung, dass die Kapitalmarktentwicklung der Hauptfaktor für die Rendite sei. „Aber da nicht voraussagbar ist, wie sich die Kapitalmärkte entwickeln, kann es sein, dass hohe Kosten langfristig die Rendite auffressen.“ Deshalb sei es wichtig, gegenüber dem Kunden klarzustellen, wie hoch die Kosten seien und welche Gegenleistungen er dafür erhalte. Dabei sei entscheidend, wie umfangreich informiert werde. In Brüssel gibt es nach der Wahrnehmung von Repasi den Glauben: Je mehr Informationen der Verbraucher bekommt, desto bessere Entscheidungen trifft er. „Das wage ich zu bezweifeln“, erklärt der Europaabgeordnete. Verbraucher verarbeiteten immer weniger Informationen. Die größte Lebenslüge sei: Ja, ich habe die Geschäftsbedingungen gelesen und verstanden. „Es kommt auf das richtige Maß an Information an, das tatsächlich dem Verbraucher einen Mehrwert bietet“, so Repasi. Im Falle der Kleinanlegerregeln sei es „nicht gut gelungen, dieses richtige Maß zu finden."
Zankapfel Provisionsverbot
Besonders konträr sind die Positionen von Repasi und Lach beim Provisionsverbot. Die EU-Kommission hatte ursprünglich ein Verbot von Zuwendungen zumindest für beratungsfreie Geschäfte (execution only) vorgeschlagen. Dieses Verbot ist in den aktuellen Fassungen, die zwischen EU-Parlament und Rat verhandelt werden, nicht mehr enthalten. „Ich halte es aber für sinnvoll“, merkt Repasi an. Zwar seien absichtliche Fehlberatungen selten. Aber: Viele Kleinanleger befürchteten subjektiv, in ein bestimmtes Produkt nur deshalb gesteuert zu werden, weil Berater dafür Provisionen erhalten. Diese Sorge könnte ihnen ein Verbot nehmen.
Lach ist dezidiert anderer Ansicht: „Ich halte ein Provisionsverbot für überhaupt nicht sinnvoll und zielführend.“ Allenfalls in Ausnahmefällen würden Kunden aus Provisionssicht in eine Richtung getrieben, die eigentlich nicht sinnvoll sei. Die Alternative zur Provisionsberatung sei bekanntermaßen die Honorarberatung. „Ein Honorar wird wiederum den ohnehin passiven Privatkunden noch zusätzlich abschrecken, sich mit einem Investment in Kapitalmarktprodukte zu befassen.“ In Großbritannien kriegten Verbraucher, die weniger als 100.000 britische Pfund anlegen wollen, kaum mehr Beratung. „Insofern ist für mich das Vereinigte Königreich eigentlich der Gegenbeweis für alle, die behaupten, dass Honorarberatung funktioniert“, betont Lach. Repasi hält dagegen: Es sei doch bemerkenswert, dass in Ländern, die Provisionen verboten haben, „die durchschnittliche Rendite der Kleinanleger im selben Zeitraum wohl besser und der Anteil der Verbraucherinnen und Verbraucher, die in Kapitalmarktprodukten engagiert sind, höher als in Deutschland“ sei.
Pro und contra PEPP
Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch in Bezug auf die Spar- und Investmentunion. Repasi erinnert daran, dass es seit 15 Jahren das Bekenntnis zu einer Kapitalmarktunion gebe, aber die Märkte in Europa weiterhin fragmentiert seien. „Sparprodukte sind nach wie vor rein national konzipiert, auch deren steuerliche Förderung.“ Die möglichen Vorteile, die sich beispielsweise Kunden im spanischen Markt böten, könne ein Deutscher nicht nutzen. Deshalb sollte ein europäisches Produkt Verbrauchern die Chance eröffnen, ein portables Instrument zu haben. Allerdings sei das vor einigen Jahren lancierte paneuropäische Pensionsprodukt (PEPP) vom Markt nicht angenommen worden. „Also muss man aus Fehlern lernen und es verändern, damit PEPP 2 nicht ebenfalls am Markt durchfällt.“
Lach wäre zwar auch dafür, dass Kunden ein Produkt von einem in den anderen Mitgliedsstaat mitnehmen könnten. Aber bei PEPP ist er anderer Meinung: „Mir erschließt sich nicht, wozu ein paneuropäisches Anlageprodukt gut sein soll.“ Wer zu einem Neobroker gehe, könne in 15 Minuten in alles investieren: den MSCI, europäische Indizes, Einzelaktien, ein Deutschland-ETF. „Es ist verfehlt, zu glauben, man müsse aus Brüssel heraus ein PEPP 2 lancieren und Barrieren beseitigen, damit die Bürger Europas in Anlageprodukte investieren können.“ Viel wichtiger sei, darüber nachzudenken, warum es die Europäer nicht tun, obwohl es so einfach sei.