Finanzaufsicht

EZB setzt Deutschland unter Druck

Recht unverblümt, gemessen am sonstigen Umgangston unter Notenbanken und Aufsehern, fordert die EZB in ihrem Finanzstabilitätsbericht angesichts haussierender Wohnimmobilienpreise zu makroprudenziellen Maßnahmen auf.

EZB setzt Deutschland unter Druck

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Die Finanzstabilitätswächter der Europäischen Zentralbank (EZB) setzen den deutschen Ausschuss für Finanzstabilität unter Druck, angesichts der Entwicklung am Wohnimmobilienmarkt mit makroprudenziellen Instrumenten, etwa einer Begrenzung des Beleihungswertauslaufs, gegenzusteuern. Die Indikatoren für die Verschuldung der Haushalte, für die Kredit- und Preisentwicklung sowie für Überbewertung seien seit Beginn der Pandemie gestiegen, stellt sie im aktuellen Finanzstabilitätsbericht fest: „Länder, in denen aufkommende Verwundbarkeiten primär durch die Wohnimmobilienmärkte getrieben werden, sollten erwägen, gezielte makroprudenzielle Maßnahmen graduell anzupassen.“ Manche Staaten hätten bereits reagiert. „In einigen Ländern jedoch, die mit Blick auf mittelfristige Anfälligkeiten im Wohnimmobilienmarkt 2019 eine Warnung oder Empfehlung des Europäischen Systemrisikorats erhielten, sind entweder keine makroprudenziellen Maßnahmen ergriffen worden oder diese scheinen Raum für eine Straffung zu haben.“

Wink mit dem Zaunpfahl

Als Wink mit dem Zaunpfahl reicht die Notenbank dazu eine tabellarische Übersicht über makroprudenzielle Maßnahmen in 16 der 19 Euro-Staaten. Einziges Land, das bislang nicht auf die geldpolitisch induzierte Hausse von Wohnimmobilienpreisen reagiert hat: Deutschland. Die Bundesrepublik und Frankreich waren vor zwei Jahren zudem die beiden einzigen Länder, welche eine Warnung des Europäischen Systemrisikorats kassiert hatten; Frankreich hat eine Obergrenze für die Relation von Fremdfinanzierung und Einkommen und für Fälligkeit von Finanzierungen festgelegt sowie die Risikogewichte für Hypothekenkredite in bankinternen Modellen angepasst.

All dies darf man als Breitseite gegen den Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) verstehen. Das aus je drei Vertretern von Deutscher Bundesbank, Bundesfinanzministerium und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie dem für Abwicklung zuständigen BaFin-Direktoriumsmitglied bestehende Gremium soll auf Basis von Bundesbank-Analysen Fragen der Finanzstabilität erörtern, vor Gefahren warnen und Maßnahmen zu ihrer Abwehr empfehlen. In den Fokus rückt damit auch der seit Anfang August amtierende BaFin-Präsident Mark Branson, welcher der Behörde nach dem Willen der Regierung mehr Biss verleihen soll.

Wie der Verband deutscher Pfandbriefbanken vor wenigen Tagen mitteilte, haben sich Wohnimmobilien laut dem von ihm erstellten Preisindex im dritten Quartal binnen Jahresfrist um 11,4% verteuert – so stark wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnung im Jahr 2003. Wie aus dem EZB-Bericht hervorgeht, hält die Notenbank insbesondere die Wohnimmobilienmärkte in Benelux, Österreich und Deutschland für überbewertet (siehe Grafik). Als Instrument gegen einen Überschwang am Wohnimmobilienmarkt empfiehlt der Stabilitätsbericht neben gezielten Schritten wie einem Limit für Beleihungswertausläufe auch eine sukzessive Anhebung antizyklischer Kapitalpuffer dort, „wo der Ausblick für die Wirtschaft und den Bankensektor günstig sind“. In Deutschland hatte die BaFin den antizyklischen Kapitalpuffer im März vergangenen Jahres angesichts der Pandemie von 0,25% auf 0% herabgesetzt.

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