Finanzaufsicht unter Beschuss

Britische Regulierer wollen enger zusammenarbeiten - Andrew Bailey auf Jahreskonferenz ausgebuht

Finanzaufsicht unter Beschuss

Die Skandale der vergangenen Monate haben den Chef der britischen Finanzaufsicht, Andrew Bailey, eingeholt. Auf der Jahreskonferenz der Behörde wurde er ausgebuht. Das Vorgehen seiner Behörde ist in einem Fall bereits Gegenstand einer unabhängigen Untersuchung. hip London – Die britischen Regulierer der Finanzbranche haben angekündigt, ihre Zusammenarbeit untereinander sowie mit der Wettbewerbsaufsicht zu verbessern. Unterdessen gerät die Financial Conduct Authority (FCA) immer mehr unter Beschuss. Ihr Chief Executive, der ehemalige Notenbanker Andrew Bailey, wurde auf der Jahreskonferenz der Behörde ausgebuht. “Hören Sie auf, Gauner zu schützen”, hieß es aus dem Publikum. Dem vorangegangen war eine Reihe von Skandalen wie der Kollaps von Lendy und London Capital & Finance (LCF) oder die unbefristete Handelsaussetzung des Flaggschifffonds von Woodford Investment Management. Die Chancen Baileys, die Nachfolge von Mark Carney an der Spitze der Bank of England anzutreten, schwinden zusehends.Im Juni hatte die Behörde bei der Veröffentlichung ihres Abschlussberichts zum Skandal um das Geschäftsgebaren der Abwicklungssparte der Royal Bank of Scotland (RBS) erklärt, keine weiteren Schritte einzuleiten. “Unsere Untersuchung hat ergeben, dass die GRG den hohen Standards, den ihre Kunden erwarteten, ganz klar nicht entsprach”, sagte Bailey damals. “Aber sie war weitgehend unreguliert, und unsere Befugnisse, unter solchen Umständen aktiv zu werden, sind sehr begrenzt.” Mehr als 12 000 Firmenkunden der RBS wurden zwischen 2007 und 2012 in die GRG, Global Restructuring Group, überführt. Lediglich einer von zehn schaffte es wieder zurück in eine normale Geschäftsbeziehung mit der Bank. Die Finanzaufsicht fand zwar keine Belege für die schwerwiegendsten Vorwürfe gegen die Sparte. “Unangemessenes” Verhalten habe es jedoch reichlich gegeben. Verschwommene GrenzenBailey wiederholte auf der Jahreskonferenz, dass die Handlungsmöglichkeiten der Behörde “extrem begrenzt” gewesen seien. Und während man die Lektionen der Vergangenheit zu lernen habe, müsse man auch nach vorn blicken. Neue Technologien könnten auch neue Wege eröffnen, Schaden zu verursachen. “Wir sehen heute oft Beispiele dafür, die sich an den verschwommenen Grenzen des regulatorischen Rahmens abspielen, wo Grauzonen schlechten Akteuren Gelegenheiten eröffnen”, sagte Bailey. Das Niedrigzinsumfeld habe einen Markt geschaffen, in dem Verbraucher nach Wegen suchten, mehr Rendite zu erwirtschaften. “In diesem Umfeld werden immer mehr hochriskante Investments an Kleinanleger vermarktet.”Der ehemalige City-Minister Paul Myners forderte jüngst eine unabhängige Untersuchung zur Rolle der FCA beim Zusammenbruch des Peer-to-Peer-Kreditvermittlers Lendy. Wenn der Regulierer sich lediglich selbst überprüfe, entscheide er am Ende auch, ob sein Scheitern Anlass zu Entschädigungszahlungen sei. Peer-to-Peer Lending ist im Grunde nichts anderes als ein meist unbesicherter Kredit, den eine Person einer anderen gibt. Als Lendy, die damit geworben hatte, mit britischen Immobilien besicherte Darlehen zu vermitteln, im Mai kollabierte, hatten 20 000 risikofreudige Kunden 54 Kredite in Höhe von insgesamt 152 Mill. Pfund vergeben. Bereits im Oktober vergangenen Jahres waren zwei Drittel davon überfällig, wie das Unternehmen zugeben musste. Im Schnitt könnten Anleger dem Zwangsverwalter RSM zufolge 57 bis 58 Pence pro investiertem Pfund zurückerhalten. Allerdings könnten es, je nach Kredit, auch nur 7 Pence sein. Die FCA habe Lendy zu einem Zeitpunkt die Zulassung als Peer-to-Peer-Plattform erteilt, als ihr Überleben bereits grundsätzlich in Frage stand. Sie nahm die Firma aus Portsmouth zwar im März an die kürzere Leine, wurde aber am Ende ebenso von ihrem Zusammenbruch überrascht wie die Anleger. Schatzamt prüft selbstDas Schatzamt will prüfen, ob die FCA den Finanzdienstleister LCF hinreichend beaufsichtigt hat. Die ehemalige Richterin Elisabeth Gloster leitet eine unabhängige Untersuchung. Unabhängige Finanzberater hatten die Behörde der BBC zufolge schon 2015 auf irreführende Werbung der Firma hingewiesen. Auch das Serious Fraud Office ermittelt. Es geht darum, dass sich hochrangige Mitarbeiter der Firma zulasten von 11 600 Kleinanlegern bereichert haben sollen, die sie mit Zinsen von 8 % angelockt hatten. Sie investierten mehr als 230 Mill. Pfund in Mini-Bonds. Der Großteil dürfte unwiederbringlich verloren sein. LCF vermarktete die Mini-Bonds als steuerbegünstigten Sparplan (Individual Savings Account, ISA) und behauptete, in Hunderte von Firmen zu investieren. Anleger dürften geneigt gewesen sein, den Angaben zu glauben, weil die Firma damit warb, dass sie von der FCA beaufsichtigt wurde. Der ISA ist ein bekanntes Produkt, von dem man keinen Totalverlust erwarten würde. Mini-Bonds unterliegen dagegen nicht der Regulierung durch die FCA.Das finanzpolitische Komitee der Bank of England kündigte diesen Monat an, die Schwächen von Investmentfonds anzugehen. Die unbefristete Handelsaussetzung des Woodford-Fonds hatte das Missverhältnis von angeblicher und tatsächlicher Liquidität noch einmal vor Augen geführt. Das soll in Zusammenarbeit mit der FCA geschehen. – Wertberichtigt Seite 6