Frankfurt avanciert zur Hauptstadt der Bankenaufsicht
Die globale Finanzkrise hat am Bankenplatz Frankfurt ihre Spuren hinterlassen, gleichwohl aber keine massive Kündigungswelle ins Rollen gebracht. Dazu trägt die zunehmende Profilierung Frankfurts als europäische Aufsichtsmetropole maßgeblich bei, welche die Positionierung des deutschen Finanzzentrums im internationalen Standortwettbewerb verbessert. So federt der zusätzliche Personalbedarf infolge der neuen, strengeren Regulierung den restrukturierungsbedingten Beschäftigungsabbau am Main ab.Dass sich der Stellenabbau am Main bis dato in Grenzen hält, belegen die Daten für den Arbeitsmarkt Frankfurt. Im Stadtgebiet gab es Mitte des vergangenen Jahres rund 62 200 Bankbeschäftigte – lediglich 4 % weniger als zu Hochzeiten Ende 2008. In unmittelbarer Reaktion auf die Krise kam es natürlich auch hier zu Entlassungen, die Bankbeschäftigung ging von Ende 2008 bis Mitte 2010 um 2 500 zurück. Dann stellten die Institute jedoch vermehrt neue Mitarbeiter ein – “netto” 1 500 bis ins letzte Jahr hinein. Im Verlauf von 2012 veränderte sich die Bankbeschäftigung am Main nur wenig. Erst zu Beginn des letzten Jahres setzte ein signifikanter Personalabbau ein, womit wieder das Beschäftigungsniveau von Mitte 2010 erreicht wurde. Hohe AnziehungskraftUngeachtet des anhaltenden Konsolidierungsdrucks in der Finanzwelt und der damit verbundenen Refokussierung auf den Heimatmarkt zeigen weiterhin zahlreiche Banken am deutschen Finanzzentrum Präsenz. Die Mainmetropole ist nicht vom europaweiten Langfristtrend einer spürbar sinkenden Institutszahl betroffen. Die hohe Attraktivität als Finanzstandort hat die Frankfurter Bankenanzahl nach einer krisenbedingten Delle in den Jahren 2008 bis 2010 sogar wieder merklich steigen lassen. Bereinigt um einen statistischen Sondereffekt gab es zur Jahresmitte 2013 insgesamt 223 Hauptsitze am hiesigen Finanzplatz, rund drei Viertel davon ausländischer Herkunft.Die hohe Anziehungskraft der Mainmetropole auf Auslandsbanken manifestiert sich in 160 ausländischen Hauptsitzen und 36 Repräsentanzen – ein signifikanter Zuwachs an internationalen Akteuren innerhalb der letzten beiden Jahre. Weiterhin kommen zur Hebung von Geschäftspotenzialen Marktteilnehmer neu nach Frankfurt oder vollziehen die Umwandlung ihres hiesigen Büros in eine geschäftstreibende Niederlassung. Dies spiegelt die wichtige Rolle Frankfurts im weltweiten Finanzgeschehen wider. Schließlich gilt die Mainmetropole vielen als “place to be”, um Geschäfte in Deutschland und den umliegenden Ländern zu betreiben. Trotz der Auswirkungen der globalen Finanzkrise steht der Standort an sich daher für viele außer Frage. Vielmehr wird an einigen Stellschrauben zur Kostenreduktion gedreht, so auch Personal eingespart. Wie weit ist dieser mehrjährige Anpassungsprozess in den Frankfurter Bankentürmen schon fortgeschritten, und was ist für die weitere Beschäftigungsentwicklung konkret zu erwarten? Stimmung scheint zu drehenDie Stimmung am Bankenplatz scheint zu drehen. Diesen Eindruck untermauern Umfragen und summa summarum auch wieder die Finanzpresse, die noch vor einigen Monaten von Schreckensmeldungen über umfangreiche Kündigungen im globalen Finanzsektor geprägt war. Zwar wird weiterhin von Stellenstreichungen in einigen deutschen Großbanken berichtet, die mit einer Bilanzschrumpfung einhergehen. Doch gleichzeitig mehren sich nun positive Meldungen, dass Banken Geschäftsbereiche nach Frankfurt verlagern, ihre Aktivitäten dort ausbauen oder sich gar neu am deutschen Finanzzentrum ansiedeln.Ohnehin steht den konsolidierungsbedingten Stellenkürzungen eine nicht zu vernachlässigende Nachfrage nach hoch qualifiziertem Fachpersonal gegenüber. So äußern Geschäftsbereiche mit Wachstumspotenzial im Rahmen der Konjunkturerholung Bedarf. Aber auch die anspruchsvollere Regulierung erfordert mehr Spezialisten: Zum einen benötigen die Geschäftsbanken mehr Mitarbeiter, um der Vielzahl aufsichtsrechtlicher Anforderungen Rechnung zu tragen. Dies stellt allerdings zusätzliche Kosten für die Kreditinstitute dar.Zum anderen ist die europäische Bankenaufsicht, die unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) eingerichtet wird, ein zentraler Pfeiler der krisenbedingt überarbeiteten Regulierungsarchitektur. Die EZB plant zur Übernahme ihrer neuen Rolle im Laufe dieses Jahres rund 1 000 neue Mitarbeiter einzustellen, davon etwa 800 speziell für Aufsichtsaufgaben. Ein ehrgeiziges Zeitfenster, wenngleich dieses Mammutprojekt schon auf Hochtouren läuft. Vorübergehend wird dementsprechend auf versierte Mitarbeiter der nationalen Aufsichtsbehörden zurückgegriffen, um die bereits angelaufenen umfassenden Bilanzprüfungen vornehmen zu können. Nach Komplettierung des Führungsgremiums wird nun sukzessiv die Stellenbesetzung forciert. In diesem Frühjahr soll bereits rund die Hälfte des neuen Personals seine Arbeit aufnehmen.Mit ihrer wachsenden Aufsichtsfunktion wird die EZB im internationalen Finanzgeschehen immer bedeutender, was gleichsam das Profil des deutschen Finanzzentrums als europäische Aufsichtsmetropole stärkt. Frankfurt, das bereits Standort einiger Institutionen mit Aufsichts- bzw. Regulierungscharakter ist, avanciert damit endgültig zur Hauptstadt der Regulierung im europäischen Finanzwesen. Der signifikante Imagegewinn für den Finanzplatz erhöht seine Anziehungskraft auf in- und ausländische Akteure, die am Main präsent sein und den unmittelbaren Austausch in der hiesigen “banking community” pflegen wollen. Zumindest in diesem Sinne ist der Finanzplatz Frankfurt ein Profiteur der globalen Krise. Diesen Chancen für die Positionierung im internationalen Wettbewerb stehen allerdings auch Risiken einer zu starken Regulierung gegenüber.Insgesamt dürfte sich der Beschäftigungsabbau am deutschen Bankenzentrum unter dem Strich weiterhin in Grenzen halten – nicht zuletzt dank der personellen Aufstockungen infolge der intensiveren Regulierung. Für Ende 2015 erwarten wir einen Gesamtbestand von etwa 61 300 Mitarbeitern in den Frankfurter Bankentürmen.Ausgehend vom letztverfügbaren Stand Mitte 2013 bedeutet dies nur eine Reduktion um “netto” rund 1 000 Arbeitsplätze bzw. ein Minus von 1,5 %. Seit Ende 2008 würde die kriseninduzierte Personalveränderung am deutschen Finanzzentrum damit lediglich gut minus 5 % betragen (minus 3 500 Stellen). So schlimm dies für die einzelnen Betroffenen ist – der Anpassungsprozess am Frankfurter Bankenplatz vollzieht sich insgesamt in moderatem Tempo und bleibt auch über die Jahre hinweg überschaubar.—Von Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin/Leitung Research der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba)