Frankfurt profitiert bereits vom Brexit

"Werkstattgespräch" der Börsen-Zeitung: Finanzplatz wird aufgewertet

Frankfurt profitiert bereits vom Brexit

lee Frankfurt – Auch wenn sich nicht jede optimistische Prognose erfüllen wird, birgt der Brexit eine historische Chance für die Mainmetropole. Auf diese Einschätzung konnten sich die Teilnehmer des “Werkstattgesprächs” der Börsen-Zeitung zum Thema “Finanzplatz Frankfurt – vor und nach dem Brexit” verständigen.”Schaffen wir es, aus der Situation etwas zu machen, oder sitzen die Gewinner am Ende in den USA oder Singapur?”, so lautet aus Sicht von Karin Dohm die spannende Frage aus europäischer Sicht. Nach Einschätzung der globalen Leiterin für Regierungsbeziehungen und Regulierung bei der Deutschen Bank ist die größte Herausforderung dabei die Unsicherheit: “Der Finanzplatz London ist ja auch deshalb so groß, weil das Umfeld dort so liberal ist.”Der Politiker Wolf Klinz, der für die FDP im Europaparlament sitzt, hält es keineswegs für ausgemacht, dass die Geschäfte, die nach dem Wegfall des EU-Passes nicht mehr in der City gemacht werden können, nach Frankfurt kommen. “Emmanuel Macron und sein Finanzminister arbeiten intensiv daran, Paris für die Banken attraktiv zu machen”, sagte er unter Verweis auf den französischen Präsidenten. Geringe Wechselbereitschaft”Über die Details wird erst nach dem 29. März verhandelt, aber wir dürfen nicht nachlassen”, so der Europaabgeordnete, der sich als einstiger Präsident der Frankfurter Industrie- und Handelskammer (IHK) dem Standort sichtbar verbunden zeigte.Für Stefan Winter, Vorsitzender des Verbands der Auslandsbanken, wäre es das schlimmste Szenario, wenn die Banken das ganze Geschäft aus der City an den Main verlagern, ihre Leute aber nicht zum Umzug bewegen können. Die Wechselbereitschaft sei gering: “Die maximale Akzeptanzquote liegt bei etwa 30 %.”Dohm gab zu bedenken, dass nicht jeder Arbeitsplatz tatsächlich eins zu eins verlagert werden müsse. Für manche Aufgaben böte die Digitalisierung andere Lösungen, die ja zugleich auch neue, spannende Aufgaben verspreche. Insofern biete der Brexit eine gute Gelegenheit für die Institute, sich neu aufzustellen.Vor diesem Hintergrund halten sowohl Winter als auch Dohm die Prognosen der Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance für noch immer zu optimistisch. Deren Geschäftsführer Hubertus Väth hatte kurz vor der Beginn der Veranstaltung seine Erwartungen relativiert.Die Initiative geht nun davon aus, dass acht statt bislang fünf Jahre vergehen werden, bis durch die Verlagerung von Stellen in der Finanzbranche und den angrenzen Sektoren 10 000 zusätzliche Jobs in Frankfurt entstanden sind. Die Bilanzsumme, die bedingt durch den Brexit an den Main wandern wird, beziffert die Initiative auf 750 bis 800 Mrd. Euro.Die Auslandsbanken rechnen Winter zufolge dagegen eher mit einem verlagerten Bilanzvolumen von 450 Mrd. Euro und etwa 5 000 neuen Jobs in Deutschland. Winter zeigte sich mit der Standortpolitik der Bundesregierung zufrieden: “Berlin betreibt aktuell geradezu Industriepolitik für die Banken.” Neue Konkurrenz Die neue Aufmerksamkeit auf der politischen Bühne ist nicht der einzige Vorteil, der dem Finanzplatz durch den Brexit entsteht. Auch innerhalb der Branche ist Dohm zufolge spürbar, wie Konkurrenz das Geschäft belebt. Als Beispiel führte sie das Clearing von Derivaten an, wo die Deutsche-Börse-Tochter Eurex zuletzt gegenüber dem großen Londoner Wettbewerber LCH Clearnet an Boden gewonnen hat. “Es gibt heute in Frankfurt Angebote, die wir früher nicht hatten”, strich Dohm heraus. Die Deutsche Bank hatte im Sommer angekündigt, bestimmte Wertpapiertransaktionen im Euroraum wegen des Brexit künftig in Frankfurt statt in London zu clearen.Um auch nach dem Brexit international weiter eine Rolle zu spielen, muss die Europäische Union Klinz zufolge dringend die Bankenunion vollenden. “Der Bankenmarkt ist noch immer national”, kritisierte der Liberale. Als Beispiele nannte er die Vorbehalte vieler Mitgliedstaaten, den europäischen Aufsichtsbehörden für Banken und Versicherungen mehr Kompetenzen einzuräumen.